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WÜRZBRUG
Baskets-Trainer: „Der Druck ist genauso hoch“
Douglas Spradley im Exklusiv-Interview: Der Cheftrainer der s.Oliver Baskets spricht nach dem erfolgreichen Wiederaufstieg über neue Herausforderungen bei Würzburgs Korbjägern.
Taktgeber an der Seitenlinie: Cheftrainer Douglas „Doug“ Spradley gibt bei den s.Oliver Baskets die sportliche Richtung vor.Foto: Fabian Frühwirth
| Taktgeber an der Seitenlinie: Cheftrainer Douglas „Doug“ Spradley gibt bei den s.Oliver Baskets die sportliche Richtung vor.Foto: Fabian Frühwirth
Stefan Mantel
 |  aktualisiert: 22.08.2022 17:05 Uhr

Diese Bilanz kann sich sehen lassen: In 34 von 39 Zweitliga-Partien verließen die s.Oliver Baskets letzte Saison als Sieger das Parkett. Die Rückkehr in die Basketball-Bundesliga (BBL) ein Jahr nach dem Abstieg war der Lohn. Maßgeblichen Anteil daran hatte Cheftrainer Douglas Spradley, der es trefflich verstanden hatte, eine Mannschaft zu formen, in der jeder seine Eigeninteressen dem Erfolg des Teams unterordnete. Vor dem ersten BBL-Heimspiel am vergangenen Mittwoch (7. Oktober, 20 Uhr, s.Oliver Arena) gegen Mit-Aufsteiger Gießen sprach Spradley über den personellen Umbruch, er verrät, warum er die BBL für eine der stärksten Ligen in Europa hält und gibt ein klares Bekenntnis zu Würzburg und den s.Oliver Baskets ab.

Frage: Vergangene Saison waren Sie Trainer eines Absteigers, nun eines Aufsteigers…

Douglas Spradley: ... das fühlt sich definitiv besser an (lacht)!

Was ist der große Unterschied zum letzten Jahr?

Spradley: Es ist eine komplett andere Herausforderung für uns. Letztes Jahr hieß die Aufgabe zunächst, dass wir probieren sollen, wieder aufzusteigen. Eine Woche nach meiner Vertragsunterschrift hieß es dann: ,Du musst aufsteigen.' Das war schon ein gewaltiger Druck für uns alle. Jetzt als Aufsteiger ist es das Ziel, so früh wie möglich den Klassenerhalt zu schaffen. Das heißt, wir müssen im Normalfall zwölf Spiele gewinnen. Der große Unterschied ist, dass ich letztes Jahr wusste, dass unsere Mannschaft besser als jede andere in der zweiten Liga war und wir Spiele gewinnen werden, solange die Jungs in der Spur bleiben. Jetzt ist es ein anderes Szenario: Wir müssen mit aller Kraft und Intensität, die wir haben, in jedes Spiel reingehen und kratzen, beißen, festhalten, alles Drum und Dran, um uns die Chance auf einen Erfolg zu erarbeiten. Und dann haben wir aber immer noch keine Garantie, dass wir am Ende siegreich sein werden. Es gibt sicher viele Mannschaften in der Liga, die wir schlagen können, aber das gilt auch umgekehrt. Der Druck ist also dieses Jahr genauso hoch, aber in eine andere Richtung: Nicht nach oben zu müssen, aber von unten wegzukommen.

Um dieses Ziel zu erreichen, haben Sie die Mannschaft auf den Ausländerpositionen runderneuert. Reichte es für die Aufstiegshelden nicht für die erste Liga?

Spradley: Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Herangehensweisen als Aufsteiger. Entweder hält man die Vorjahresmannschaft zusammen, oder man sagt: Für das Ziel, was wir erreichen wollten, hatten wir genau die richtige Truppe. Aber vielleicht brauchen wir jetzt ein bisschen mehr. Meine persönliche Erfahrung in all den Jahren in der Bundesliga sagt mir, dass die Klubs, die ihr Team weitgehend zusammengehalten haben, gerade am Anfang einer Saison erfolgreich sind, weil die Mannschaft eingespielt ist. Aber irgendwann stoßen sie an ihr Limit, und die anderen Mannschaften mit vielleicht mehr Talent und Spielqualität ziehen vorbei. Vechta vor zwei oder Crailsheim vergangenes Jahr haben ihre Kader weitgehend unverändert gelassen und sind am Ende sportlich abgestiegen. Ich habe diese Erfahrung in Bremerhaven und Paderborn gemacht, dass sich mit dem Aufstieg große personelle Veränderungen ergeben haben. Einmal mit Paderborn habe ich das nicht gemacht – und bin postwendend wieder abgestiegen. Diese These gilt sicher nicht zu 100 Prozent, und vielleicht hätte ich den einen oder anderen Spieler in die BBL mitnehmen können.

