
Am 28. Mai betrat der gebürtige Oberschwarzacher Kevin Barth "gutgelaunt" das Barnsley Metrodome, eine Veranstaltungshalle in der nordenglischen 90.000-Einwohner-Stadt Barnsley – und er verließ sie "noch besser gelaunt", wie der 28-Jährige dieser Tage erzählte.
Zwischen dem Betreten und Verlassen der Halle stand der E-Commerce-Student der FH Würburg-Schweinfurt im "Oktagon", dem achtteckigen eingezäunten Ring für seinen mittlerweile fünften Amateurkampf im Mixed-Martial-Arts (kurz: MMA). Seinem Gegner, dem Briten Daniel Chadery, der seine Premiere im "Cage" feierte, ließ er über die knapp zwei Runden, die der Kampf dauerte, keine Chance.
Die Kommentatoren des Events zeigten sich verzückt davon, wie der Unterfranke all die Elemente der Sportart vereint und eben in den Käfig bringt. "It was almost perfect", sagte einer der Kommentatoren. Also der fast perfekte Kampf von Barth. Der andere schwärmte zu Beginn der zweiten Runde: "I think Kevin Barth is enyojing himself." Soll heißen: es war offensichtlich, Kevin Barth stand auch "gutgelaunt" im Käfig.
Nach etlichen gut getimten Tritten, Schlägen und Takedowns, musste Chadery nach etwas mehr als zwei Minuten der zweiten Runde Barth auf den Rücken tippen – das Zeichen für die Aufgabe. Der Deutsche nahm zuvor den linken Arm des Engländers in einen Armhebel, den "Kimura", der richtig sitzend, die Gelenke derart schmerzhaft überdehnt, dass eine Aufgabe die einzige Option ist.
Training auf einem anderen Level
Die MMA-Karriere des in Schweinfurt lebenden jungen Mann kommt gerade richtig ins Rollen. Der Schlüsselmoment war dabei ein Studien-Auslandsjahr in Sheffield zu Beginn der Corona-Pandemie. Kurz nach seiner Ankunft bemerkte er, dass es nur fünf Minute von seiner Unterkunft ein MMA-Studio gibt, das "Sheffield Shootfigthers". Dort trainierte und lernte Barth den Sport täglich noch einmal auf einem ganz anderen Level.
Seine zwei Amateurkämpfe zuvor in Deutschland verlor er 2019 beide gegen den selben Gegner (Ali Isajew). Vor allem im Bodenkampf war der gelernte Kickboxer gegen den österreichischen Ringer damals einfach noch nicht versiert genug. Das änderte sich während des Auslandsjahres. "Da kommen eigentlich nur Gewinner raus", sagt er über seinen "Kampfstall" in Sheffield.
Auch aus Barth wurde ein Gewinner. Noch während des Auslandssemesters stieg er in der Kleinstadt Stanley im Nordosten Englands in den Käfig und gewann. Zurück in Schweinfurt flog er noch zweimal zum Kämpfen ins Vereinte Königreich und gewann jedesmal. "In England ist im MMA einfach mehr los als aktuell noch hier", erklärt er. Aber auch hier ist die Kampfsportart auf dem Vormarsch.
Im Juni füllten 10.000 Fans die Frankfurter Festhalle für ein MMA-Event mit den hiesigen Szene-Stars Christian Eckerlin und Stephan Pütz, selbst im Free-TV werden mittlerweile Kämpfe übertragen. In Großbritannien ist die Anerkennung für Kampfsportler aber traditionell eine viel höhere, klärt Barth auf: "Dort wirst du als Kämpfer von einem normalen Fußgänger nicht als Prügelknabe angesehen wie das bei uns manchmal der Fall ist."

Kämpfen sei etwas Schönes, ein Sport, eine Kampfkunst. "Prügeleien findest du auf der Straße oder im Club", meint Barth. "Was wir machen, ist etwas komplett anderes." Vor allem der Respekt vor seinem Gegenüber im Käfig ist ihm, trotz aller Härte im Kampf, enorm wichtig. "Ohne Respekt läuft im Kampfsport gar nichts", betont er. Er hält auch nichts vom "Trash Talk" vorab, wie ihn gerade einige der bekanntesten Kämpfer der größten MMA-Organisation UFC aus den USA an den Tag legen. "Ich finde das absolut affig", sagt er. "Es reicht doch vollkommen aus, wenn du ein guter Kämpfer und ein netter Typ bist."
Der gutgelaunte Schweinfurter, der zu seinen Kämpfen im Weltergewicht bis zu zehn Kilo Gewicht verlieren muss um auf die geforderten 77 Kilo zu kommen, kommt so gar nicht martialisch daher. Zum Training im "Renzo Gracie Schweinfurt" fährt der knapp 1,80 Meter große Athlet quer durch die Stadt auf seinem Skateboard. Dort und im "Kraftwerk Schweinfurt" bereitet er sich mittlerweile auf seine nächsten Kämpfe vor.
Nach dem Studium soll die Profi-Karriere folgen
Nächster Halt für ihn ist am 20. August in Gelsenkirchen, wo er im Rahmen der "GMC Olympix" antritt. Über seinen Gegner weiß er im Grunde gar nichts, außer, dass dieser im "MMA Spirit" in Frankfurt trainiert, der berüchtigten Schmiede der besten MMA-Kämpfer Deutschlands.
"Ich möchte jetzt auch in Deutschland richtig ankommen und zeigen, was ich kann", kündigt Barth an. "Und ich möchte endlich mal einen echten Knockout." Nach England wird er trotzdem weiterhin zurückkehren, bald voraussichtlich mit einem Titelkampf. Und wenn er seinen Bachelor-Brief in den Händen hält, soll danach auch bald der erste Profi-MMA-Kampf folgen. Bis dahin werden erstmal Training und Studium seinen Alltag weiter bestimmen.
Ein Sonderling ist er freilich nicht, auch wenn viele Menschen hierzulande das aufgrund seiner Sportart immer noch annehmen. Die Reaktionen seien schon "meistens sehr verhalten", wenn jemand von seiner großen Leidenschaft erfährt. "Ich bin aber einfach ein Typ wie jeder andere, der Abends gerne auch mal ein Bier trinkt", sagt er und grinst – gutgelaunt wie immer.