Geboren wurde er als Marcel Van Minh Phuc Long Nguyen vor knapp 32 Jahren in München. Als Marcel Nguyen machte der Sohn eines Vietnamesen und einer Deutschen Karriere als Kunstturner. Neben sieben EM- und einer WM-Medaille holte der Athlet des TSV Unterhaching 2012 in London zweimal Olympia-Silber am Barren und im Mehrkampf. Auf der Pressekonferenz zum 32. Landesturnfest in Schweinfurt, die auf dem Ausflugsdampfer Franconia auf dem Main stattfand, turnte er zusammen mit seinem Nationalmannschaftskollegen Felix Remuta eine Barrenübung an Deck. Anschließend sprach er in einem Exklusiv-Interview mit dieser Redaktion über den Stellenwert des vom 30. Mai bis zum 2. Juni dauernden Landesturnfestes, zu dem über 11000 Mitwirkende erwartet werden, seine Ambitionen bei den anstehenden Weltmeisterschaften und Olympia 2020 in Toki0.
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Frage: Eine Turnfest-Pressekonferenz auf dem Main. Wie steht's denn um Ihre Affinität zum Wasser?
Marcel Nguyen: Nein, überhaupt nicht. Ich überhaupt kein Wassertyp. Ich bin auch kein guter Schwimmer. Aber das war natürlich etwas neues, den Turnsport so repräsentieren zu dürfen. Auch wenn man auf einem schwankenden Schiff keine Höchstleistung zeigen kann.
Der Barren ist Ihr Parade-Gerät. Da hat man ja auch selten festen Boden unter den Füßen.
Nguyen: Es ist nicht so, dass ich den Barren jetzt lieber turnen würde. Aber es hat sich im Lauf der Zeit einfach gezeigt, dass ich am Barren besser bin als an anderen Geräten.
Wie heißt das jetzt eigentlich: Geräteturnen oder Gerätturnen?
Nguyen: Oh, ich glaube Gerätturnen. Ja, Gerätturnen. Ohne "e". Aber bitte fragen Sie mich jetzt nicht, warum.
Zweimal Olympia-Silber und gar nicht so lange her. Wächst da auch bei Turnern die Popularität? Werden Sie noch auf der Straße angesprochen?
Nguyen: Es war schon so, dass man mich dann gekannt hat. Das ist nicht vergleichbar mit einer Europa- oder selbst Weltmeisterschaft. Auf Olympia richtet sich viel mehr Aufmerksamtkeit, die Leute haben mit erkannt. Einige erkennen mich immer noch, ich habe ja noch ein paar andere Sachen gemacht. Fernsehshows wie "Dance, dance, dance" zum Beispiel.
Mit Erfolg?
Nguyen: Eher ohne Talent. Nächste Frage.
Haben Sie mal an einem Landesturnfest teilgenommen?
Nguyen: Ja. Als ich jünger war. Wann das war, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber das ist ein tolles Erlebnis, eine einzigartige Atmosphäre.
Hat ja was von Olympischen Spielen.
Nguyen: Ja, auf jeden Fall. Es sind so unglaublich viele Menschen da, die Aufmerksamkeit für unseren Sport ist plötzlich viel größer.
Beim Turnfest überwiegt der Breitensport. Sie sind Hochleistungssportler. Ist der Grat zwischen gesundem Sport und Gefährdung des Körpers ein besonders schmaler?
Nguyen: Es ist schwer zu sagen, es hängt vieles davon ab, wie man sich vorbereitet. Aber ich würde sagen, dass unser Sport nicht so schädlich ist. Bei Leistungssport fühlt man sich eben nicht immer gut. Aber Spätschäden sind eher selten. Meinem Trainer Valeri Belenki geht's gut, er war selber Olympia-Sieger, ist jetzt 50 und kann immer noch etwas mit uns mitmachen. Man muss seine Leistung richtig einschätzen und den Körper studieren können.
Wie sexy ist Turnen? Wie sexy ein Landesturnfest?