Alle waren vorbildliche Profis. Aber aufgrund meiner persönlichen Erfahrung haben wir uns für diesen Weg entschieden.

Welche Vorzüge hat das neuformierte Team gegenüber dem der Vorsaison?

Spradley: Ich wollte eine jüngere und dynamischere Mannschaft zusammenstellen. Ich denke, das ist uns auch gelungen. Wir haben dadurch sicher etwas an Erfahrung verloren, aber an Athletik gewonnen. Ich denke, in dieser Liga ist das die wichtigere Komponente.

Ist das auch für Sie als Trainer eine neue Herausforderung?

Spradley: Definitiv, denn das heißt auch für mich, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen und mehr an den Basics zu arbeiten. Viele unserer Spieler kennen die BBL noch nicht und müssen erst einmal lernen, sich an diese Liga und ihre Spielweise zu gewöhnen. Daher hatten wir auch 13 Vorbereitungsspiele, davon sieben gegen Erstliga-Konkurrenten. Auch wenn ich manchmal dafür belächelt werde, aber die deutsche Bundesliga ist mittlerweile eine der stärksten, zumindest eine der ausgeglichensten Ligen in Europa. Die Mannschaften haben Physis, sie haben Athletik, du musst immer bereit sein. Ein paar schwache Momente können dich ein ganzes Spiel kosten.

In anderen Ligen weißt du: Wenn du eine gute Mannschaft zusammengestellt hast, wirst du mindestens 50 Prozent der Spiele gewinnen. Das gilt für die BBL nicht mehr. Göttingen beispielsweise hat vergangene Saison zweimal den FC Bayern besiegt.

Auch diese Erkenntnisse haben bei der Rekrutierung des Teams eine Rolle gespielt?

Spradley: Vergangene Saison hatten wir versucht, die Mannschaft um Stefan Jackson, mit dem ich schon in Bremerhaven zusammengearbeitet habe, herum aufzubauen. Wir waren überzeugt davon, dass ihn in der zweiten Liga keiner stoppen kann. Als er dann verletzt ausgefallen ist, mussten wir andere Wege finden und die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen. Das ist der Weg, den wir auch dieses Jahr gegangen sind. Diesen einen, um den wir das Team bauen, gibt es nicht. In der BBL würde das auch bedeuten, für so jemanden 200 000 oder 300 000 Euro auf den Tisch zu legen. Oberste Priorität war, einen klassischen Spielmacher zu verpflichten, der viel Erfahrung in der Liga hat. Als sich die Möglichkeit bot, Dru Joyce zu holen, war das keine schwere Entscheidung.
 
Er ist auch der neue Kapitän.

Spradley: Stimmt. Ich lasse diese Entscheidung die Spieler selbst treffen. Sie haben einstimmig Dru bestimmt. Da habe ich scherzhaft gesagt: ,Hey, warum habe ich überhaupt gefragt? Diese Wahl hätte ich auch getroffen!' Bei den weiteren Verpflichtungen haben wir abgewogen: Was suchen wir? Wer ist auf dem Markt? Insgesamt bin ich sehr glücklich mit den Spielern, die wir geholt haben. Aber jeder Spieler muss hier Leistung bringen, egal, wie gut er in der Vergangenheit war. Sonst werden wir Probleme bekommen. Wir haben es in der Vorbereitung gesehen: Wenn einer ausfällt, können wir das verkraften. Aber wenn es mehrere sind, wird es schwierig. Dass jemand wie Cameron Long fast die komplette Vorbereitung verletzt ausfällt, hat uns natürlich zusätzlich getroffen. Ich schätze ihn als einen unserer stärksten Spieler.
 
Longs Oberschenkel-Probleme sind auskuriert, er ist mittlerweile wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen. Wie lange wird es dauern, bis er seine Rolle im Team gefunden haben wird?

