Von einer Aktion war Detlev Kraus besonders gerührt. "Ich habe gestern Landesliga-Jugend-19 gepfiffen, und am Ende des Spieltags kamen Trainerin und Mannschaft von Nordheim/Sommerach und haben mir zum 50-jährigen Schiedsrichter-Jubiläum gratuliert." Außerdem, erzählt der 69-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion, hätten sie ihm eine Flasche Wein und selbstgestrickte Socken überreicht.
Kraus, gebürtiger Schweinfurter, wohnhaft in Schwebheim, leitet seit einem halben Jahrhundert Korbball-Spiele. Und das, obwohl er lange Zeit überhaupt nichts mit dem Sport zu tun hatte. Erst mit 19 Jahren ist er dazu gekommen. Zufällig. "Wir haben damals gegenüber der Anlage der FT Schweinfurt gewohnt, wo auch immer Ferien-Sportkurse der Stadt waren", berichtet Kraus, selbst ehemaliger Fußballer. Leiterin dieser Kurse war Korbball-Abteilungsleitern Maria Warmuth. Sie kannte Kraus.
"Einmal stand ich gerade mit dem Auto oben am Platz. Und sie lief da rum und suchte händeringend einen Fahrer für ihre zweite Korbballjugend", führt Kraus aus. "Da hat sie mich angesprochen, ob ich nicht ihre Mannschaft dahin fahren könnte. Und ich habe gesagt: 'Okay, mache ich.'"
Kraus bestand Schiedsrichter-Prüfung mit Maximalpunktzahl
Auf der Rückfahrt wurde dann deutlich, dass die Mannschaft sogar Chancen auf die Meisterschaft hat, allerdings gerne häufiger trainieren würde. "Und da habe ich gesagt: Okay, wenn ihr mehr trainieren wollt, würde ich das mit euch machen'", sagt Kraus, der am Saisonenende mit dem Team tatsächlich direkt den Meistertitel feiern durfte – und das, obwohl er sich seine Expertise erst während seines Coachingjobs angeeignet hat.
Von Beginn an sei er auch Schiedsrichter gewesen, sagt Kraus. "Das hat mich interessiert." Und wie: Seine Prüfung zum Korbball-Schiedsrichter legte er am 18. April 1973 ab. Mögliche Punktzahl: 100. Erreichte Punktzahl: 100. Das zeigt die Urkunde, die Kraus, genannt "Lefti", bis heute aufbewahrt hat. Seinen Spitznamen hat er übrigens vom Fußball, angelehnt an den Tremeloes-Song "Right Wheel, Left Hammer, Sham". Ein Teamkollege, Rock-Fan, hat Kraus damals so genannt, weil dieser mit dem linken Fuß einen strammen Schuss hatte.
Auch auf dem Fußballplatz ist Kraus als Schiedsrichter aktiv gewesen. Mehr Spaß aber macht ihm das Pfeiffen beim Korbball. "Man ist einfach näher am Geschehen. Auch als Trainer. Man kann mehr Einfluss nehmen als beim Fußball", sagt er. Dass Kraus, der für die SpVgg Hambach pfeift, beide Seiten kennt, hilft ihm freilich als Unparteiischer. Er kennt die Emotionen, die als Coach aufkommen. "Es ist gut, wenn man nicht auf jede Kleinigkeit, die von außen kommt, hört, sondern wenn man da über den Dingen steht."
Seit der Corona-Pandemie und den damit damals einhergehenden Einschränkungen ist Kraus nur noch Schiedsrichter. Zu blöd sei es ihm gewesen, mal trainieren zu dürfen und mal wieder nicht. Doch auch als reiner Unparteiischer ist Kraus, der am 22. Dezember seinen 70. Geburtstag feiert, gut ausgelastet. Im Einsatz sei er fast jedes Wochenende, berichtet er. Und das, obwohl es zwischen 80 und 90 Schiedsrichter in der Region gebe. Weitermachen will Kraus, solange er körperlich und geistig fit genug ist.
Ehemaliger Unparteiischer in der Bundesliga
Großen Spaß mache die Schiedsrichterei ihm insbesondere, weil er viele Talente und deren Entwicklung sehen könne. "Wegen des Geldes macht das keiner", sagt er. Acht Euro bekomme ein Unparteiischer pro Spiel. Und 30 Cent pro Kilometer Anreise. "Aber dafür kann man heute auch kein Auto mehr fahren." Aktuell leitet Kraus Spiele in der Landesliga, auch Bundesliga hat er schon gepfiffen. Inzwischen müssen dort aber die Vereine die Unparteiischen stellen, sagt er. "Und ich möchte lieber neutral sein."
Kraus' wesentliche Erkenntnis aus den vergangenen Jahren: "Man wird gelassener mit zunehmendem Alter." Vor allem seit er nur noch Schiedsrichter sei, stehe er über den Dingen, habe mit keiner Mannschaft Probleme, sagt Kraus. Das werde anerkannt. "Ich habe keinen Ärger."