Nguyen: Das ist in der Tat ein Problem, dass wir in Zeiten von Online-Spielen nicht so sexy mit unserem Sport sind, nicht die gewünschte Aufmerksamkeit bekommen. Aber meiner Generation ist es ganz gut gelungen, Turnen wieder präsenter in den Medien zu machen.
Ein junger Kerl, stark tätowiert und auch noch erfolgreich. Kommt an, oder?
Nguyen: Man braucht auffallende Figuren, Charaktere, die den Sport verkörpern und nach außen attraktiv machen. Aber es muss auch die Angebote geben. Und die gibt es. Nahezu jeder Verein hat eine Turnabteilung.
Was "in" ist, bestimmen soziale Medien. Hat der Turnsport auf dieser Bühne eine Chance? Wie oft haben Sie eigentlich Ihr Handy in der Hand?
Nguyen: Oh, sehr oft. Soziale Medien sind ein ganz entscheidender Faktor geworden. So oft ich Zeit finde dafür, poste ich auf Instagramm etwas aus meinem Leben, aber auch aus dem Alltag als Sportler. Es liegt auch an uns selbst, wie populär oder attraktiv eine Sportart sein kann. In den letzten zwei, drei Jahren hat sich da auch auf Verbandsebene sehr viel getan.
Auf Facebook sagen viele Menschen ihre Meinung erheblich hemmungsloser als real. Auch zu politischen Themen? Sind sie ein politischer Mensch?
Nguyen: Nein, überhaupt nicht. Ich denke, als Spitzensportler steht man so im Rampenlicht, dass man mit seiner Meinung sehr vorsichtig sein sollte. Ich beteilige mich an öffentlichen Diskussionen nicht. Außerdem bin ich ja bei der Bundeswehr angestellt und versuche deswegen schon, so neutral wie möglich zu sein.
Gerade an den extremen Rändern des politischen Spektrums könnte ein Sportler aber Vorbildfunktion ausüben.
Nguyen: Ich sehe das so: Ich will als Sportler Vorbild sein, meinen Teil dazu beitragen, dass mehr Jugendliche Sport treiben. Und wer ernsthaft Sport treibt, kommt schon mal gar nicht so leicht auf andere, blöde Ideen. Im Sportverein hat man von klein auf ein gutes Umfeld, lernt Disziplin und Ordnung in sein Leben zu bringen. Auch wenn es jetzt nicht in den Leistungsbereich geht, ist Sport für Kinder und ihr späteres Leben genau das richtige. Und insbesondere der Turnsport wegen seines vielschichtigen Trainings. Ich würde mein Kind in jedem Fall auch zum Turnen schicken.
Bei älteren Menschen führt der Turnsport immer noch die von Körperkult geprägte Leni-Riefenstahl-Ästhetik der Olympischen Spiele 1936 vor Augen. Das Landesturnfest aber ist eine bunte Party.
Nguyen: Ich glaube schon, dass das angestaubte Image von einst noch in den Köpfen ist. Turnen ist ein sehr traditioneller Sport, ähnlich wie die Leichtathletik oder das Ringen. Aber wir sind dabei, dieses Image aufzupolieren.
Werden sie in Schweinfurt auch mal vorbeischauen?
Nguyen: Leider nicht. Ich muss mich auf die WM in Stuttgart vorbereiten, die für uns gleichzeitig Olympia-Qualifikation ist.
Was ist noch zu erwarten? Die zwei Olympia-Medaillen dürften schwer zu toppen sein.
Nguyen: Mein primäres Ziel ist es, mich mit dem Team für Olympia zu qualifizieren. Dafür müssen wir bei der Weltmeisterschaft unter die besten Zwölf kommen. Das sollte zwar, wenn es normal läuft, kein Problem sein, aber man hat nur die eine Chance und kann immer mal einen schlechten Tag haben. Die olympischen Spiele 2020 in Tokio werden dann vermutlich meine letzten sein. Mit einer Medaille meine Laufbahn abzuschließen, wäre ein Traum.