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Fußball: Regionalliga
Ein Engländer reist den Würzburger Kickers hinterher – die verrückte Fußball-Liebe des Andy Whitehead
Einmal im Monat reist Andy Whitehead extra aus Bury in Nordengland nach Deutschland, um ein Spiel der Würzburger Kickers zu besuchen.
Andy Whitehead auf der Haupttribüne am Dallenberg. Der 48-jährige Engländer reist einmal pro Monat zu einem Kickers-Spiel nach Deutschland.
Foto: foto2press/Frank Scheuring | Andy Whitehead auf der Haupttribüne am Dallenberg. Der 48-jährige Engländer reist einmal pro Monat zu einem Kickers-Spiel nach Deutschland.
Frank Kranewitter
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:55 Uhr

Er weiß selbst, dass das alles ein bisschen verrückt ist. Dabei ist Andy Whitehead, 48, aus der Kleinstadt Bury in der Nähe von Manchester in Nordengland keiner, der so wirkt, als ob er ständig verrückte Dinge machen würde. Er ist kein bunter Vogel, der sofort auffällt im Biergarten, in dem sich vor dem Heimspiel der Würzburger Kickers die Anhänger treffen. Whithead trägt ein Trikot des Fußball-Regionalligisten. Selbstverständlich für ihn, er ist schließlich ein Fan. "I follow the Kickers." Er folgt, wie er es auf englisch erklärt, den Würzburger Kickers durch Höhen und durch Tiefen.

"It’s crazy. I know", sagt er. Schon verrückt, dass er sein Herz ausgerechnet an diese Kickers verloren hat. Einen Klub, der in den letzten sieben Jahren im Profifußball zwar für manche "crazy" Geschichte gut war, der aber gewiss nicht zu den großen Nummern im Fußball-Business zählt. Aber gerade das gefällt ihm ja auch. "Ich bin sehr glücklich damit, bei den Kickers gelandet zu sein. Ich habe schon in ganz Europa Fußball geschaut. Die Kickers sind wirklich nicht der erste Klub, den ich spielen gesehen habe. Aber es ist der Klub, zu dem ich jetzt halte. Es gibt einige Vereine, die ich gut finde. Aber bei den Kickers ist es mehr."

Die Geschichte von der Fußball-Liebe des Engländers in Unterfranken begann mit einer Deutschlandreise im Jahr 2016. Zusammen mit seiner Ehefrau reist Andy Whitehead gerne, oft auch nach Deutschland. "Ein wunderbares Land", wie er findet. Eine Tour führte ihn nach Würzburg. Und weil Whitehead, der damals noch in der Heimat als Fußball-Fotograf arbeitete, ganz anders als seine Frau im Urlaub gerne ins Fußballstadion geht, schaute er gleich einmal, ob er den Aufenthalt am Main auch mit einem Spiel verbinden könnte. "Was ich am deutschen Fußball mag, ist, dass die Fans hier ein Teil des Spiels sind. Hier werden die Fans einbezogen. In England geht es nur darum, wieviel Geld man den Fans abnehmen kann. Das ist der große Unterschied", erklärt er.

Erinnerungen an ein tolles Tor in Dresden

"Würzburger Kickers – der Name hat mir gleich gefallen", erinnert sich Whitehead daran, wie er damals in den Spielplan schaute: "Er ist nicht so gewöhnlich." Die Kickers, unter Trainer Bernd Hollerbach gerade in die 2. Bundesliga aufgestiegen, spielten gegen Union Berlin und verloren mit 0:1. Whiteheads erstes Kickers-Spiel. Es sollte nicht das letzte sein. Denn schon vier Tage später stand er wieder auf der Tribüne.

Andy Whitehead (links) mit Benjamin Hirsch, dem Vorstandsvorsitzenden des FC Würzburger Kickers, vor dem Stadion am Dallenberg.
Foto: foto2press/Frank Scheuring | Andy Whitehead (links) mit Benjamin Hirsch, dem Vorstandsvorsitzenden des FC Würzburger Kickers, vor dem Stadion am Dallenberg.

"Wir sind in unserem Urlaub nach Dresden weitergefahren. Dort wollte ich mir Dynamo anschauen. Und Dynamo spielte gegen Würzburg. Purer Zufall!" Das 2:2 war aber für ihn ein besonderes Erlebnis: "In Dresden stand ich im K-Block mitten unter den richtig harten Dynamo-Fans, und Tobias Schröck schoss für die Kickers das wohl beste Tor, das ich live gesehen habe. Ich stand dort mitten unter lauter Dresdnern und musste einfach klatschen." Irgendetwas gefiel ihm an diesen Kickers. Mit diesen Eindrücken ging es zurück auf die Insel nach Bury, dort wo der örtliche Klub seit Jahren in den unteren Profiligen ums Überleben kämpft.

"Als wir das nächste Mal nach Deutschland gereist sind, waren wir in Düsseldorf. Ich wollte zu einem Fortuna-Spiel. Und die Fortuna spielte gegen Würzburg. Mein drittes Kickers-Spiel in einer Saison. Das war ein Zeichen. Irgendjemand wollte wohl, dass es so kommt. Und so wurde ich Kickers-Anhänger", erzählt Whitehead. Die Partie endete 1:1, die Kickers stiegen kurz darauf in die Dritte Liga ab. Andy Whitehead hatte noch keinen einzigen Sieg gesehen und trotzdem sein Herz an den Klub vom Dallenberg verloren. Man nimmt ihm also ohne Zögern ab, wenn er nun sagt: "Ich bin kein Erfolgsfan." Klar, sonst wäre er ja auch nicht mehr da in der Regionalliga.

