Dass ein amerikanisches Basketball-Team ein Play-off-Spiel boykottiert, das gab es noch nie. So ist die Entscheidung, die die Mannschaft der Milwaukee Buck am Mittwochabend (Ortszeit) in den Katakomben einer Arena im Disney World Ressort traf, eine einzigartige und definitiv eine historische, wenn man sich die Beweggründe vor Augen führt. Der Titelkandidat, der in der Play-off-Serie gegen Orlando Magic mit 3:1 führt, wollte mit seiner Verweigerung ein Zeichen setzen gegen Rassismus und (Polizei-)Gewalt gegen Schwarze. Kein neues Thema, aber eines, das am vergangenen Sonntag mit den Schüssen auf den 29-jährigen Afroamerikaner Jacob Blake eine weitere traurige Episode dazubekommen hat. Das Ganze geschah in Milwaukee, nur etwa 45 Autominuten von der Heimspielstätte der Bucks entfernt. Was erklärt, warum ihnen dieser Vorfall so besonders zu Herzen ging.
Unter diesen Bedingungen könne man den Fokus nicht auf Basketball richten, hieß es in einer Stellungnahme des Teams. Nahezu komplett in Schwarz und mit Mundschutz war die Mannschaft nach einiger Zeit in ihrer Kabine vor die Medien getreten und hatte erklärt, was sie dazu bewogen hat, ihr fünftes Play-off-Spiel zu boykottieren: "Wir fordern Gerechtigkeit für Jacob Blake und dass der Polizist zur Verantwortung gezogen wird." Gewichtiger noch als ihre Worte war aber ihre Tat. Das Auftreten der Bucks, es hat einen tiefen Eindruck hinterlassen. Im Anschluss an die Aktion sagte die NBA alle drei für Mittwoch geplanten Play-off-Spiele ab, die weiblichen Kolleginnen schlossen sich zuerst an, dann auch Athleten und Athletinnen aus anderen Sportarten und Teams aus anderen Ligen. Darunter die Baseball- und Fußball-Liga (MLB und MLS).
Für die Aktion der Bucks gab es weltweit viel Zuspruch. Auch Brekkott Chapman, der 2,06-Meter-Mann, der seit vergangener Saison für die Bundesliga-Basketballer von s.Oliver Würzburg auf dem Parkett steht, honoriert die Aktion. "Ich halte das für einen guten Schritt, denn es ist ein friedlicher, aber sehr wirksamer Protest", sagte der 24-jährige Afroamerikaner, der aus Utah stammt, bei einem kurzen Telefon-Interview mit dieser Redaktion. Eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse sei dringend nötig und die NBA, auf die so viele schauen, habe die Möglichkeit, dazu einen großen Beitrag zu leisten. Das sieht auch sein Kollege Cameron Hunt so, der gerade vom ProB-Team in die erste Mannschaft hochgezogen wurde. "Ich bin froh, dass die NBA das macht. Es zeigt, dass es viel wichtigere Dinge gibt als Basketball, als Sport allgemein", sagt der 22-jährige Texaner, ebenfalls am Telefon. Er erinnert sich an Situationen, in denen er von der Polizei im Auto angehalten wurde, weil sie es für gestohlen hielt. Alltäglicher Rassismus, wie ihn viele kennen - und nicht mehr wollen.
Tatsächlich entwickelte der Spiel-Boykott der Bucks im Lauf des Donnerstags (MESZ) eine Dynamik, die so kaum jemand hätte vorhersehen können. Beim von Cincinnati nach New York verlegten Masters-1000-Turnier der Tennisprofis kündigte Grand-Slam-Champion Naomi Osaka an, zu ihrem Halbfinale nicht anzutreten. Die Veranstalter sagten kurz darauf alle vier Halbfinals bei den Damen und Herren ab und verkündeten eine Spielpause bis Freitag.
"Wir begrüßen es sehr und freuen uns darüber, dass dieses starke und wichtige Signal der Sport-Community von einem Basketball-Club ausgegangen ist und dass sich inzwischen so viele Clubs und Sportler in den USA angeschlossen haben - vor allem, nachdem die Black-Lives-Matters-Proteste nach dem Tod von George Floyd mit wenigen Ausnahmen relativ schnell wieder nachgelassen haben", heißt es am Donnerstag auf Nachfrage in einem Statement von Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg. Schon am frühen Morgen hatte der Verein auf seinem Instagram-Kanal Stellung bezogen: #united against racism (zu deutsch: Gemeinsam gegen Rassismus) hieß es unter einem Foto, das die Spieler Schulter an Schulter mit in der Mitte aufeinandergelegten Händen beim Einschwören im Kreis zeigt. Zusammenhalt, Respekt, Wertschätzung - das sind Werte, die Brekkott Chapman teilt und die, so erklärt es der Leiter Kommunikation & Medien, Steffen Wienhold, "in der Club-DNA von s.Oliver Würzburg verankert sind und jeden Tag gelebt werden." Ausgrenzung und Gewalt sind dem jungen Amerikaner fremd: "Für mich macht das alles keinen Sinn. Ich wurde dazu erzogen, andere zu lieben und mich um andere zu kümmern."
Die Begegnungen in der NBA sollen laut Liga-Verantwortlichen eigentlich neu angesetzt werden, doch inzwischen ist eine heftige Diskussion entbrannt, ob die Saison überhaupt zu Ende gespielt werden soll. In einem hoch emotionalen Spieler-Meeting sollen sich die Los Angeles Lakers, angeführt von Superstar LeBron James, für einen Abbruch der Play-offs ausgesprochen haben. Auch der Lokalrivale Los Angeles Clippers soll gegen eine Fortsetzung der Spielzeit sein. Andere Teams wollen dagegen weiterspielen, heißt es. Die Gespräche sollen fortgesetzt werden.
Mit Material von dpa