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Sport und Wissenschaft
Dauer, Uhrzeit, Routinen: Wie wirkt sich Schlaf auf unsere sportliche Leistung aus – und wie ist es andersrum?
Moderate Bewegung fördert den Schlaf, doch bestimmte Sportarten können die Nachtruhe stören. Ein Würzburger Experte gibt Tipps für besseren Schlaf und mehr Leistungsfähigkeit.
Morgens erholt aufwachen: Mit dem richtigen Sport lässt sich die Qualität des Schlafs beeinflussen (Symbolbild).
Foto: Symbolbild: Christin Klose, dpa-tmn | Morgens erholt aufwachen: Mit dem richtigen Sport lässt sich die Qualität des Schlafs beeinflussen (Symbolbild).
Lukas Eisenhut
 |  aktualisiert: 11.02.2024 02:44 Uhr

Gesunder Schlaf wirkt sich positiv auf die Leistungsfähigkeit aus. Wer müde ist, ist nicht topfit. So viel ist klar. Doch wie genau geht gesunder Schlaf? Und wie kann Sport beim Schlafen helfen? Antworten gibt Billy Sperlich, Sportwissenschaftler an der Universität Würzburg.

Frage: Welchen Einfluss hat regelmäßiger Sport auf die Schlafqualität?

Billy Sperlich: Erst mal ist beides nicht schlecht: Sich regelmäßig zu bewegen und regelmäßig ausreichend zu schlafen, sind neben der Ernährung zwei wichtige Säulen für die Gesundheit. Die Schlafqualität hängt aus sportlicher Sicht von zwei Faktoren ab: Wie intensiv betreibe ich den Sport und wann mache ich eine Trainingseinheit?

Wenn ich um 21 Uhr eine Vollgaseinheit mache, braucht der Körper ein paar Stunden, bis vor allem das Nervensystem von Kampf, Flucht und Vollgas auf Pause, Regeneration und Schlaf umschaltet. Der Zeitpunkt spielt also eine wichtige Rolle. Ich kann eine sehr harte und intensive Einheit morgens oder vormittags machen, dann werde ich es am Abend beim Einschlafen nicht groß merken. Wenn ich sie am Abend mache, schon.

Es ist also sinnvoller, das Sportprogramm früh am Tag zu absolvieren?

Sperlich: Es ist immer gut, ein bisschen Zeit zwischen Sport und Schlaf zu lassen. Wenn ich berufsbedingt aber erst um 22 Uhr Sport treiben kann, werde ich sicherlich Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen haben. Es gibt im Körper ein aktivierendes Nervensystem und eines, das eher für Regeneration, Müdigkeit und Pause zuständig ist. Das erste ist der Sympathikus, das zweite der Parasympathikus. Dieser braucht seine Zeit, bis er aktiv wird, was bei jedem Menschen je nach Trainingszustand variiert. Manchmal braucht es auch Stunden, bis er aktiv ist und wir müde werden.

Gibt es denn Sportmethoden, die sich besonders positiv auf den Schlaf auswirken?

Sperlich: Das sind eher moderatere Trainingseinheiten, die den Sympathikus nicht voll auslenken. Schlecht wären hochintensives Intervalltraining oder Wettkämpfe am Abend. Wir wissen das von Fußball-Profis. Wenn die um 21 Uhr ein Champions-League-Spiel haben, ist die Nacht danach eigentlich nicht ausreichend für eine vollständige Erholung. Bis die Spieler im Hotel sind und runterkommen, braucht es eine sehr lange Zeit. Auch Sportarten, die eine emotionale oder psychologische Anstrengung bedingen und bei denen es körperlich voll zur Sache geht, etwa Kampfsport, sind in den Abendstunden eher ungünstig.

"Die Muskeln bilden sich quasi im Schlaf."
Billy Sperlich, Sportwissenschaftler an der Uni Würzburg
Inwieweit hilft guter Schlaf bei der Leistungssteigerung beim Sport?

Sperlich: Bei allen Sportarten, in denen ich etwas Technisch-Taktisches brauche, ist es immer hilfreich, wenn man einen ausgeschlafenen Kopf hat. Da ist es im Sport ähnlich wie in der Schule. Wenn ich nicht gut geschlafen habe, ist es für Tätigkeiten, bei denen ich den Kopf brauche, schlecht. Außerdem ist es so, dass es eine direkte Verbindung zwischen Schlaf und Immunsystem gibt. Dann müssen aber mehr als eine oder zwei schlechte Nächte dabei sein. Wenn man dauerhaft nicht auf ausreichend Schlafstunden kommt, ist das für die Infektabwehr schlecht.

Das ist für den Körper schlecht ...

Sperlich: Das mag das Immunsystem nicht, dann nimmt die Infektanfälligkeit zu. Und wenn ich krank bin, kann ich nicht trainieren. Allein schon deswegen macht es Sinn, gut zu schlafen. Außerdem geht die Wissenschaft davon aus, dass der größte Zuwachs, also der Muskelaufbau und das Training des Nervensystems, letztlich in der Regeneration erfolgt. Die Muskeln bilden sich quasi im Schlaf. Bei Kindern spielt auch Wachstum im Schlaf eine große Rolle.

Billy Sperlich ist Sportwissenschaftler an der Universität Würzburg (Archivfoto).
Foto: Thomas Obermeier | Billy Sperlich ist Sportwissenschaftler an der Universität Würzburg (Archivfoto).
Was hilft für besseren Schlaf und somit für Leistungssteigerung?