Spradley: Zunächst einmal muss man sagen, dass wir einen Spieler wie ihn ohne seine Vorgeschichte wohl kaum bekommen hätten. Er hatte das letzte Jahr verletzungsbedingt pausiert, obwohl er nach drei, vier Monaten wieder hätte einsteigen können. Die Gefahr, dass die originäre Verletzung wieder durchkommt, haben wir daher als relativ gering eingeschätzt. Muskuläre Probleme dagegen können nach so langer Zeit eher auftreten, und leider hat es Cam hier erwischt. Anpassungsprobleme befürchte ich aber jetzt keine bei ihm. Cam verfügt über eine hohe Spielintelligenz. Er hat in seinem ersten Training nach der langen Pause sofort jeden Spielzug drauf gehabt, obwohl er die Systeme nur vom Zuschauen kannte. Wenn er gesund bleiben wird, wird er uns richtig weiterhelfen. Er hat die letzten Wochen sehr hart an sich gearbeitet, täglich drei, vier Stunden Reha gemacht und fünf Kilo verloren. Er ist hochmotiviert und brennt darauf, aufs Feld zurückzukehren. Er wird sich ins Team einfinden, ohne die anderen vier Jungs auf dem Parkett groß zu stören (er lacht).

Von Longs Ausfall hat gerade Maurice Stuckey profitiert, der in der Vorbereitung einen starken Eindruck hinterlassen hat. Ist Mo der Gewinner der letzten Wochen?

Spradley: Ich habe Mo vor zwei Jahren einmal spielen sehen, als ich versucht habe, ihn für einen Verbleib in der zweiten Liga zu überreden. Dann habe ich ihn vergangene Saison einmal in Oldenburg beobachtet und gesagt: Wenn die Möglichkeit besteht, ihn zurückzuholen, sollten wir das versuchen, auch weil er schon einmal hier war und ein guter Junge ist. Mo hat in der Vorbereitung gezeigt, was er kann. Aber er ist meiner Meinung nach noch immer weit entfernt davon, wie gut er eines Tages mal sein kann. Er muss noch lernen, dass es nicht nur sein Tempo und seinen Willen gibt. Aber was ihn auszeichnet ist, dass er jeden Tag bereit ist, an sich zu arbeiten, er jedes Mal sein Herz auf dem Parkett lässt. Er nimmt sich weder im Spiel noch im Training eine Auszeit. Im Sommer, als es teilweise über 40 Grad im Trainingszentrum hatte, musste ich ihn bremsen. Das sagt viel über seine Einstellung zum Basketball.

Sie haben die sportliche Stärke der BBL angesprochen. Wie bewerten Sie die Liga auf ihrem selbst ausgerufenen Weg, 2020 die beste Liga in Europa zu sein?

Spradley: Die Liga hat sich enorm entwickelt, nicht nur auf dem Spielfeld. Die Mindestanforderungen werden jedes Jahr höher, jeder Klub muss inzwischen ein eigenes Trainingszentrum vorweisen. Die Spielstätten werden immer größer und moderner. Unsere s.Oliver Arena ist zwar genial für die Stimmung und die Zuschauer, aber auch der Dino in der Liga. Ich hoffe, dass wir alle merken – das ist jetzt ein bisschen Werbung –, dass wir dringend eine neue Halle brauchen. Es wird der Tag kommen, an dem wir mit unserer Halle keine Lizenz mehr bekommen. Das ist Fakt. Insgesamt hat die Liga eine deutlich höhere Reputation als noch vor ein paar Jahren. Viele Spieler gehen inzwischen lieber für ein paar Euro weniger nach Deutschland als zum Beispiel nach Griechenland oder so, weil sie wissen, dass sie hier ihr Geld bekommen. Die großen Summen werden weiter in der Türkei, Russland oder bei den Spitzenklubs in Spanien oder Italien gezahlt. Aber die Spieler können hier inzwischen gutes Geld verdienen und die Liga als Sprungbrett für sich nutzen.

Eine persönliche Frage zum Schluss. Ihr Vertrag läuft am Ende der Saison aus. Gibt es schon Pläne mit den s.Oliver Baskets für Ihre Zukunft?

Spradley: Diese Frage können nur die Vereinsverantwortlichen beantworten. Aber es ist, glaube ich, kein Geheimnis, dass ich immer längerfristig bei einem Verein arbeiten möchte und sehr gerne hier bin. Ich glaube, ich habe auch schon einiges bewegt, um den gesamten Klub nach vorne zu bringen. Das muss auch das Ziel als Trainer sein, die Infrastruktur weiterzuentwickeln, wie jetzt zum Beispiel das Trainingscenter in der Frankfurter Straße. Wir werden vermutlich nie der Klub sein, der das ganz große Geld bezahlen kann. Aber wenn wir etwas Tolles zusätzlich anbieten können wie Trainingsmöglichkeiten oder ein professionelles Umfeld werden alle davon profitieren. Persönlich fühle ich mich sehr wohl hier. Ich sage immer: „Ich bin ein Würzburger“ und identifiziere mich auch als Mensch mit dieser Stadt. Daher würde ich gerne so lange wie möglich hier bleiben. Aber ich weiß, dass dieses Geschäft auch vom Erfolg abhängt.

 
 
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