
Der Pessimismus war spürbar am Ende der vergangenen Saison, als mit Kapitän Stefan Schmitt und Linksaußen Sebastian Kraus zwei Urgesteine der DJK Rimpar Wölfe ihre langen Karrieren beendeten. Die Sorge, wer die beiden in Zukunft ersetzen soll, sportlich und menschlich, war inner- und außerhalb der Mannschaft spürbar. Jetzt, vor dem Start der neuen Spielzeit in der Zweiten Handball-Bundesliga an diesem Freitag beim TuSEM Essen und nach der „besten Vorbereitung“, die Matthias Obinger in seiner bisherigen Amtszeit nach eigenen Worten erlebt hat, kommt dem Trainer die Antwort auf die seinerzeit noch schwierige Frage ganz leicht über die Lippen: „Niemand kann Schmitti und Basti als erfahrene, emotionale Anführer eins zu eins ersetzen. Aber wir haben Lösungen gefunden, um die Lücken zu schließen, indem wir ihre Rollen auf mehrere Schultern verteilt und unser System den Spielern angepasst haben, die wir zur Verfügung haben.“
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Gewünscht hatte sich Obinger einen neuen Rückraumakteur, der zumindest Schmitts Position und Funktion als Abwehrchef würde übernehmen können. Doch für Wünsche war angesichts des nach wie vor schmalen Etats, den Geschäftsführer Roland Sauer auch im sechsten Jahr der Zweitliga-Zugehörigkeit nur auf 820 000 Euro beziffert, kein Platz. Mehr als zwei Neuverpflichtungen waren nicht drin. Trotzdem sagt der 38-jährige Coach jetzt: „Ich bin selbst überrascht und überzeugt von der Mannschaft. Sie hat ein anderes Gesicht bekommen: ein jugendlicheres und wilderes.“ Der Pessimismus scheint nicht nur dem Pragmatismus, sondern einem neuen Positivismus gewichen.
Der Kader
Nominell hat sich der deutlich verjüngte DJK-Kader (Durchschnittsalter: 25 Jahre) um einen Spieler verkleinert. Tatsächlich starten die Wölfe durch den Kreuzbandriss von Linksaußen Dominik Schömig, der erst zur Rückrunde wieder einsatzfähig sein wird, aber mit zwei Akteuren weniger in die neue Runde. „Die größte Herausforderung wird daher erst mal sein, dass sich kein weiterer verletzt“, sagt Obinger. „Sonst wird unser Kader gefährlich dünn.“ Fest dazu gehören mit Philipp Meyer (21) und Felix Karle (18), amtierender Beachhandball-Europameister, nun zwei Perspektivspieler der vergangenen Saison. „Damit bestätigen wir unsere Philosophie als Ausbildungsverein erneut“, so der Coach.
Die Neuen
Kreisläufer Michael Schulz (22) kam vom Zweitliga-Absteiger HG Saarlouis. Über den Zweimetermann, der 112 Kilo auf die Waage bringt, sagt Obinger: „Er ist schon jetzt ein fester Bestandteil der Mannschaft, im Training der Erste und der Letzte, und passt perfekt in unser Spiel.“ Der gebürtige Luxemburger hofft nach dem jahrelangen Abstiegskampf im Saarland auf mehr Erfolgserlebnisse und sieht in Rimpar „die Chance, mich weiterzuentwickeln und neu zu beweisen“. Mit den Werten dort habe er sich von Anfang an identifizieren können: „Jeder dort weiß, wo er herkommt, und der Teamspirit ist ganz stark.“ Schulz erhielt einen Zweijahresvertrag.
Vom Bundesligisten MT Melsungen haben die Wölfe Juniorennationalspieler Fin Backs für ein Jahr ausgeliehen, er hat eine Bronzemedaille von der U-20-EM aus Slowenien mitgebracht. Durch Schömigs Verletzung kommt dem gebürtigen Hann. Mündener, der zuletzt zwei Jahre für Absteiger Eintracht Hildesheim auflief, die Rolle des Alleinunterhalters auf Linksaußen zu. „Ich nehme diese Aufgabe gerne an, denn am meisten lerne ich, indem ich spiele“, sagt Backs. Obinger nennt ihn einen „tollen Typ“ – „sehr schnell, mit großer Sprungkraft und Wurfvariabilität“.
