
Dieser Wechsel hatte sich schon lange abgezeichnet. Dass die Zeit von Michael Herrmann als Spielertrainer beim TSV Gochsheim sich dem Ende neigt, pfiffen die Spatzen bereits seit Monaten von den Dächern. Ende Oktober war's dann auch offiziell: Herrmann geht, Razvan Paunescu kommt. Nach der Winterpause übernimmt der Ex-Profi den Fußball-Bezirksligisten.
Dann wird Herrmann, für den die anderthalb Jahre in Gochsheim die erste Station als Spielertrainer waren, nicht mehr mit an Bord sein – obwohl sich der neue und der alte Coach seit Jahren kennen und schätzen. Was die beiden genau verbindet, wie Herrmann mit seiner Zeit beim TSV Gochsheim zufrieden ist und wie seine Zukunft aussieht, erzählt der 33-Jährige im Interview.
Michael Herrmann: Seit unserem letzten Spiel sind etwa drei Wochen vergangen, aber direkt abschalten konnte ich nicht. Unsere zweite Mannschaft hatte eine Woche später noch ein Spiel, ich war also mit dem Kopf noch total bei den Jungs. An dem Tag habe ich auch für alle Spieler, Betreuer und Funktionäre ein Weißwurstfrühstück zum Abschied organisiert, dann haben wir uns zusammen das Spiel angeschaut, was super schön war, da wirklich alle Jungs da waren. Anschließend bin ich in den Urlaub gefahren, was gut getan hat, da ich dort ich ein paar Tage mal abschalten konnte.
Herrmann: Die anderthalb Jahre in Gochsheim waren eine extreme Zeit. Es war zeitlich, mental und körperlich einfach sehr fordernd. Insgesamt war es rückblickend aber auch eine sehr wertvolle Erfahrung, auch wenn es jetzt an der Zeit war, wieder mehr auf mich selbst zu schauen und den Stresspegel herunterzufahren. Fußball soll für mich künftig wieder mehr ein Ausgleich zur Arbeit sein. Ich will jetzt erst einmal einfach wieder kicken, nicht mehr und nicht weniger.
Herrmann: Ein Stück weit habe ich es sicher unterschätzt, ein Stück weit wurde vom Verein mehr Unterstützung zugesichert. Es gab verschiedene Gründe, aber faktisch war es weniger Hilfe, als ich erwartet hatte. Unterschätzt habe ich definitiv die mentale Belastung und den Stress: Wer spielt, wer spielt nicht? Wie gehen wir es am Wochenende an? Wie erkläre ich den Jungs, die draußen sitzen, weshalb sie draußen sitzen? Wie hole ich sie anschließend wieder ab, um sie weiter zu motivieren? Das war schon sehr fordernd. Dazu war ich auch auf der Arbeit mehr eingebunden, was das alles natürlich nicht einfacher gemacht hat.
Herrmann: Persönlich gesehen waren es anderthalb Jahre, die ich nicht missen möchte. Ich habe tolle Menschen kennengelernt. Ich habe mich sowohl als Mensch als auch als Spieler weiterentwickelt. Als Spielertrainer brauchst du auf dem Platz den Rundumblick und dennoch den Fokus auf dein eigenes Spiel. Das hat mich besser gemacht und mich vorangebracht. Außerdem kannte ich in Gochsheim niemanden, es war eine komplett neue Umgebung, eine komplett neue Mannschaft. An einer solchen Aufgabe wächst du natürlich auch menschlich.
Herrmann: Sportlich gesehen bin ich nicht komplett zufrieden. Mit den 36 Punkten letztes Jahr konnte ich halbwegs leben, wobei wir am Ende der Saison auch leider einige enge Spiele unglücklich verloren haben und natürlich alle gerne drin geblieben wären in der Landesliga. Nach so einem Tiefschlag wie dem Abstieg in der Relegation, war es heuer zu Beginn schwer, die Jungs für die neue Saison wieder neu zu motivieren, abzuholen und auf Kurs zu bringen, wenn die ersten Spiele auch noch so unglücklich laufen. Wir mussten lernen, dass die Bezirksliga sehr speziell ist, viele Mannschaften sehr tief stehen und gute Konterspieler haben. Hier galt es, Lösungen in Ballbesitz zu entwickeln und gleichzeitig immer eine gute Absicherung zu haben. Das war eine neue Erfahrung, auf die sich die Mannschaft mit der Zeit aber auch immer besser eingestellt hat. Ich bin mir sicher, dass die Jungs in der Rückrunde noch sehr gut punkten werden.
