
Es bleibt dabei: Es wäre ein echtes Fußball-Wunder, sollten die Würzburger Kickers am Ende dieser Saison nun doch nicht absteigen. Auch nach dem 3:0-Sieg im Keller-Duell gegen Viktoria Berlin ist die Chance auf die Rettung sehr gering. Zumal auch Kontrahent SC Verl dreifach punktete. Die Ostwestfalen siegten überraschend mit 2:1 beim 1. FC Saarbrücken und liegen weiterhin sechs Punkte vor den Rothosen. Deren Rückstand auf die Berliner ist indes auf sieben Punkte geschmolzen. Drei Siege aus den letzten drei Saisonspielen am kommenden Samstag in Meppen, zu Hause gegen Halle und zum Abschluss in Zwickau dürften Grundvoraussetzung dafür sein, dass es mit dem Klassenerhalt noch etwas wird. Gleichzeitig müssen die Kickers auf Patzer der Konkurrenz hoffen.
Noch freilich ist also nicht geklärt, in welcher Liga die Würzburger in der kommenden Saison an den Start gehen werden, was die Planungen im Hintergrund gewiss nicht einfacher macht. Auch das offensichtlich für einen möglichen Abstieg bereits vorbereitete Banner der Fans, blieb am Samstag am Dallenberg erst einmal eingerollt. "Wir haben heute den ersten Schritt gemacht. Wir stehen nun eine Woche länger im Fokus", stellte Trainer Ralf Santelli fest: "Es wird wieder über uns geredet, darüber ob reicht oder nicht reicht. Wir müssen aber auch die nächsten Spiele gewinnen. Sonst war das heute ein schöner Moment und nicht mehr."
Ex-Kickers-Trainer Schiele war auf der Tribüne dabei
So musste auch Ex-Kickers-Aufstiegstrainer Michael Schiele nicht den Abstieg live miterleben. Der Chefcoach von Liga-Rivale Eintracht Braunschweig, dessen Team an diesem Wochenende spielfrei ist, verfolgte als Tribünengast die Partie, musste immer wieder mit Fans für Fotos posieren und Autogramme geben. Die Rothosen-Anhänger lechzen in diesen Tagen eben nach Erinnerungen an bessere Tage am Dallenberg.

Dass die Kickers in einem Ligaspiel mit drei Treffern Unterschied gewannen, das hatte es tatsächlich zum letzten Mal in Schieles Amtszeit gegeben. Das 3:0 war der höchste Sieg seit dem 19. Juni 2020. Damals gewannen die Kickers mit dem gleichen Resultat gegen den Chemnitzer FC.
Am Ende fühlte sich dieser Dreier für Santelli und sein Team dann aber nur wie eine Pflichterfüllung an. Zu schwach war der Auftritt des Gegners aus Berlin, als dass man ob der Höhe des Erfolgs einen großen Hoffnungsschub verzeichnen könnte. Vielmehr stellte sich angesichts der geradezu desolat auftretenden Viktoria die Frage, wie es passieren konnte, dass die Kickers nun kurz vor Saisonende einen beträchtlichen Rückstand auf diesen Rivalen aufweisen.
Kopacz gegen Viktoria Berlin wieder in der Startaufstellung der Würzburger Kickers
Nur auf einer Position hatte Santelli die Startelf im Vergleich zum 0:1 in Brauschweig eine Woche zuvor verändert: Der damals gelbgesperrte David Kopacz kehrte ins Team zurück, dafür blieb Moritz Heinrich draußen. Für ihn blieb nur ein Platz auf der Tribüne. Überhaupt lohnte eher der Blick auf die Auswechselbank. Denn außer Heinrich fehlte dort auch Mirnes Pepic. Der einstige Wunschspieler von Ex-Trainer Torsten Ziegner, dessen Verpflichtung sich über Wochen hingezogen hatte, hat unter Santelli offensichtlich derzeit überhaupt keine Einsatzchance.