"Egal ob auswärts oder daheim – Hauptsache Kickers!“

Die Fernbeziehung zu seinem Klub wurde auf eine harte Probe gestellt. Als Whitehead den Job wechselte, heute fotografiert er nicht mehr bei Fußballspielen des FC Bury, sondern vor allem bei Hochzeiten und anderen gesellschaftlichen Terminen, hoffte er eigentlich, öfter einmal ein Wochenende frei machen zu können und nach Deutschland zu Kickers-Spielen zu reisen. "Aber dann kam Covid, und ich musste 18 Monate warten." Rund 20 Partien der Rothosen habe er bislang live gesehen. Nun hat er sich vorgenommen, jeden Monat ein Match zu besuchen, mal auswärts, mal daheim am Dallenberg. "Ich mag es neue Stadien zu sehen. Aber in Würzburg herrscht einfach eine schöne Atmosphäre rund um die Spiele. Egal ob auswärts oder daheim – Hauptsache Kickers!"

Besuch bei seiner Fußball-Liebe: Andy Whitehead vor dem Stadion am Dallenberg.
Foto: foto2press/Frank Scheuring | Besuch bei seiner Fußball-Liebe: Andy Whitehead vor dem Stadion am Dallenberg.

Inzwischen ist Whitehead auch Vereins-Mitglied, eine echte Rothose eben. Zu Hause in England werfe seine Begeisterung für den deutschen Verein nur eine Frage auf: "Warum?" Seine Antwort: "Ich kann es wirklich nicht erklären." Seine Frau hat ihn zum Beispiel zum Spiel gegen Vilzing nicht begleitet. "Sie interessiert sich nicht für Fußball", sagt er.

Und er selbst saß in der vergangenen Saison oft traurig vor dem Computer-Bildschirm: "Ich habe die meisten Spiele im Internet angeschaut. Es war hart. Aber es war für alle Kickers-Fans hart. Ich habe zu den Kickers gefunden, als sie in der 2. Liga waren, ich folgte ihnen in die 3. Liga, jetzt spielen sie in der Regionalliga. Du erlebst mit deinem Verein Höhen und Tiefen. Das gehört dazu.“"

Man muss leidensfähig sein als Kickers-Fan, das hat Whitehead längst gelernt. Am letzten Spieltag der vergangenen Drittliga-Saison reiste er alleine aus England nach Zwickau und sah eine 0:7-Niederlage der Kickers. Er hat kein großes Aufheben darum gemacht, nicht die Sozialen Medien mit Bildern geflutet, nicht im Fan-Block damit geprahlt, woher er kommt. Vornehme englische Zurückhaltung – auch wenn er über seine Kickers-Begeisterung sagt: "Ich denke nicht, dass das viele Menschen tun." Er freut sich aber, inzwischen ein paar andere Anhänger kennengelernt zu haben: "Ich habe nichts dagegen alleine zu einem Spiel zu gehen. Aber zusammen mit anderen macht es mehr Spaß."

Diese Saison soll es regelmäßig mit dem Flieger nach München und von dort mit dem Zug zu den Spielen gehen. Ein verrücktes Hobby. Am Ende aber kann man sich eben nicht aussuchen, an welchen Fußball-Klub man sein Herz verliert, meint Whitehead: "Es ist schwer, aber es ist, wie es ist", sagt er über seine Liebe zum FWK.

 
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  • G. B.
    Es gibt ja auch weiterhin Club-Fans.....und das ist ja auch eher selten vergnügungssteuerpflichtig.
    Am schlimmsten ist es aber für Bayern-Fans....die ewigen Erfolge haben nichts mit dem wahren Leben zu tun.
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  • S. W.
    Was für ne CRAZY Geschichte. I love it :-D Dagegen bin ich ein Waisenknabe. Ich reise seit 2016 1x im Jahr (trotz FWK-Dauerkarte) nach England zu meinem Lieblingsclub aus Kindheitstagen ... QPR ... 2. Liga Mittelfeld. Auch immer wieder ein Erlebnis. Aber was Andy da macht, ist der HAAAMMMER. Ich hätte nix dagegen, wenn man hier einen Kontakt zu mir herstellen könnte. Vorausgesetzt Andy hat Interesse. Dann würd' ich ihm gerne mal eine Stadionwurst und n Bier ausgeben - und ein bisschen quatschen. Viele Grüße
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  • H. S.
    ich nenne das Masochismus auf höchstem Level
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  • H. Z.
    Der muss Zeit und Geld haben. Den Engländer geht es jetzt doch eh so schlecht, ohne EU , ohne Johnsen, ohne Meggi+Harry.
    Naja die Engländer sind eh ein seltsames Völklein, wie es schon Asterix+Obelix sagten!!
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  • M. K.
    Hoffentlich haben das die ewigen Nörgler hier auch gelesen.
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  • P. H.
    Endlich mal nette Kommentare, weiter so.
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  • K. S.
    Gute Entscheidung Andy.
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  • J. Z.
    Irre, tolle Geschichte.
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  • R. M.
    Wow! Big respect to your commitment, Mr Whitehead. Our club should be glad to have such a loyal supporter like you. Welcome at the Dallenberg! zwinkern
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