Positiv gestimmt starten die Schwimmerinnen Lea Boy und Leonie Beck vom SV 05 Würzburg in die Freiwasser-Weltmeisterschaft, die am 26. Juni im ungarischen Lupa-See nahe Budapest beginnt. "Ich bin zufrieden, es ist wirklich hervorragend gelaufen. Lea ist in Topform", sagt Sebastian Greß im Gespräch mit dieser Redaktion. Er schwamm einst selbst beim SV 05 und ist seit September 2021 in Würzburg Landesstützpunkttrainer sowie zuständiger Trainer für Bundesstützpunkt-Angelegenheiten. "Es ist gelaufen, wie Sebastian sich das vorgestellt hat. Ich glaube, wir sind gut vorbereitet", freut sich auch Boy, die sich über fünf, zehn und 25 Kilometer für die WM qualifiziert hat, in Ungarn aber nur über die beiden längeren Strecken und gegebenenfalls in der Staffel antreten wird. In der Vorbereitung plagten die 22-Jährige mehrmals Ohrenentzündungen.
Eine schmerzhafte Angelegenheit und eine, mit der Boy immer wieder zu kämpfen hat: "Ich mach' alles, was man machen kann, um dem vorzubeugen. Aber wenn man es einmal hatte, kommt es einfach immer wieder. Da muss man mit klarkommen." Letztendlich haben sie die Entzündungen immerhin nicht maßgeblich in ihrem Training zurückgeworfen. Dennoch müsse man mal schauen, ob es in der neuen Saison Möglichkeiten gebe, solche Erkrankungen zu verhindern, sagt der 30-jährige Greß. "Wenn wir eine Saison mal ohne Krankheiten durchtrainieren könnten, würden wir unsere Leistung schon massiv nach vorne pushen. Die Medaillen wären für Lea dann zum Greifen nahe", ist sich der Trainer sicher.
Um die ersten drei Plätze mitschwimmen wird vermutlich Leonie Beck. Die Olympiateilnehmerin trainiert seit Herbst 2021 in Rom mit der italienischen Nationalmannschaft und ist unter anderem mit einem Sieg beim Eurpacup-Rennen in Piombino gut in die Saison gestartet. In ihrem aktuellen Training nimmt der Kraftaufbau eine größere Rolle ein als zuvor in Deutschland, was dazu führt, dass die Muskulatur oft angeschlagen ist und die Athletinnen und Athleten nicht immer ganz frisch in die Einheiten im Wasser gehen. "Es wird nicht so viel Wert darauf gelegt, dass man im Training Bestzeiten schwimmt", erklärt Beck, für die das am Anfang ungewohnt war und der die Umstellung zunächst schwer gefallen ist: "Ich war in meinen früheren Trainings immer sehr, sehr, sehr schnell, bin fast mit den Jungs mitgekommen." Inzwischen aber hat sich die 25-Jährige mit den neuen Umständen arrangiert.
Die Olympischen Spiele in Tokio waren für Leonie Beck ein Wendepunkt
Einen Grund dafür, dass die Saison gut anläuft, sieht Beck nicht nur im veränderten Training, sondern auch in den Olympischen Spielen, bei denen sie Fünfte wurde. Tokio 2021 sei für sie "ein Wendepunkt" gewesen, sagt die Würzburgerin: "Während des Rennens habe ich endgültig verstanden, wie Freiwasser funktioniert." In einer Sportart, in der es vor allem auf Erfahrung ankommt, hat sie davon nun so viel gesammelt, dass sie, die 2017 aus dem Beckenschwimmen kam, sich endgültig angekommen fühlt. Und noch etwas war in Japan neu: "Tokio war das erste Rennen, bei dem ich zwei Stunden lang richtig Spaß hatte. Seitdem habe ich auch mehr Selbstbewusstsein – und ich bin ein bisschen lockerer geworden."
Die Tatsache, dass es für sie gut läuft im Moment, ändert nichts daran, dass Beck oft an Familie und Freunde denkt. "Es ist natürlich schon ein bisschen anders ohne gewohnte Trainingsgruppe um sich herum. Aber es ist gut, dass es hier auch wie in einer Familie zugeht", sagt Beck, die inzwischen ihren Master in "Medien und Kommunikation" in der Tasche hat. Sie ist froh, ihren Fokus jetzt voll auf das Schwimmen richten zu können: "In Italien ist man eine Ausnahme, wenn man nebenbei studiert, weil die hier anders abgesichert sind. Da sind die meisten in der Armee, bei der Polizei oder der Feuerwehr und können dort nach ihrer Sportkarriere auch arbeiten." Wann genau Beck nach Würzburg zurückkehren wird, steht noch nicht fest.
Sicher aber ist, dass sie in der Heimat schmerzlich vermisst wird. "Wir haben hier jeden Tag alles zusammen gemacht. Natürlich ist es blöd, dass sie jetzt weg ist. Aber wir freuen uns dann umso mehr, wenn wir uns wiedersehen", sagt Boy, die regelmäßigen Kontakt mit der Freundin hat. In Ungarn werden die beiden wieder vereint sein. Beck tritt über die fünf Kilometer (27. Juni) und die zehn Kilometer (28. Juni) an, Boy startet beim Zehn- und 25-Kilometer-Rennen (30. Juni). Über die lange Distanz kürte sie sich im vergangenen Jahr zur Europameisterin. Das ihr die extrem lange Strecke liegt hat sie längst bewiesen, nur die Wasser-Temperaturen bereiten der jungen Athletinnen noch etwas Sorgen: "Wenn der See 20 oder 21 Grad hat und du dort gut fünf Stunden schwimmst, dann ist das schon ein Wort. Da könnte die Kälte zum kleinen Problem werden." Ein Neoprenanzug wäre nur dann erlaubt, wenn die Wasser-Temperatur unter 20 Grad liegt, erklärt Trainer Greß, ansonsten müsse der normale Freiwasser-Anzug reichen. Motivieren könnte Boy, dass während des Rennens - wie schon vergangenes Jahr bei der EM - ihre Freundin Beck wieder die Verpflegung anreicht.
Ob die beiden Würzburgerinnen für die Staffel gesetzt sind, die am 26. Juni an den Start geht, steht noch nicht fest. So oder so: "Das wird ein recht straffes Programm. Das hatte ich so auch noch nie", sagt Beck. Wer weiß, vielleicht gibt die gemeinsame Zeit in Ungarn den beiden Schwimmerinnen genau den Push, den sie brauchen. Boy freut sich jedenfalls sehr auf ein Wiedersehen: "Wir verstehen uns perfekt. Jeder hilft dem anderen, jeder gönnt dem anderen alles, und es ist einfach schön, so einen Wettkampf zusammen zu haben. Und sollte es soweit kommen, dass wir die Staffel gemeinsam schwimmen und vielleicht eine Medaille bekommen, ist die Freude natürlich umso größer."