
Sie sammeln Titel wie am Fließband. Die jungen Sportlerinnen und Sportler von Superior-SW. Die Abteilung des Schweinfurter Vereins Türkiyemspor SV-12 gehört zu den Vorzeigeadressen in Sachen Kampfsport. Hier können schon die Jüngsten Kickboxen und Boxen trainieren und bei Wettkämpfen ihr Können zeigen. Doch ist es überhaupt ratsam, Kinder zum Kampfsport zu schicken?
Die Kickbox-Kindergruppe sei für Kinder ab sechs Jahren, erklärt Roman Karlin, Abteilungsleiter von Superior-SW. Allerdings werde bei jedem Kind genau abgewogen. Meist passiere das in zwei bis drei Probetrainings. Die Trainer fragen sich: Passen die körperlichen Voraussetzungen? Wie weit ist das Kind in Sachen Verständnis? "Wenn ein Kind noch nicht so weit entwickelt ist, sagen wir den Eltern, dass ihr Kind noch ein, zwei Jahren braucht", sagt Karlin.
In dieser Zeit würden dem Kind andere Sportarten, wie beispielsweise Schwimmen, helfen, um die geistigen und motorischen Fähigkeiten zu entwickeln, empfiehlt Karlin dann. Es müsse aber auch von den Vereinen genau hingesehen werden, ob die Kinder sich überhaupt für den Sport interessieren. Manchmal rühre das Interesse an Kampfsport einseitig von den Eltern.
Boxen ist im Schweinfurter Verein erst mit zwölf Jahren möglich
Mehr als 30 Kinder – die damit fast die Hälfte der Abteilung ausmachen – trainieren in der vor gut eineinhalb Jahren gegründeten Kindergruppe. Das Training ist immer spielerisch aufgebaut. "Wir überfordern die Kinder nicht gleich", sagt Karlin.
Die Sparrings, also die Übungskämpfe im Training, finden im Vergleich zum Erwachsenen-Training in eingeschränkter Variante im "bedingten Sparring" statt: nur leichte Schläge in Richtung Oberkörper. Bei den Tritten verhält es sich ähnlich. Zusätzlich tragen die Kinder eine Schutzausrüstung: Helm und Schienbeinschoner. Individuell wird entschieden, welche Kinder bereits für ein normales Sparring, in dem auch leichte Schlägen zum Kopf erlaubt sind, geeignet sind.
Bei Superior-SW nehmen teils auch schon Siebenjährige an Wettkämpfen teil, die dann ebenfalls im Leichtkontakt und mit voller Ausrüstung stattfinden. "Da wird streng darauf geachtet, dass die Kinder nicht zu hart schlagen. Der Schutz der Kinder steht wirklich ganz oben", betont Karlin.
Boxen ist bei Superior-SW erst ab zwölf Jahren möglich. Die Trefferfläche beim Boxen ist im Vergleich zum Kickboxen sehr auf den Kopf zentriert. Schlimmere Verletzungen habe es in der noch jungen Geschichte der Abteilung noch keine gegeben, weiß Karlin. Er könne sich noch nicht einmal an ein Nasenbluten bei einem der Kinder erinnern. Bevor es in den Wettkampf geht, ist übrigens ein Medizincheck eines Arztes die Voraussetzung.
Ein Kopfschutz ist nicht nur für Kinder und Jugendliche wichtig
Ein echter Fachmann ist Andreas Skutetzky von der Praxis Ortho Franken. Der Nürnberger ist auch als Ringarzt tätig. Ganz wichtig sei ihm, betont er, dass bis zum 18. Lebensjahr, egal ob beim Kickboxen oder beim Boxen, im Sparring und Wettkampf konsequent Kopfschutz getragen werde. Eigentlich wäre dies sogar noch länger ratsam, da die neurologische Entwicklung erst mit 21 Jahren abgeschlossen sei, ergänzt der Ringarzt, der trotzdem einen großen Nutzen darin sieht, Kinder in den Kampfsportbereich zu schicken.
"Sie lernen Respekt gegenüber Trainern und ihren Mitschülern. Das ist ganz wichtig, es ist eine Erziehung des Geistes und nicht nur etwas Körperliches", sagt Skutetzky, den vor allem fasziniert, wie Kampfsport Kindern mit ADHS helfen könne. "Kinder heutzutage können sich nicht einmal mehr fünf Minuten konzentrieren. Und das lernen sie im Kampfsport." Außerdem diene das Training auch dem Aggressionsabbau, ist Skutetzky überzeugt. In der Sozialpädagogik ist Kampfsport daher auch das "Nonplusultra", betont der Ringarzt. "Die Aggressionen kannst du so beim Fußball eben nicht abbauen."
Warum gute Kondition wichtig ist, um Verletzungen zu vermeiden
Skutetzky ist auch bei Kinder- und Jugendwettkämpfen im Einsatz. Das Verletzungsrisiko sei dabei auch nicht höher als bei anderen Sportarten, berichtet er und weist auf Studien hin, die seine Einschätzung bestätigen. Im Fußball dominieren die Knieverletzungen, im Kampfsport dafür die an Ellenbogen, Füßen und Händen. "Fußball ist, wenn du hart gefoult wirst, letztlich auch eine Form von Kontaktsport."
Er appelliert aber auch an die Eltern. Die Kinder müssten zwingend, bevor sie auf einen Wettkampf gehen, eine gute Grundkondition aufbauen, ansonsten erhöhe sich die Verletzungsgefahr. Der sportliche Aspekt und der Spaß müssten immer im Vordergrund stehen. "Aber manche Eltern wollen den nächsten Conor McGregor auf die Bühne ziehen", ärgert sich Skutetzky. "Zu hohe Erwartungshaltungen der Eltern sind unnötiger Druck fürs Kind." Das führe oft zu unnötiger Härte in den Kämpfen, aber auch zu Fällen von Burnouts bei den Kindern.