"Der Krebs hat sich mit dem Falschen angelegt." Mit diesem Satz endet der offene Brief, den Christopher Wolf am 1. März nicht nur an die Fans des Basketball-Drittligisten BBC Coburg geschrieben hat, um seine Krebserkrankung öffentlich zu machen. Der 26 Jahre alte Basketballprofi will offensiv mit seiner Erkrankung umgehen und anderen Betroffenen Mut machen.
Dass etwas nicht stimmte, wusste Wolf, als er beim Heimspiel gegen Erfurt in der Halbzeit und nach dem Spielende auf seinem Platz in der Kabine saß und um Luft rang. Das war am 7. Februar. Bereits in den Wochen zuvor hatte Coburgs Mannschaftskapitän, ein zwei Meter großer Hüne, mehrmals Atemnot im Training und in Spielen verspürt.
Seine erste Vermutung: etwas verschleppt zu haben
Er hustete seit gut drei Monaten und vermutete, "was verschleppt" zu haben. Um eine Corona-Infektion konnte es sich in seinem Fall nicht handeln, denn auch die Spieler in der Dritten Liga werden wöchentlich auf das Virus getestet – eine Vorgabe, dass die ProB, die unter dem Dach der Zweiten Basketball-Bundesliga organisiert ist, spielen darf.
Nach dem Spiel gegen Erfurt entschloss sich Wolf, seine Lunge gründlicher untersuchen zu lassen. Der Radiologe, den er konsultierte, gab Entwarnung: Es könnte sich um ein gutartiges Zynom handeln, das auf die Lunge drücke und entfernt werden müsse. Ein Lymphom, Lymphdrüsenkrebs, schloss er nach der Computertomografie wohl aus.
Ende Februar dann der Schock: Das bei der Untersuchung entnommene Gewebe war bösartig. Die Diagnose lautete damit doch: Lymphdrüsenkrebs. "Eigentlich war ich erst mal ganz locker drauf", erinnert sich Wolf an diesen Tag: "Ich habe mir das alles angehört." Er könne ja sowieso nichts daran ändern, dachte er sich.
Dass er "durch was richtig Großes muss", wie Wolf es auf seine kämpferische Art sagt, realisierte er erst, nachdem er seiner Familie und seinen besten Freunden von der Diagnose erzählt hatte. Warum ich? Diese Frage stellte er sich erst gar nicht. Denn auf ihn, den Leistungssportler, träfen die bekannten Risikofaktoren, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, an einer Krebsart zu erkranken, gar nicht zu. "Der Blick ging nach vorne", erinnert er sich. "Ich war sofort im Kampfmodus."
Sein Kampfgeist als Sportler hilft ihm
Die mentale Stärke, die der gebürtige Bamberger bislang auf dem Basketballfeld als Power Forward bewies, hilft ihm nun auch im Kampf gegen Krebs. Familie und Freunde hätten ihm sofort den Rücken gestärkt, betont er. Auch sein Verein, für den er bereits im vierten Jahr spielt, unterstütze ihn, wo es nur geht. Die Verantwortlichen verlängerten seinen Vertrag, der zum Saisonende ausgelaufen wäre, umgehend. "Es war für uns eine Ehrensache, dass Chris in jedem Fall bis zu seiner Genesung bei uns unter Vertrag stehen wird", sagt BBC-Geschäftsführer Wolfgang Gremmelmaier.
Intensiv betreut Coburgs Mannschaftsarzt Dr. Gerolf Bergenthal den Patienten Wolf. "Ich verspüre nicht den Druck, da alleine durch zu müssen, sondern ich spüre mein Team", sagt Wolf. Die Unterstützung des Klubs und der Zuspruch der Fans, den er nach der offengelegten Diagnose erhalten habe, beeindrucke ihn sehr und verbinde ihn mit dem Verein: "Ich kann mir schon vorstellen, dass ich nie wieder für einen anderen Verein spielen werde."
In Coburg spielt Christopher Wolf mit den Würzburgern Constantin Ebert und Daniel Urbano zusammen. Mit den beiden stand er in der Saison 2014/15 für ein Jahr beim Farmteam von s.Oliver Würzburg im Kader. Für ihn eine wegweisende Zeit: "Würzburg war der Hammer. Dort bin ich zu einem reifen Spieler geworden. Ohne diese Erfahrung wäre ich nicht dort, wo ich heute als Basketballer bin." Constantin Ebert sagt über seinen Mitspieler: "Chris ist ein super Kapitän. Er versucht immer, alle an Bord zu halten."
Chancen auf Heilung gelten bei dieser Krebsart als gut
Jetzt ist es umgekehrt: Das Team hält zu seinem Kapitän. Die Hauptrunde in der ProB Süd beendeten die Coburger auf dem zweiten Platz. Jetzt geht es in die Play-offs. Fünf Partien bestritt die Mannschaft seitdem ohne ihren Anführer. "Wir haben auch für ihn gespielt und deshalb richtig Gas gegeben", sagt Ebert.
Die Chancen, dass der Christopher Wolf seinen Kampf gegen den Krebs gewinnt, stünden laut seiner Ärzte gut, sagt er. Das bei ihm entdeckte Hodgkin-Lymphom hat eine Heilungschance von über 90 Prozent. Nur auf diese Zahl möchte sich der Basketballer aber nicht verlassen. Er rechne mit Rückschlägen.
In der vergangenen Woche begann seine Chemotherapie. Die Therapie ist zunächst auf drei bis fünf Monate angesetzt. "Ich geh' da rein, um zu gewinnen", sagt er und erwartet, dass die ersten beiden Zyklen der Chemo ziemlich hart seien. Der Tumor nehme mittlerweile mehr als ein Drittel seines Brustkorbs ein.
Der Schritt, die Krankheit öffentlich zu machen, sei der richtige gewesen, erklärt Wolf. Zahlreiche Kollegen, auch viele Nationalspieler aus unterschiedlichen Sportarten, hätten ihm anschließend geschrieben und ihn für sein öffentliches Statement bewundert.
Offener Umgang mit der Krankheit soll andere ermutigen
Wolf selbst findet es traurig, dass ein Sportler auch heute noch nicht offen über gesellschaftliche Themen wie Depression oder Sexualität sprechen könne. Er wolle auch ein Zeichen dafür setzen, dass sich Sportler mit ihren Ängsten, Nöten und Bedürfnissen nicht verstecken müssten. Und andere Menschen, die an Krebs leiden, möchte er mit seinem Umgang ermutigen, die Hoffnung im Kampf gegen die Krankheit nicht zu verlieren.
Mit seiner Karriere als Basketballprofi habe er sich einen Traum erfüllen können. Der soll durch die Krebserkrankungen nicht vorzeitig enden. "Es ist mein großes Ziel, wieder spielen zu können. Dafür kämpfe ich", sagt Wolf selbstbewusst. Noch in diesem Jahr würde er gern wieder auf dem Feld stehen, denn: "Der Krebs hat sich mit dem Falschen angelegt."