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GOLF
Generation Nicht-Golf
Generation Nicht-Golf trifft Generation Golf: (von links) Kabarettistin Birgit süß, Ex-Schwimm-Weltmeister Thomas Lurz, die beiden Golflehrer Stuart Bannerman und Trevor Pearman, Golf-Club-Würzburg-Präsident Bernhard May, Main-Post-Sportredakteurin Natalie Greß und Olympia-Fechter Dieter Schneider.
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Natalie Greß
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:28 Uhr

Es ist ein Experiment. Eine Erfahrung. Ein Erlebnis. Und für drei von vieren ein Erstkontakt mit einer ihnen bis dahin fremden Sportart. Golf. Der ehemalige zwölffache Schwimm-Weltmeister Thomas Lurz (37), der zweimalige Olympia-Fechter Dieter Schneider (58), die Kabarettistin Birgit Süß (52) und die Sportredakteurin Natalie Greß (40) wollen zusammen herausfinden, ob der Spaß im wahrsten Sinne des Wortes oder doch eher im übertragenen ein Loch hat. In zwölf Übungsstunden innerhalb von vier Wochen erarbeitet sich das Quartett im Golf Club Würzburg (GCW) die Platzreife, also die Berechtigung, auf einer Golfanlage spielen zu dürfen. Es wird in dieser Zeit viel um Haltung gehen – die äußere, von der maßgeblich abhängt, ob der Golfschwung gelingt; aber auch die innere, mit der man zwangsläufig konfrontiert wird. Denn über kaum eine Sportart – seit 2016 ist sie übrigens wieder olympisch – gibt es so viele Stereotype wie über diese. Auch die vier aus der Gruppe, die bis dahin der Generation Nicht-Golf angehört haben, verraten beim Vortreffen ihre Vorurteile.

Thomas Lurz: Golf ist auf Amateurebene nicht wirklich ein Sport, sondern kommunikative Entspannung in der Natur.

Dieter Schneider: Golf ist für Leute mit zu viel Zeit.

Birgit Süß: Golf ist langweilig und zu teuer.

Natalie Greß: Golf ist elitär und spießig.

Stimmt's?
 

Der Erstkontakt

Aller Anfang ist schwer. Und aller Anfang beginnt im Golf auf der Driving Range – einer Art Bullenwiese für blutige Anfänger, die den Rasen kaputtmachen und daher aus gutem Grund noch nicht auf den Platz dürfen. Viele kahle, braue Stellen klaffen am Abschlag wie verschorfte Wunden im Grün. Es ist ein Mittwoch, die Sonne scheint, und „Pro“ Stuart Bannerman empfängt uns am schicken Clubhaus, vor dem die vielen standesschicken Autos all der golfschick gekleideten Mitglieder parken. Es ist die erwartet andere Welt, in die wir teils mit Skepsis eintreten.

„Pro“ steht für „Professional“ – und nicht etwa für die mit fränkischem „B“ ausgesprochene amerikanische Abkürzung von „Brother“, wie man denken könnte, wenn man allzu begeistert der irren Idee aufliegt, Golfer könnten doch cooler sein als ihr Ruf und sich was vom Gangsterrap geklaut haben. Nur einer fehlt: Thomas Lurz strapaziert gleich in der ersten Stunde Dieter Schneiders Vorurteil: Er glänzt mit Abwesenheit, weil er arbeiten muss und nicht genügend Zeit übrig hat. Immerhin hat er als Einziger aus der Gruppe schon mal einen Golfschläger in der Hand gehalten.

Stuart (47), unser Coach, stammt aus Aberdeeen in Schottland, wo Golf Volkssport ist und im 15. Jahrhundert seinen Ursprung haben soll. Sein Vater nahm am Ryder Cup teil, einem der bekanntesten Turniere der Welt, bei dem alle zwei Jahre die besten Golfer aus Europa und den USA gegeneinander antreten. Seit 44 Jahren spielt Stuart Golf. Für uns ist er ab jetzt eben auch unser „Bruder“.

Mit charmantem schottisch-fränkischem Akzent erklärt er uns, dass der Durchmesser eines Golflochs 10,79 Zentimeter beträgt, wie man den Schläger hält und welche Eisengröße bei welchem Schlag gefragt ist. Dann zeigt er uns, wie der Golfschwung funktioniert und was der Unterschied zwischen Pitchen, Chippen und Putten ist. Bereits nach den ersten drei Stunden haben wir viel gelernt.

