„Man schaut nie auf das, was verloren ist, sondern immer auf das, was noch kommt.“ Die Worte von Dirk Bauermann am Samstagabend, mit denen er die 74:91 (33:34)-Klatsche von Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg gegen den direkten Play-off-Konkurrenten ratiopharm Ulm analysieren wollte, bekamen am Morgen darauf eine ganz neue, auch viel bedeutsamere Tragweite. Der 60-jährige ehemalige Nationaltrainer wird die Baskets am Saisonende nach gerade einmal einem Jahr und vier Monaten bereits wieder verlassen.
Wechselt er nach Asien?
Bauermann unterschrieb bereits vor einigen Tagen einen Auflösungsvertrag und liebäugelt mit einem Wechsel nach Asien, wo er angeblich auch sein Salär kräftig aufstocken soll. In Würzburg hatte er Anfang 2017 einen Dreieinhalb-Jahres-Vertrag unterzeichnet. Dass er zum Saisonende gehen wird, bestätigte der 60-Jährige dieser Redaktion auf Nachfrage, sein offensichtliches Ziel wollte er nicht kommentieren.
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Die beiden Baskets-Geschäftsführer Steffen Liebler und Gunars Balodis bestätigten die Vertragsauflösung ebenfalls: „Nach intensiven Gesprächen mit Dirk Bauermann haben wir uns in Absprache mit dem Gesellschafter und unserem Beirat entschlossen, seinem Wunsch zu entsprechen und ihm keine Steine in den Weg zu legen. Zu Spekulationen über einen möglichen Nachfolger werden wir uns grundsätzlich nicht äußern.“
Die Nachfolge scheint geregelt
Dabei scheint Bauermanns Nachfolge bereits geregelt zu sein, jedenfalls so gut es geht derzeit. Ein alter Bekannter der Baskets soll zurückkehren in die Domstadt: Denis Wucherer. Der heute 45-Jährige versuchte vor 17 Jahren, als Würzburgs Bundesliga-Basketballer noch unter dem Namen DJK s.Oliver Würzburg firmierten, nach einigen Verletzungen wieder an alte Leistungskraft Anschluss zu finden. Aus jener Zeit, als Wucherer angeblich sogar ohne Gehalt spielte, ist auch überliefert, dass er zwischenzeitlich bei seinem Mannschaftskollegen Demond Greene leben musste, weil er sich angeblich keine eigene Wohnung leisten konnte. Tütensuppen sollen regelmäßig auf seinem Speiseplan gestanden haben.
Ein alter Bekannter in der Domstadt
Wucherer, der hauptverantwortlich ist für den Staunen machenden Erfolg der Gießen 46ers in den vergangenen Jahren, wo er von 2013 bis 2017 Cheftrainer war, steht seit vergangenem Sommer beim Zweitligisten RheinStars Köln in Diensten. Die Rheinländer belegen derzeit den vierten Platz in der ProA, und nach allem, was zu hören ist, verlängert sich Wucherers Vertrag in Köln nur, wenn der Sprung ins Oberhaus gelingen sollte. Weil die Zweitligisten in Play-off-Runden ihren Meister und den zweiten Aufsteiger – der Finalgegner – ermitteln, ist der Aufstieg der Kölner zwar nicht undenkbar, aufgrund der Dominanz der ehemaligen Bundesligisten Vechta (mit dem Bauermann-Vorgänger bei den Baskets, Douglas Spradley) und Crailsheim aber nach derzeitigem menschlichen Ermessen eher unwahrscheinlich. Und im Zweifelsfall werden im Sport ja nicht nur für Spieler Ablösesummen bezahlt.
Wucherer ist 123-facher Nationalspieler, nahm an vier Europameisterschaften teil und gewann 2005 in Belgrad EM-Silber. Damaliger Nationaltrainer: Dirk Bauermann. Mit ihm als Trainer von Bayer Leverkusen wurde Wucherer auch viermal deutscher Meister und zweimal Pokalsieger. Später assistierte der gebürtige Mainzer Wucherer dem neunmaligen Meister Bauermann sowohl bei der Nationalmannschaft als auch beim FC Bayern. Daher kann man natürlich auf die Idee kommen, dass Bauermann für seine Nachfolge zumindest eine Empfehlung ausgesprochen hat . . .
Drei Hiobsbotschaften für die Baskets
Durch die – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – als ziemlich überraschend einzustufende Entwicklung neben dem Parkett, drohten die drei Hiobsbotschaften beinahe ein wenig unterzugehen, die die Baskets seit Samstag zu verdauen haben. Neben der mit 17 Punkten Differenz höchsten Saisonpleite im Vier-Punkte-Duell gegen Ulm nach einer über weite Strecken schwachen Leistung, die auch dafür sorgte, dass die Play-off-Träume der Würzburger ziemlich verblasst sind, beklagen die Baskets zwei Ausfälle, die schwer wiegen. Für ihren Kapitän Kresimir Loncar, zweitbester Werfer, ist die Saison vermutlich beendet, weil er sich vergangenes Wochenende in Bamberg derart schwer an der linken Hand verletzte, dass er diese Woche wohl noch unters Messer muss. Und Liga-Topschütze Robin Benzing knickte gleich zu Beginn der zweiten Hälfte derart unglücklich um, dass er den Rest der Partie bedröppelt dreinschauend vom Rande aus verfolgen musste, und seine Miene verhieß nichts Gutes. Eine Kernspintomografie soll Aufschluss über die genaue Diagnose geben.
Von Pessimisten und Realisten
Die Optimisten unter den Anhängern der Baskets werden darauf verweisen, dass rechnerisch natürlich noch gar nichts entschieden ist im Rennen um die Play-off-Plätze, wenngleich vom Fünften bis zum Neunten fast alle Teams eine Partie weniger auf dem Buckel haben als die Würzburger auf Platz zehn. Die Pessimisten werden sagen: Die Play-off-Träume sind für diese Spielzeit ausgeträumt. Bauermann: „Die Tatsache, dass wir das Spiel heute nicht gewonnen haben, bedeutet nichts.“
Die Realisten werden zumindest feststellen, dass – sollte auch Benzing für längere Zeit ausfallen, was nicht auszuschließen ist – es nicht nur beim Blick auf den Spielplan einem mittleren bis größeren Basketball-Wunder gleichkäme, sollten die Würzburger die noch fünf Wochen andauernde Hauptrunde unter den besten acht Mannschaften beschließen. „Die Niederlage bedeutet erst dann etwas, wenn wir anfangen das Gift zu trinken, das da heißt, Play-offs in weiter Ferne und Selbstmitleid“, poesierte Bauermann am Samstagabend noch. „Dieses Gift werden wir nicht trinken, es sind noch genügend Spiele zu spielen.“ Für ihn sind es mit den Baskets vermutlich noch genau acht.