
In dieser Bahnhofshalle in China hängt ein riesiges Werbeplakat unter der Decke. Wie groß es genau ist, ist auf dem Bild, das Michael Haas gemacht hat, nicht zu erkennen. Aber es dürften einige Quadratmeter sein. Auf dem Plakat sind Sportler abgebildet. Zu dritt stehen sie da, wie es hierzulande wohl die Fußballer Jamal Musiala, Florian Wirtz und Toni Kroos tun würden. Doch die drei Männer auf dem Plakat sind keine Fußballer. Sie sind Tischtennis-Profis.
Einige Wochen ist es nun her, das Michael Haas, Architekt aus Eibelstadt, mit seiner Familie, zu der auch der zehnjährige Willy Haas gehört, der an Würzburgs Tischtennis-Platten für Aufsehen sorgt, für einen Tischtennis-Lehrgang in China war. Auf eigene Faust organisiert, mit 24 Leuten insgesamt.
"Wir sind zunächst nach Peking geflogen. Es gab eine Sightseeing-Gruppe und eine Sport-Gruppe", berichtet Haas, der selbst für den TTC Kist in der Bezirksliga an der Platte steht. "Kulinarisch haben wir es uns auch immer gutgehen lassen." Das bestätigt auch Sohn Willy: "Mir hat es gut gefallen, weil wir viele coole Ausflüge gemacht haben, coole Trainings hatten und es gutes Essen gab."
"Beeindruckendes Niveau" im Tischtennis-Leistungszentrum in Peking
Tischtennis, darum ging es für die relativ kleine Sport-Gruppe natürlich primär, auch wenn alle zusammen Ausflüge zur chinesischen Mauer und zum Sommerpalast machten. Zum Programm gehörten Freundschaftsspiele und abwechslungsreiche Trainingseinheiten mit Leistungsgruppen aus Peking. "Niclas Reindl aus unserer Bundesliga-Mannschaft hat gegen die Topgesetzten gespielt. Das war beeindruckendes Niveau", sagt Haas.

Nach den Tagen in Peking ging es für die Sport-Gruppe nach Guiyang. Das ist die Provinz, aus der Haas' Frau Lin kommt. Deren Vater, Lun Chen, war selbst einst Tischtennis-Profi in China gewesen und spielte zuletzt beim TTC Kist. Er hatte für die Reisegruppe Sparringspartner auf sehr hohem Niveau organisiert.
Über den Tapetenwechsel war Haas sehr froh: "Das war das erste Mal, dass wir wieder klaren Himmel gesehen haben", sagt der 40-Jährige. "In Peking haben wir drei Tage lang die Sonne nicht gesehen. Das macht einen fertig." Die "sehr graue" Stadt gehe "sehr aufs Gemüt". Guiyang, die Stadt, die in China aufgrund des angenehmen Klimas und der Naturlandschaft ein bekanntes Erholungsgebiet sei, wirke dagegen wie ein Paradies.
Willy Haas war überrascht von der Qualität der anderen Kinder
Dort nahmen die jugendlichen Mitgereisten dann an einem offiziellen Turnier an einer namhaften Sportuniversität teil. "Das war von der Atmosphäre etwas völlig anderes als bei uns", sagt Haas. Auf seinen Videos ist zu sehen, wie die Menschen direkt an den Umrandungen stehen. Sie feuern an, schreien. Es gibt auch mal Jubel bei Fehlern des Gegners. Und immer offizielle Schiedsrichter. "Wenn nur parteiische Leute da sind, lässt du nicht den Vater des Gegners zählen", sagt Haas lachend. "Wenn man so etwas erlebt, wird man erst mal abgehärtet. Solche Erfahrungen musst du machen."
Willy verlor im Finale seiner Altersklasse und wurde Zweiter. Der Zehnjährige sei "echt enttäuscht" gewesen, sagt sein Vater, "weil er gemerkt hat, dass er gegen den Sieger wenig Land gesehen hat. Der war nochmal einen Tick besser, trotz gleicher Altersklasse. Das kennt Willy nicht." Auch Willy selbst sagt, dass er "schon überrascht" gewesen sei, "wie gut die anderen Kinder waren".
An einem anderen Tag spielte die Leistungsgruppe ein Freundschaftsspiel gegen die Provinzauswahl von Guizhou. Die Presse und das Fernsehen waren da, es gab jeweils zwei Schiedsrichter pro Platte. "Da hat keiner von uns Land gesehen, ehrlich gesagt", sagt Haas und lacht. Der Bericht wurde später im chinesischen Regionalfernsehen ausgestrahlt. Tischtennis in China.
Neben weiteren Trainingseinheiten und Ausflügen zu den Sehenswürdigkeiten der Provinz wurde die deutsche Gruppe zum Abschluss ihrer Reise noch in der Weißen Residenz empfangen. Eine Palastvilla der Superlative, mitten in einen Berg gebaut. "Wir waren eingeladen von Unternehmern unterschiedlicher Handelsbranchen und haben symbolische Verträge für zukünftigen kulturellen und sportlichen Austausch abgeschlossen. Das hat gezeigt, dass man die Welt öffnen kann", sagt Haas.
Michael Haas: Training in Deutschland wahrscheinlich genauso effektiv
Sohn Willy hat vor allem technische Dinge gelernt. "Ich habe neue Sachen für meine Rückhand- und Vorhand-Technik gelernt. Zum Beispiel, wo der Ellbogen sein sollte und dass ich mein Gewicht verlagern muss", sagt er. Der Zehnjährige würde gerne wieder nach China kommen, "weil es mir sehr viel Spaß macht, nicht immer gegen Leute mit der gleichen Spielart zu spielen, sondern auch mal gegen andere".

Vater Haas sagt, dass es nicht in erster Linie der Sport sei, für den es sich lohne, die Reise anzutreten. "Das Training bei uns ist wahrscheinlich genauso effektiv", auch wenn es in China deutlich länger, dafür aber viel freier und nicht so übungsgebunden und strukturiert sei. "Aber um darüber hinaus die Kultur und den Hype um Tischtennis mitzuerleben, lohnt es sich. Das wollten wir unseren Leuten mitgeben: Mal zu erleben, eine Sportart auszuüben, die große Anerkennung genießt."
Lin Haas hat den nächsten Lehrgang bereits geplant. In den ersten beiden Wochen in den Sommerferien geht es diesmal in eine Nachbarprovinz von Guiyang. Der Osterlehrgang in Guiyang wird nächstes Jahr ebenfalls wieder stattfinden, auch diese Vorbereitungen laufen schon. "Das Resümee war, dass wir den Umweg nach Peking nicht noch mal machen müssen", sagt Michael Haas. Direkt nach Guiyang zu reisen, sei besser. "Das war ein Stück weit Pionierarbeit. Die ganzen Kontakte zu knüpfen, war unheimlich wichtig."