Lektion eins

Dieter Schneider: Was so einfach aussieht, ist hochkomplex. Der Golfschwung ist vor allem eine mentale Herausforderung. Man muss sich richtig konzentrieren, um den Ball nicht nur überhaupt zu treffen, sondern auch in die richtige Richtung zu schlagen.

Birgit Süß: Der Grat zwischen Freude und Frust ist im Golf sehr schmal. Kein Wunder, dass hier so viel geflucht wird! Man darf auf jeden Fall nicht anderen Gedanken nachhängen, sondern muss voll fokussiert sein.

Natalie Greß: Golf fühlt sich an wie eine reine Glückssache. Und für Ungeduldige ist es eine echte Geduldsprobe. Auf einen guten Schlag können zehn schlechte folgen. Daher hat Golfclub-Präsident Bernhard May recht, wenn er sagt: „Golf macht demütig.“


Die Erfahrung

Dieter Schneider und Birgit Süß eröffnen das zweite Treffen an einem sonnigen Sonntag mit einem Geständnis: Unabhängig voneinander haben sie sich schlau gemacht, was eine Mitgliedschaft für Neueinsteiger im GCW kosten würde: Summa summarum jeweils knapp 2200 Euro in den ersten zwei Jahren (Spielrecht + Jahresbeitrag + Verbandsbeiträge + Gastronomievorauszahlung). Beide geben zu, schon leicht vom Golfvirus infiziert zu sein. Während der Übungsabschläge auf der Driving Range verraten die zwei ehemaligen Spitzenathleten und die lustige Bühnenfrontfrau, was Golf mit ihren Sportarten beziehungsweise mit Comedy gemein oder nicht gemein hat.

Lektion zwei

Thomas Lurz: Schwimmen und Golf unterscheiden sich elementar: Schwimmen bedeutet auf Leistungsniveau Schmerzen und viele Stunden Alleinsein im Wasser; Golf bedeutet Entspannung an der frischen Luft und Austausch mit anderen. Natürlich kostet das Konzentrieren beim Golf auch Energie, aber es ist kein Vergleich zur körperlichen Anstrengung beim Schwimmen.

Schneider: Fechten lebt von der Auseinandersetzung mit dem Gegner, den es im Golf nicht gibt; dort spielt man nur gegen sich. Ich habe allerdings in meiner ersten Golfwoche ähnliche Verhaltensweisen an mir beobachtet wie früher, als ich mit dem Fechten angefangen habe. Damals habe ich in unbeobachteten Momenten wie an der Bushaltestelle meine Schritte geübt. Und jetzt habe ich in Alltagssituationen wie beim Autofahren in Gedanken den Golfschläger in die Hand genommen und bin den Bewegungsablauf durchgegangen. Meine erster Eindruck: Das Physische kann man lernen, aber das Mentale ist entscheidend.

Süß: Comedy steckt überall im Leben, also auch im Golfsport. Nicht-Golfer wie ich können sich natürlich darüber lustig machen, dass mein popeliger Roomster hier zwischen drei Porsche parkt; dass das einzige Poloshirt, das ich besitze – rosa übrigens – mal Teil eines Bühnenoutfits war; oder dass ich nicht mit meinen drei Katzen dreimal im Jahr in den Skiurlaub fahre wie offenbar all die Familien, die ich nicht kenne, sondern dass ich das Geld in die Tierklinik trage, weshalb ich es dann auch nicht für eine Mitgliedschaft im Golfclub übrig habe.

Aber auch Golfer können natürlich über Anfänger wie uns spotten, die die Bälle nicht treffen oder wenn doch, sie danach in Gebüschen suchen müssen, wo sie dann nicht nur ihre eigenen rausholen, sondern auch die von anderen, die sie heimlich mitnehmen, weil die ja teuer sind. Golf bietet auf jeden Fall einen großen Fundus an Vorurteilen.


Das Erlebnis

Wir bekommen einen neuen „Bruder“. Pro Trevor Pearman (51) kommt aus Yorkshire, England. Er spielt seit 40 Jahren Golf und bringt uns die Sportart mit britischem Humor und Videostudium unserer Bewegungsabläufe noch mal näher. Am Ende der abermals sonnigen Sonntagsstunden haben wir diesmal vor allem zwei Dinge gelernt: Golflehrer können andere Herangehensweisen im Lehren haben und Golfanfänger andere Herangehensweisen an den Sport.