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Die Vorbereitung
„Mit welcher Leidenschaft meine Spieler in der Vorbereitung Zusatzschichten eingelegt haben, das habe ich so noch nicht erlebt“, sprüht Obinger förmlich vor Begeisterung – und überschlägt sich an zwei Beispielen fast: „Steffen Kaufmann hat sich innerhalb von sechs Wochen sechs Milchbeutel (= sechs Kilo) wegtrainiert! Und Patrick Schmidt hat sich einen Brustkorb wie einen Braukessel hingepumpt!“ Die erste Pflichtaufgabe nach teils bereits ansprechenden Tests jedenfalls sprach für sich: Im DHB-Pokalwettbewerb schaltete Rimpar Erstligist TVB Stuttgart aus (29:26) und zog nach einem weiteren Sieg über Drittligist TSB Heilbronn-Horkheim (25:23) erstmals in seiner Vereinsgeschichte und als einziger Zweitligist ins Achtelfinale ein.
Der Angriff
Er lebte in der Vergangenheit viel vom Spiel über den Kreis – und das soll auch in Zukunft so bleiben. „Wir haben ein Top-Kreisläuferduo“, betont der Coach. Im Rückraum wird mutmaßlich meist der neue Kapitän Patrick Schmidt die Strippen ziehen. Spielmacher Benjamin Herth wird zumindest in der Vorrunde wohl öfter mal Backs auf dem linken Flügel entlasten und damit auf seiner ursprünglich erlernten Position aushelfen.
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Die Abwehr
Die Defensive, die auch dank Torwart Max Brustmann stets zu den besten der Liga gehörte, hat einen neuen Innenblock. Neben einem der Kreisläufer kommt Meyer die zentrale Rolle zu, die Schmitt bisher innehatte, aber von ihm etwas offensiver interpretiert wird. „Es gibt nun nicht mehr einen Abwehrchef, sondern ein Abwehrkollektiv mit klar verteilten Aufgaben“, erklärt Obinger. Mit Meyer und Schulz haben die Wölfe erstmals zwei Zweimetermänner im Mittelblock.
Das Ziel
Im teambildenden Trainingslager zum Auftakt der Vorbereitung hat sich die Mannschaft auf einen einstelligen Tabellenplatz als Saisonziel eingeschworen – trotz des verschärften Abstiegskampfs mit fünf Absteigern. „Wir sind uns bewusst, um was es geht“, sagt Schmidt. Die Abgänge der Urgesteine sieht der neue Leitwolf auch als „Chance für andere Spieler“. „Schmitti und Basti haben uns das Rimpar-Gen eingeimpft und uns vorgelebt, was uns stark macht: Dass jeder 100 Prozent für den anderen gibt. Das wird so bleiben und das macht uns auch ohne sie stärker als andere.“
Die DJK Rimpar Wölfe auf einen Blick
DER KADER
Tor: Max Brustmann, Andreas Wieser, Markus Leikauf
Rückraum Mitte: Benjamin Herth, Patrick Schmidt
Rückraum links: Benedikt Brielmeier, Lukas Siegler
Rückraum rechts: Steffen Kaufmann, Lukas Böhm
Linksaußen: Dominik Schömig, Fin Backs
Rechtsaußen: Max Bauer, Julian Sauer, Felix Karle
Kreis: Patrick Gempp, Michael Schulz, Philipp Meyer
DIE TRAINER
Prof. Dr. Matthias Obinger (Cheftrainer seit 2015), Josef Schömig (Co-Trainer), Andreas Thomas (Torwarttrainer)
DIE ZU- UND ABGÄNGE
Zugänge: Michael Schulz (HG Saarlouis), Fin Backs (Ausleihe MT Melsungen)
Abgänge: Stefan Schmitt, Sebastian Kraus (beide Karriereende)
DIE HALLE
s.Oliver Arena Würzburg (Kapazität 2800)
DAS SAISONZIEL
einstelliger Tabellenplatz
DIE TICKETS
Vorverkauf, Würzburg: Mainticket, Plattnerstr. 14, Tel. (09 31) 60 01 60 00.
Rimpar: Wolfgang Philipp e.K., Hofstr. 4, Tel. (0 93 65) 98 58.
Online bei ADticket. Die Tickets gelten als Fahrkarten im öffentlichen Nahverkehr. Vor und nach Heimspielen fährt ein kostenloser
Shuttlebus zwischen Rimpar und der s.Oliver Arena. Infos: wolfsrevier.de
DIE BILANZ
2006/07 1. Landesliga 2007/08 5. Oberliga 2008/09 1. Oberliga
2009/10 12. Regionalliga Süd
2010/11 1. Oberliga 2011/12 6. Dritte Liga Ost
2012/13 1. Dritte Liga Ost
2013/14 14. Zweite Liga
2014/15 5. Zweite Liga
2015/16 14. Zweite Liga
2016/17 4. Zweite Liga
2017/18 8. Zweite Liga