Herrmann: Wenn ich die Einzelspieler anschaue, bin ich mit der Entwicklung mehr als zufrieden. Als ich gekommen bin, hatte sich das Gesicht der Mannschaft komplett verändert. Der Nichtabstieg wäre eine Sensation gewesen, das wäre mit dem Kader fast einer Meisterschaft gleichgekommen. Wir haben etliche Jungs aus der zweiten Mannschaft aus der Kreisklasse hochgezogen: Wenn ich beispielhaft Spieler wie Christian Wüst, Pascal Demar oder Hannes Grätz sehe, die haben viel Spielzeit bekommen und sich auf einem ganz anderen Level präsentieren müssen als zuvor. Die haben sich allesamt super entwickelt. Wie sie jetzt spielen, wie selbstbewusst sie sind, um wie viel besser sie geworden sind – auf diese Entwicklung bin ich stolz. Aber klar, in Sachen Mannschaftserfolg hätte ich in beiden Saisons gerne besser abgeschnitten.
Herrmann: Ja, wir kennen uns sehr gut. Razvan ist damals ein knappes Jahr vor mir nach Abtswind gekommen. Ich kam als 18-Jähriger das erste Mal in die Kabine und habe mich unter einen Stromkasten in die letzte Ecke verzogen. Razvan saß neben mir, zu dem Zeitpunkt hat er noch kein Deutsch gesprochen, nur Englisch. Wir haben uns super verstanden, er war gerade in der Anfangszeit neben unserem Kapitän Mario Schindler wie ein Mentor für mich. Ich war Student, er hat nur in Teilzeit gearbeitet: Wir haben an freien Tagen viel zu zweit trainiert und hatten einen engen Draht. Inzwischen arbeiten wir ja außerdem jahrelang in derselben Firma.

Herrmann: Der Drahtzieher bin ich nicht. Razvan wohnt in Gochsheim, sein Sohn spielt in der Jugend des TSV, er war bei den Alten Herren aktiv. Er ist auch sehr gut mit Irnes Husic befreundet, ist also bekannt im Verein. Aber die Verantwortlichen haben mich natürlich nach meiner Meinung gefragt, Bobby war in Abtswind eine Zeit lang ja auch mein Trainer.
Herrmann: Das ist sein Spitzname aus Abtswinder Zeiten. Den hat er bekommen, weil sich einige der Fans und die Leute im Ort mit seinem Namen Razvan schwertaten (lacht). Bobby hätte bereits im Sommer übernommen, war durch eine Operation aber außer Gefecht. Ich hatte dem Verein schon im Frühjahr signalisiert, dass ich gerne aufhören würde. Als sich Bobby als echte Option herauskristallisiert hat, habe ich meine Zusage bis zur Winterpause gegeben, damit die Sache sauber über die Bühne gehen kann, jetzt wo er wieder fit ist. Ich wollte die Jungs auf keinen Fall einfach im Stich lassen.
Herrmann: Ich möchte mich bis Ende des Jahres entscheiden. Am liebsten würde ich nach der Winterpause noch weiter auf gutem Niveau kicken. Einfach Spaß haben und als Spieler Teil einer Mannschaft sein. Es gibt interessante Anfragen, zwischen denen ich mich entscheiden muss. Gochsheim habe ich allerdings ausgeschlossen, damit Bobby frisch an die Sache rangehen kann und die Jungs eine komplett neue Ansprache bekommen. Deswegen werde ich woanders hingehen. Wohin, wird sich zeigen. Was sicher ist: Ich werde erstmal keinerlei Traineraufgaben übernehmen.