Lektion drei

Lurz: Ich bewege mich zwischen einfach machen und einigermaßen die Kontrolle behalten. Aber so langsam merke ich, dass in mir der Sportler durchkommt. Ich will mich Stück für Stück verbessern und endlich mal ein paar Löcher richtig spielen.

Schneider: Weil jeder Schlag zählt und keine Korrektur möglich ist, muss man sich ständig konzentrieren. Nach drei Stunden bin ich mental ausgepowert und hab Rücken. Es war anstrengend. Ich fühle mich, als hätte ich eineinhalb Stunden Tennis gespielt.

Süß: Es läuft inzwischen ein bisschen flüssiger, wenn auch nicht unbedingt besser. Aber immerhin weiß ich jetzt, was ein Dogleg ist (Spielbahn, deren Fairway nach rechts oder links abknickt wie ein Hundebein, Anm. d. Red.)

Greß: Ich weiß einfach nicht, was ich auf den Golfplatz anziehen soll. Egal, was ich aussuche, so richtig fühle ich mich nie richtig zwischen den Männern in Beige und Blau und mit Caps und den Frauen in Weiß und Rosa und mit Lippenstift. Aber halt, da war ein Typ mit Tattoo! Ob im Golfsport zumindest optisch doch ein klitzeklitzklitzekleines Potenzial für Punk schlummern könnte?!


Die Platzreifeprüfung

Der letzte Sonntag. Theoretische Platzreifeprüfung. 30 Fragen zum Golfsport und zur Etikette. Mit Schwarmintelligenz und etwas Hilfe von Trevor hangeln wir uns durch. Bestanden! Das heißt: Wir dürfen auf den Platz! Den Plaaahhaaatz!!! Den heiligen Rasen betreten! Es ist ein großer Moment für uns, wenn auch nicht für den Golfsport, als wir an Tee eins zu dilettieren beginnen. Es fühlt sich fast an wie: bei Null anfangen.

Sogar dem Wettkampfdruck gewohnten Schwimmer versagen offenbar die Nerven. Thomas Lurz, mutmaßlich mit dem meisten Talent von uns Vieren gesegnet und daher unser Vorturner, muss direkt nach dem ersten Abschlag ins Rough: Er drischt drei Bälle nacheinander ins angrenzende Waldstück. Als er darin verschwindet, um sie zu suchen, empören sich aufgeschreckte Vögel mit lautem Geschrei über die Ruhestörung. Danach findet er allmählich zu seiner Form.

Dieter Schneider, eigentlich der Ruhigste im Quartett, spielt sich mit Ausrufen von Lust und Frust und Ausflügen in Sandbunker nach und nach auf die Grüns.

Birgit Süß, die auf der Driving Range noch Luftgolf als Äquilvalent zur Luftgitarre erfinde wollte, weil etliche ihrer Schläge den Ball verfehlten, braucht offenbar die Bühne, um gut zu sein. Die hat sie nun – und drei begeisterte Zuschauer hat sie auch.

Und ich? Pfeife auf die Klamotten, versenke manche Bälle in Baumkronen und Teichen und treffe andere auf dem Weg zum Ziel. Mit den anderen erfreue ich mich am herrlichen Wetter, der schönen Landschaft, unserer munteren Mannschaft und unserem „brima Bro“. Als Trevor auf dem letzten Grün scherzt: „Jeder noch drei Putts, um den Ball einzulochen, dann habt ihr auch die praktische Platzreife!“, und wir alle ins 18. Loch treffen, bricht Jubel unter uns aus. Das Experiment der Generation Nicht-Golf ist gelungen.

Fazit

Lurz: Golf macht auf jeden Fall viel Spaß. Wenn man es richtig können will, bedarf es wie in jeder anderen Sportart sehr viel Training. Das Schöne am Golftraining ist: Man hat keinen Puls von 200 und kein Laktat von zwölf. Also auch keine Schmerzen.

