141 Tage ist es mittlerweile her, dass Julian Grell seine Mannschaft am Spielfeldrand coachen durfte. Eigentlich war das ein Tag, an den er sich gerne zurück erinnern wird. Seit vergangenen Sommer ist Grell, der über Jahre als Torjäger, Kapitän und zuletzt als Co-Trainer die Galionsfigur des Regionalligisten TSV Aubstadt war, Cheftrainer beim Landesligisten SV Euerbach/Kützberg. Im letzten Spiel vor der neuerlichen Saisonunterbrechung, beim 3:1 gegen die TG Höchberg, konnte Grell seinen ersten Landesliga-Sieg als Trainer bejubeln.
Zuvor hatten die Euerbacher nur einen Punkt aus drei Spiele nach dem Re-Start geholt. Wurde die Truppe also ausgebremst, als sie so richtig ins Rollen gekommen war? Der 34-Jährige wiegelt ab. Alles andere würde auch nicht zu ihm passen. Schließlich vereint er so ziemlich jede beliebte Eigenschaft, mit der sich der große Fußball stets zu schmücken versucht. Bodenständigkeit, Bescheidenheit, Authentizität – für Julian Grell keine Phrasen, sondern ein Selbstverständnis. "Das war jetzt nicht das absolute Wahnsinnsspiel, das uns automatisch die Wende gebracht hätte. Natürlich hätten wir gerne weitergemacht und den Erfolg bestätigt", sagt er und fügt gleich noch an: "Es war die einzig richtige Entscheidung den Spielbetrieb abzubrechen."
Virtuelles Training
Einen etwas weniger holprigen Start in die Cheftrainer-Karriere hätte er sich zwar gewünscht, aber die Pandemie hatte andere Pläne. Das führte aber auch dazu, dass er sich unter anderem viel Zeit für Spielergespräche nehmen konnte. Zeit, die unter normalen Bedingungen im laufenden Wettbewerb kaum vorhanden gewesen wäre. In der langen und immer noch andauernden Pause blieb auch Zeit, die eigene Herangehensweise an das Training und die Spiele einmal gründlich zu reflektieren. Die Zwangspause verbucht der Trainer-Novize glaubhaft als "wertvolle Erfahrung". "Ich hoffe aber, dass es endlich wieder losgeht", findet er dennoch: "Und dass es dann die letzte Unterbrechung war."
Grell scharrt schon mit den Hufen. Gerne würde er mit seinen Spielern wieder auf dem Platz stehen und als Trainer dem Team seine Handschrift verpassen, erzählt er mit ungebrochenem Enthusiasmus. Mittlerweile bittet er seine Spieler auch wieder zum Training – aber nur virtuell. Seit einem Monat organisiert er ein Cyber-Training mit verschiedenen Gästen, die mit den Fußballern vor ihrem Bildschirm zuhause verschiedene Trainings durchführen. Diese Woche war Box-Aerobic an der Reihe. "Es ist wichtig den Jungs gerade etwas anzubieten."
Außerdem arbeitet er mit einer App, in der jeder Spieler seine Trainingserfolge aus den individuellen Einheiten einträgt. Somit können die Spieler sich auch untereinander vergleichen. Das sei auch ganz gut für die "Bespaßung", meint der Coach. Das Miteinander fehlt nämlich gewaltig. Die Kabine fehlt. Sowieso sei es gerade schwierig Gesprächsthemen zu finden, wenn man gemeinsam nichts erlebt. "Es ist schon manchmal müßig ein Thema zu finden, wenn man nicht über Corona sprechen möchte", so Grell.
Ein Gesprächsthema könnte der neue "Sechser" im Team werden. Vom Ligakonkurrenten FC Fuchsstadt wechselt als Winterverpflichtung Steffen Schmidt nach Euerbach/Kützberg. Grell, der Schmidt noch aus gemeinsamen Aubstädter Zeiten kennt, ist überzeugt, dass der zweikampf- und spielstarke 26-Jährige, der schon Bayernliga gekickt hat, eine große Verstärkung für seine Elf wird – "sowohl fußballerisch aber auch als Typ".
Spieler und Trainer verzichten auf Vergütungen
Spielberechtigt wären ab jetzt auch die drei Neuzugänge vom TSV Abtswind, Markus Thomann, Christopher Lehmann und Max Hillenbrand, die schon im letzten Sommer verpflichtet wurden, aber aufgrund der fehlenden Freigabe aus Abtswind bis zur Winterpause gesperrt waren. Den Verein verlassen hat Edisan Berisha, dessen im Dezember 2020 auslaufender Vertrag nicht verlängert wurde.
Auf ihre finanzielle Vergütung verzichten übrigens während der spiel- und trainingsfreien Zeit alle Spieler und das Trainerteam des SV Euerbach/Kützberg. "Das zeugt vom guten Charakter der Mannschaft", betont Grell: "Das war auch genau das Richtige, was wir tun konnten. Die Gebeutelten in der aktuellen Lage sind vor allem auch die Vereine." Für die neue Saison soll es keine finanziellen Einschränkung geben.
Von der Qualität des Kaders überzeugt
"Der Verein hat ein klares Ziel", erklärt der Coach: "Unsere Vision ist es etwas langfristiges aufzubauen. Dementsprechend stehen der Verein und auch unser Hauptsponsor weiter voll dahinter." 14 neue Spieler wurden letzten Sommer geholt. Im kommenden Sommer lässt man es ruhiger angehen. Das Team soll nur punktuell verstärkt werden.
Die Planungen für die nächste Saison seien derzeit noch im Gange. Aus dem aktuellen Kader hätten alle Spieler bereits signalisiert, grundsätzlich weiterhin an Bord bleiben zu wollen. Geplant wird – auch wenn der Vorsprung auf die Abstiegsrelegationsränge nur fünf Punkte beträgt – ausschließlich für die Landesliga. "Das soll nicht arrogant klingen", merkt Grell an. Er und die Verantwortlichen sind eben überzeugt von der Qualität des Kaders.
Warten auf den Startschuss
Jetzt wartet eigentlich alles nur auf den Startschuss, wann der Ball wieder rollen darf. Ein Vollblutfußballer wie Julian Grell hat diesen Moment wohl schon ein paar mal im Kopf durchgespielt in den letzten Wochen und Monate. "Ich glaube, dass wir alle – Trainer, Spieler, Zuschauer – dann den Fußball wieder ganz anders schätzen werden, nachdem wir so viel Zeit zuhause in der Tristesse erlebt haben", ist er sich sicher.
Zugang: Steffen Schmidt (FC Fuchsstadt). Abgang: Edisan Berisha (Ziel unbekannt).