Sperlich: Das Wichtigste ist, eine Routine aufzubauen. Man nennt das auch Schlafhygiene. Dazu gehört, dass man immer zu den gleichen Uhrzeiten ins Bett geht und unmittelbar vor dem Einschlafen immer wieder die gleichen Dinge macht. Was das Beste und was das Schlechteste ist, kann man nicht immer sagen. Ungünstig ist aber, wenn ich mich blauem Licht aussetze – das Licht, das Smartphones oder Fernseher von sich geben. Ich sollte also nicht lange aufs Handy schauen und dann direkt einschlafen wollen. Das blaue Licht macht wach.

Die Raumtemperatur ist auch ein ganz entscheidender Faktor für das Einschlafen. Gut sind eher kühlere Temperaturen, im Idealfall ist das Fenster offen. Dann habe ich meine 15 bis 17 Grad im Raum. Bei warmer Raumtemperatur wird der Sympathikus erregt, der versucht, die Körpertemperatur zu regulieren. Das ist quasi Stress. 

Gibt es Schlafgewohnheiten, mit denen sich optimale sportliche Ergebnisse erzielen lassen?

Sperlich: Nein. Es ist auch nicht so, dass man jemandem, der sieben Stunden schläft, sagen kann, er muss jetzt neun Stunden schlafen. Letztlich kann das jeder für sich selbst ausloten. Wenn ich morgens aufwache, gerädert und müde bin, auch den Tag durch, dann muss ich an meinem Lebensstil oder an meiner Schlafhygiene etwas machen: vielleicht früher ins Bett gehen, längere Schlafphasen einhalten, vielleicht etwas an der Ernährung ändern. Denn auf Dauer verzeiht mir der Körper das nicht. Bei dauerhaftem Schlafmangel leidet die kognitive Leistung und ziemlich sicher auch das Immunsystem.

Also mehr schlafen?

Sperlich: Wenn jemand sieben Stunden schläft und am nächsten Tag wach ist, sich fit und ausgeschlafen fühlt, würde ich ihm nicht raten, mehr zu schlafen. Wenn jemand aber chronisch nur auf fünfeinhalb oder sechs Stunden kommt, ist er sicherlich in einem Bereich, in dem er irgendwann nachdenken muss, wo er die eine oder andere Schlafstunde mehr einbauen kann. Wenn jemand ambitioniert Sport treibt, muss er auch ambitioniert über Schlaf nachdenken.

"Der Sport ist quasi ein Puffer, der Fehler im Lebensstil ein bisschen wegnimmt."
Billy Sperlich, Sportwissenschaftler an der Uni Würzburg
Kann ich mir durch falsches Training, zu hart oder zu wenig, meinen Schlaf kaputtmachen?

Sperlich: Nein, den Schlaf als solches eher weniger. Durch Bewegung habe ich aber durchaus einen kleinen Nebeneffekt: Durch Sport kann ich das eine oder andere, das ich in meinem Lebensstil als Fehler habe, etwa ungünstigere Ernährung oder Stress im Alltag, etwas kompensieren. Wenn ich mich zum Beispiel eher mit kurzkettigen Kohlenhydraten ernähre, wirkt diese Ernährung aktivierend, und der Körper wird auf "Vollgas" programmiert. Der Sport, zum Beispiel Ausdauer- oder Krafttraining, "brutzelt" mir quasi diese Kohlenhydrate weg.

Das Gleiche gilt für eine stressige Situation. Der Sport selbst führt temporär zusätzlich zu einem Stress, mittelfristig aber dazu, dass der Parasympathikus eher aktiviert wird und ich damit Dauerstress minimiere. Der Sport ist quasi ein Puffer, der die Fehler im Lebensstil ein bisschen wegnimmt. Allerdings eher moderate körperliche Intensität. Wenn ich aber gestresst bin, in der Ernährung Fehler mache, dann noch obendrauf Vollgas gebe und das Ganze noch spät am Abend, kommen viele ungünstige Faktoren zusammen.

Inwieweit wirkt sich die Ernährung auf den Schlaf aus?

Sperlich: Das Timing spielt dabei eine Rolle. Mit einem vollen Bauch schläft es sich schlechter. Was die Verdauung angeht, ist jeder unterschiedlich, wenn ich aber um 22 Uhr ins Bett gehe, sollte ich die letzte größere Mahlzeit wahrscheinlich zwischen 19 und 20 Uhr zu mir nehmen. Außerdem gibt es Nahrungsmittel wie Koffein, die in manchen Phasen ungünstig sind, weil sie den Schlaf behindern können.

Dasselbe gilt für Alkohol. Man sagt zwar, Alkohol mache schläfrig, es gibt aber durchaus Personen, bei denen hat er genau gegenteilige Auswirkungen. Der Alkohol führt dazu, dass das Herz-Kreislauf-System aktiviert wird. Das Herz pocht deutlich mehr, der Blutdruck nimmt zu. Beim Schlafen wollen wir genau das Gegenteil. Das heißt, es hängt nicht nur vom Timing ab, sondern vor allem auch davon, was ich letztlich zu mir nehme. Koffein und Alkohol sind die beiden stärksten Faktoren. Auch die Einnahme von Medikamenten kann den Schlaf erheblich verändern.

 
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