Nein, das Auge schaut immer noch nicht gut aus. In St. Petersburg hat Nick Schander einen Kampf verloren. Was im ersten Moment ausgeschaut hat wie weißer Kloß in roter Soß', ist letztlich eine Bruch der Kieferhöhle. Kann schon mal passieren beim Combat Sambo, einer russischen Kampfsport-Disziplin, in der Knie zum Kopf genauso erlaubt ist, wie ein Kopfstoß oder Ellenbogenhieb.
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Aber Schander ist hart im Nehmen. Und normalerweise gut im Austeilen. Der Kämpfer vom Fightclub Schonungen ist vierfacher deutscher Meister, war 2017 Dritter der Europameisterschaft. Und das nicht in einer x-beliebigen Klasse eines x-beliebigen Verbandes, wie das in solchen Sportarten bisweilen vorkommen kann. Nein, Schander kämpft in der International Sambo Federation in der Gewichtsklasse bis 62 Kilogramm, in der es just die größten Starterfelder hat, bei russischen Turnieren nicht selten rund 40 Kämpfer.
Nur reicht das dem 21-Jährigen, der stets von seinem Normalgewicht von 71 Kilo abkochen muss, noch nicht: Er ist auch internationaler deutscher Meister im Kickboxen und nimmt an Mixed-Martial-Arts-Fights (MMA) teil. "Mein Opa wollte, dass ich ein Kämpfer werde", sagt Schander, der zwar in Deutschland geboren ist, aber russische Wurzeln hat. "Er meinte vielleicht mehr die Armee, aber mit Kampfsport war er auch zufrieden."
Eine Mischung aus Schlagen und Ringen
Los ging's mit acht Jahren und Taekwondo, selbstverständlich bis zum schwarzen Gürtel. Mit 15 Jahren war's langweilig, der Enkel wechselte zum Boxen. Und mit 18 Jahren, vorher ist es wettkampfmäßig in Deutschland noch nicht erlaubt, zum Combat Sambo. Dabei schaut der Bursche gar nicht so Furcht einflößend aus. Muskelpakete braucht's auch nicht beim Sambo-Sport, der eine Mixtur aus Boxen, Kickboxen, Ringen und Grappling (Bodenkampf) ist. Die Athleten tragen leichte Helme, aber umso härtere Handschuhe. Die sind dünn, mit Vier-Unzen-Gewichten bestückt und federn, anders als beim Boxen, die Schlagkraft nicht ab.
"Gewertet werden nur Punkte für Griffe und Würfe", erklärt Schander. "Das Schlagen und Treten ist nur dazu da, den Gegner müde und mürbe zu machen." Dass der im Schutz- und Sicherheitsdienst arbeitende Schweinfurter die nötige Technik und Schlagkraft hat, verdankt er nicht zuletzt Sambo-Bundestrainer Albert Köpplin. Der ist Trainer im TSV Bad Kissingen, wo Schander neben den Einheiten bei Coach Manuel Leist im Fightclub ebenfalls trainiert - in Summe bis zu neun Mal in der Woche jeweils zwei bis drei Stunden. Ohne diesen Fleiß hätte er gegen die starke osteuropäische Vollprofi-Konkurrenz keine Chance. Immerhin dauern die Kämpfe netto fünf Minuten und zehn bis zwölf an einem Wettkampftag absolviert ein Champion.
Für eine Frau oder Freundin bleibt Schander, der anders als viele russische oder usbekische Kontrahenten trotz Preisgeldern von bis zu 1000 US-Dollar nicht von seinem Sport leben kann, da nicht. "So lange ich keine Verantwortung tragen muss für eine Familie, kann ich mich ganz aufs Kämpfen konzentrieren."
Außerdem weiß Schander nur zu gut, wie schwierig es für Frauen ist, mit seinem Sport umzugehen. "Meine Mama schimpft, wenn ich verletzt bin. Nachdem sie das erste Mal dabei war, hat sie gesagt: nie wieder. Inzwischen kann sie zwar nicht hin-, aber auch nicht wegschauen." Manchmal sieht sie die Kämpfe ihres Sohnes ja sogar im russischen Fernsehen, wo Combat Sambo live übertragen wird, wie in Deutschland Fußball.
Der Traum von den Olympischen Spielen
Aktuell beginnt sich Nick Schander, der im Frühjahr bei der EM in Spanien Fünfter wurde, in Paris beim Grand Prix Dritter und in Holland ein internationales Gewann, auf die Weltmeisterschaft im November in Südkorea vorzubereiten. Dann dürfte auch feststehen, ob Combat Sambo olympisch wird. Aktuell diskutiert das IOC darüber. "Olympia wäre mein Traum", sagt der 21-Jährige. "Ich will noch viel erreichen, immerhin bin ich weltweit unter den besten 20" - und noch vergleichsweise jung.
Zeit dafür, eine eigene Familie zu gründen, sei da immer noch reichlich vorhanden. Und wenn's dann vorbei ist mit der Gefahr vom weißen Kloß in roter Soß', gibt's wohl nur noch ganz gewöhnliche Klöße, in brauner Soß'.