Schneider: Ich glaube, dass man nie genug Zeit für die Dinge hat, die einem Spaß machen. Golf gehört für mich seit Neuestem dazu. Man muss sich halt die Zeit nehmen – zumindest bis man es kann. Das ist sicher der kürzeste Golf-Witz: „Ich kann's.“

Süß: Ich muss gestehen: Tatsächlich hat mich ein wenig der Golf-Virus erwischt. Aber ich halte das immer noch für eine ziemlich teure Angelegenheit. Was noch dazukommt, ist der Zeitaufwand. Aber ich werde versuchen, mir ein wenig Zeit abzuknapsen.

Greß: Golf ist eine andere, und ja, auch elitärere Welt als die, in der ich sonst zu Hause bin. Aber wenn man den Ball richtig trifft, macht es nicht nur vom Geräusch her „klick“. Verdammt, der spießige Sport macht Spaß – und mit ein wenig Selbstironie noch mehr.
 

Golf für Anfänger: 25 gängige Begriffe aus der Golfsprache

Platzreife = Berechtigung, um auf dem Golfplatz spielen zu dürfen; Anfänger erwerben sie nach einem Kurs, der neben dem Golfschwung auch Regeln der Etikette lehrt

Driving Range = Übungsbereich

Professional (kurz: Pro) = Golflehrer

Handicap = Vorgabe, die die Vergleichbarkeit der Spielergebnisse verschieden starker Spieler ermöglicht; sie sagt aus, wie viele Schläge ein Spieler im Vergleich zu einen Golfprofi bzw. Amateurgolfer mit Handicap 0 normalerweise zusätzlich benötigt, um alle Bahnen eines 18-Loch-Platzes regelkonform zu spielen; zusammen mit der Platzreife erhält der Spieler erstmalig ein Handicap bzw. eine Clubvorgabe von -54; diese kann durch die Teilnahme an Turnieren verringert sprich verbessert werden

Abschlag = erster Schlag an jeder der 18 oder neun Bahnen

Tee = Abschlagsfläche an der Spielbahn und/oder kleiner Stift für den Ball, der in den Boden gesteckt wird, um besser abschlagen zu können

Fairway = Spielbahn zwischen Abschlag und Grün Green/Grün = sehr kurz gemähte Rasenfläche um das Loch herum, auf der nur noch mit einem Putter gespielt wird Rough (das „Raue") = weniger gepflegte Flächen auf dem Platz, auf denen lange Gräser, Büsche oder Bäume stehen können.
 

Flight = zwei- bis vierköpfiges Team, das gemeinsam an den Start geht; nach dem Abschlag richtet sich die Reihenfolge der Spieler nach der Lage des Balls: Wer am weitesten vom Loch entfernt ist, spielt zuerst; erst nach dem Schlag gehen die Spieler gemeinsam weiter

Par (Professional Average Result) = berechneter und vorgegebener Platzstandard; die Werte stehen für die Anzahl an Schlägen, die ein sehr guter Spieler durchschnittlich benötigt, um den Ball vom Abschlag ins Loch zu bringen Pitchen = außerhalb des Grüns gespielter Annäherungsschlag an die Fahne, der hoch fliegt und nach der Landung nicht mehr rollt

Chippen = flacher Annäherungsschlag an die Fahne aus unmittelbarer Nähe des Grüns

Putten = kurzer Schlag auf dem Grün mit einem speziellen Schläger (Putter), mit dem der Ball auf dem Grün eingelocht wird, rollend statt fliegend

Ass (Hole in One) = Abschlag direkt ins Loch

Birdie = der Ball landet mit einem Schlag unter dem Platzstandard (Par) im Loch

Eagle = der Ball landet mit zwei Schlägen unter dem Platzstandard (Par) im Loch

Albatros = der Ball landet mit drei Schlägen unter dem Platzstandard (Par) im Loch

Bogey = der Ball landet mit einem Schlag über dem Platzstandard (Par) im Loch

Driver = Schläger für die weitesten (Ab-)Schläge

Bunker = Sandhindernis

Divots = herausgeschlagene Rasenstücke

Fore = Warnruf auf dem Platz an andere Spieler

Caddy = Assistent des Golfers, vor allem bei Profiturnieren; trägt die Tasche und berät den Golfer

Greenfee = Platznutzungsgebühr für Nichtmitglieder

Abschläge üben: Anfänger dürfen ohne Platzreife nur auf die Driving Range.
Foto: Johannes Kiefer | Abschläge üben: Anfänger dürfen ohne Platzreife nur auf die Driving Range.
 
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