Prince setzt den letzten Ton: "Purple Rain". Die Menschen vor der Bühne schauen aus, als wollten sie noch ein bisschen tanzen. Getanzt wird aber nicht: Es wird geredet. Über diesen Abend. Über die Sportlerinnen und Sportler der Stadt. Über bemerkenswerte Leistungen und Aussagen. Die Schweinfurter Sportgala 2023 ist eine besonders stimmungsvolle. Nicht nur, weil erstmals silberne Leuchter mit Kerzen auf den Tischen stehen.
Auch, weil der Stargast diesmal noch ein bisschen mehr zu sagen hat, als andere seit 2005, als aus der Sportlerehrung in der Rathausdiele die Sportgala auf der Maininsel geworden ist. Kristina Vogel hat 17 Weltmeistertitel im Bahnradfahren gewonnen und zwei Olympiasiege, als sie 2018, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, im Training wegen der Unachtsamkeit eines Kollegen bei 60 Stundenkilometer schwer stürzt: Querschnittslähmung abwärts der Brust.
"Ich suche mir generell Wege für alle Lebenssituationen", sagt die 33-Jährige im Gespräch mit Moderator Sven Schröter. Und sie zitiert Pipi Langstrumpf: "Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt." In ihrer "neuen" Welt ist sie neben ihrem Job bei der Bundespolizei TV-Expertin, gefragter Talk-Gast und neuerdings Kinderbuch-Autorin. Sie saß bis heuer für die CDU im Erfurter Stadtrat und hat immer noch eine laute Meinung: "Diversität und Inklusion dürfen keine Modewörter sein. Die Gesellschaft muss sich bunt aufstellen. Wir müssen Diversität und Inklusion endlich leben."
Nur strahlende Gesichter beim Tischtennis-Training des RKV Solidarität
Männer und Frauen, queere Menschen, Menschen mit und ohne Behinderung - gemeinsam. Da klatscht Vogel bei der dritten Ehrung des Abends noch ein wenig leidenschaftlicher als bei den restlichen. Ihr Motto wird im Schweinfurter Sport gelebt: In der Kategorie Soziale Bindung geht der Felix - das kleine Bronzeschweinchen - samt Scheck (von der Stadt Schweinfurt) an die Tischtennis-Abteilung des RKV Solidarität. Peter Schmitt, einer der Vorsitzenden, erzählt von der Kooperation mit der Lebenshilfe und einem Gemeinschaftstraining für Kinder und Erwachsene, Nichtbehinderte und Behinderte. "Da sieht man nur strahlende Gesichter."
Kristina Vogel ist gerührt. Ihr gefällt, dass in Schweinfurt, anders als sie das von vielen Sportgalas gewohnt ist, nicht nur Spitzensport geehrt wird, sondern in dem rund einstündigen Block vor der Felix-Verleihung auch Kinder, Senioren und Ehrenamtliche. "Alle dürfen sich eine Medaille abholen, toll." Geduldig lässt sie sich mit Groß und Klein fotografieren. Sie sagt ja: "Man muss keine Angst vor mir haben. Ich beiße nur manchmal."
Eröffnet wird der trotz knapp fünf Stunden kurzweilige Abend von OB Sebastian Remelé. "Ich komme gerade aus Oldenburg von einer Sitzung. Ich bin froh, wieder im Süden zu sein, im schönsten Flecken Bayerns." So geht Rede 2.0: kurz, knackig - und ran ans Buffet zur gebratenen Ente. Musikalisch klammert erstmals das Living Contrasts Ensemble das Programm - mit wohltuenden Easy-Listening-Interpretationen bekannter Rock-Songs. Nur für die kernigeren Rhythmen bei den Vorführungen des Turngaus Schweinfurt/Haßberge und der Showtanzgarde der ESKAGE wird die Konserve geöffnet.
Rekordverdächtig: Gleich drei Bronzeschweinchen gehen an Athleten des Ruderclubs
Dann gibt's die Felixe. Zu Beginn gleich eine Premiere: Erstmals werden in der Kategorie Sportlerin des Jahres zwei Preise (vom Schweinfurter Tagblatt) vergeben - weil die beiden jungen Frauen im wahrsten Sinne des Wortes in einem Boot sitzen. Marie Belschner und Sarah Morrison vom Ruderclub sind deutsche Jugend-Meisterinnen im Doppelzweier und erklären, was es mit der Bezeichnung Doppelzweier auf sich hat. "Da hat Jede zwei Skulls in den Händen", sagt Morrison - arge Laien täten sagen links und rechts ein Paddel. Belschner verspricht, dass "wir in Schweinfurt bleiben" - und zumindest vorerst nicht wie Teamkollege Lorenz Grimm in ein Leistungszentrum wechseln.
Der ist diesmal nicht anwesend, wird aber geehrt. Lorenz Grimm ist nach seinem U-19-WM-Titel im Doppelvierer Sportler des Jahres (ebenfalls vom Schweinfurter Tagblatt) - und weilt zu einem Leistungstest in Dortmund. Das Bronzeschweinchen geht dennoch in Grimmsche Hände: Sein Bruder Kilian nimmt es entgegen und verspricht: "Ich traue ihm auch in der U23 viel zu." Auch Lorenz kommt zu Wort, wenn auch nur per Video-Einspielung. "Die schönsten Momente in meinem Leben habe ich 2023 erleben dürfen. Die Olympischen Spiele heuer in Paris kommen noch zu früh für mich."
Mannschaft des Jahres (Stadtwerke) sind die Basketballer der DJK. Sie sind zum zweiten Mal in Folge Meister der Bayernliga geworden und haben zum zweiten Mal auf einen Aufstieg in die Regionalliga verzichtet. "Weil ich nur mit Schweinfurtern spielen will", erklärt Trainer Klaus Ludwig. "Eine Klasse höher müssten wir sechs Auswärtige holen, um erfolgreich zu sein." Der Preis für die Jugendarbeit (AOK) geht an den Schachklub 2000. Der zählt zu den 25 größten der Nation und liegt in einer Kategorie gar vorn: "Wir haben 17 Prozent Mädchen, Spitze in Deutschland", berichtet Melanie Sachs, die zweite Vorsitzende.
Standing Ovations für das Lebenswerk der TG-Institution Helga Clarner
Der Sonderpreis für herausragende Veranstaltungen (Sparkasse) geht an das Organisations-Team des Doppel-Events Main-City-Run/Main-City-Triathlon. Die TG 48 wird 2024 zudem die bayerische Meisterschaft im Para-Triathlon, also für Athleten mit Handicap, ausrichten. Ein weiterer Sonderpreis, ein Stipendium für Sportförderung (Next Level), geht an Faustball-Weltmeister Fabian Sagstetter (TV Oberndorf). Für ihn ist es der achte Einzel-Felix. "Unser Sportler des Jahrzehnts", sagt Schröter.
Heimlicher Höhepunkt des Felix-Reigens ist stets der Preis für das Lebenswerk (SWG). Der steht künftig daheim bei Helga Clarner. Die 84-Jährige wird von Standing Ovations förmlich auf die Bühne getragen. Seit 1968 ist sie Mitglied in der TG 48. Und dort seit Jahrzehnten in zahlreichen Ehrenämtern und besonders gern im Hintergrund eine Institution. "Eigentlich wollte ich nur meine Kinder zum Training bringen. Da haben sie mich gleich da behalten und gesagt: Die brauchen wir." Und wieder jubelt Kristina Vogel besonders laut.
Ich glaube das sie Kristina Vogel geschrieben wird.
Mit freundlichen Grüßen
Robert Striesow