Nicht viel besser sind die Aussichten für Fanol Perdedaj, der über 90 Minuten auf der Bank saß. Dort musste zunächst auch Angreifer Marvin Pourié Platz nehmen.
1790 Zuschauer beim Spiel am Dallenberg in Würzburg
Nur noch 1790 Zuschauer waren ins Stadion an den Dallenberg gekommen. Für ein Spiel, das ohne Corona-Auflagen und Zuschauer-Beschränkungen stattfand, war das in sieben Jahren Profifußball bei den Kickers der Negativrekord. Und speziell in der ersten Halbzeit war die Partie auch nicht dazu angetan Stimmung ins Tribünenviereck zu bringen. Beide Mannschaften bewiesen eindrucksvoll, warum sie in der Tabelle weit hinten stehen. Im Aufbauspiel gab es hüben wie drüben viele Stockfehler, unbedrängte Pässe zum Gegner oder ins Aus.
Aktiver und torgefährlicher waren aber auch da schon die Kickers, die vor dem Tor aber sehr leichtfertig mit ihren Gelegenheiten umgingen. Das beste Beispiel dafür gab es in der 39. Minute: als zunächst Marvin Stefaniak mit seinem Schuss an Gäste-Keeper Philip Sprint scheiterte, Ball Roberet Herrmann direkt vor die Füße sprang und der den die Kugel aus kurzer Distanz nicht am Torhüter vorbei brachte.
Ein strittiger Elfmeter für die Würzburger Kickers
Auch nach dem Seitenwechsel waren die Kickers in einer lange weiter niveauarmen Partie das offensivfreudigere Team und wurden letztlich für dieses Mehr an Mut auch belohnt. Allerdings war der Elfmeter, der die Kickers auf die Siegerstraße brachte aus Berliner Sicht nicht unumstritten: Viktoria-Akteur Kevin Ezeh lag, nachdem Dennis Waidner ihm den Ball abgelaufen hatte auf der Torauslinie am Boden und streckte sein Bein nach hinten aus. Waidner stolperte darüber. Ein maximal uncleveres Zweikampfverhalten des Berliners und Elfmeterpfiff über den man gewiss diskutieren kann, der aber auch keine wirkliche Fehlentscheidung von Schiedsrichter Robin Braun, der den Kickers kurze Zeit später, als Saliou Sané im Strafraum umgerissen wurde, einen Strafstoß verweigerte. "Man sollte in einem solchen Spiel keinen Elfmeter pfeifen, wenn es nicht eindeutig ist", fand aber Gäste-Trainer Farat Toku.
Sané waren die die Diskusssionen um diese Szene herzlich egal. Er schnappte sich den Ball und verwandelte sicher zur 1:0-Führung für die Kickers. Mit der Führung im Rücken lief das Spielgerät nun deutlich sicherer durch die Würzburger Reihen und die zu mehr Offensive gezwungen Berliner, die anfangs mit einer Fünferkette verteidigt hatten, entblößten etwas ihre kompakte Abwehrreihe. Die Folge: Raum zum Kontern für die Kickers, den diese auch nutzten: David Kopacz wurde nicht angegriffen, als er den Ball in der 79. Minute gefährlich vor den Kasten der Gäste trat. Dort verpasste zunächst der eingewechselte Pourié, doch hinter ihm wartete noch Herrmann, der die Kugel zum 2:0 für die Würzburger über die Linie drückte. Nun lief es bei den Hausherren und Pourié konnte mit einem schönen Volleyschuss noch das 3:0 nachlegen.
"Was mich freut ist, dass wir heute einfach gespielt haben", sagte Santelli nach der Partie: "Wir waren uns heute nicht zu schade, den Ball auch einmal aus dem Stadion heraus zu bolzen. Einfach mal den Ball weg zu dreschen, gehört auch einmal dazu."