Marcel Schäfer stammt aus dem unterfränkischen Straßbessenbach, wechselte allerdings bereits als Jugendlicher in das Nachwuchs-Internat des TSV 1860 München. Dort reifte er zum Bundesligaspieler und gab 2003 gegen den VfL Bochum sein Debüt im Oberhaus. 2007 wechselte der Außenverteidiger zum VfL Wolfsburg, wo er zwei Jahre später unter Trainer Felix Magath deutscher Meister wurde. 2015 gewann Schäfer mit dem VfL auch den DFB-Pokal. Insgesamt absolvierte er 257 Bundesliga- und 90 Zweitligaspiele. Dazu kommen neun Einsätze in der Nationalmannschaft. Nach einem kurzzeitigen Engagement in den USA ist Marcel Schäfer seit 1. Juli 2018 Sportdirektor des VfL Wolfsburg, "meinem Herzensklub", wie er sagt. Er fungiert als Schnittstelle zwischen Geschäftsführung und dem Bundesligateam sowie der Lizenzspielerabteilung und Nachwuchsakademie. Der 34-jährige Marcel Schäfer ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Sein Vater Markus Schäfer spielte mit Viktoria Aschaffenburg in der Zweiten Bundesliga und trainierte später einige Vereine aus der Region.
Frage: Vor zehn Jahren sind Sie mit dem VfL Wolfsburg völlig überraschend deutscher Fußballmeister geworden. Lang ist's her.
Marcel Schäfer (lacht): Wie lange das her ist, wird mir tagtäglich vor Augen geführt: Unser Sohn Noah wurde 2009 geboren. Aber im Ernst: Ich erinnere mich gerne an diese außergewöhnliche Saison zurück und ich freue mich auf das Wochenende, wenn sich die damalige Meistermannschaft in Wolfsburg trifft.
Es gibt eine Jubiläumsfeier?
Schäfer: Ja. Am Freitagabend wird eine Feier stattfinden und am Samstag soll es auch eine kleine Ehrung im Stadion geben. Alle werden kommen: Grafite, Josué und natürlich auch Trainer Felix Magath und sein damaliger Co-Trainer Bernd Hollerbach.
Haben Sie eine besondere Erinnerung an die Meistersaison?
Schäfer: Damals ragte natürlich ein Spiel heraus: das 5:1 gegen den FC Bayern. Das war das beste Spiel des VfL Wolfsburg in der Vereinsgeschichte, das noch gekrönt wurde durch das schönste Tor der Vereinsgeschichte durch Grafite. Nach dem 1:1 zur Halbzeit haben wir uns in einen Rausch gespielt. Damals war sicher unser Offensivtrio mit Misimovic, Dzeko und Grafite der Schlüssel – und natürlich der Trainer.
Die Meisterschaft 2009 war auch der letzte große Erfolg von Felix Magath. Was hat ihn ausgezeichnet?
Schäfer: Er hat uns gelehrt, dass man für den Erfolg jeden Tag hart arbeiten muss. So sehr wir als Spieler damals manchmal auch gelitten haben im Training, jeder Spieler ist ihm heute dankbar. Er hat es geschafft, dass wir alle über unserer Leistungsgrenze gespielt haben.
Gibt's den Magath-Hügel noch, den er hat aufschütten und die Spieler hinauf sprinten lassen?
Schäfer: Den gibt's noch. Bruno Labbadia hat ihn in dieser Saison ab und an reaktiviert.
2009 war es bislang das letzte Mal, dass der Titel am letzten Spieltag entschieden wurde. Vor allem wurde das vergangene Jahrzehnt geprägt von den Bayern . . .
Schäfer: Ja, die Bayern haben eine unglaubliche Dominanz. Es müssen schon einige Sachen zusammenkommen, um die Bayern über 34 Spieltage hinter sich zu lassen. Wir haben damals begeisternden Offensivfußball gespielt, aber es war auch eine Phase, in der die Bayern einige Probleme gehabt haben.
Das heißt, die Konkurrenz hat nur eine Chance, wenn die Bayern schlecht sind?
Schäfer: Was heißt hier schlecht? Ich finde es fast skurril, wenn davon gesprochen wird, dass die Bayern schlecht sind, nur wenn sie mal Zweiter sind.
Die Bayern könnten am Samstag zum siebten Mal in Folge Meister werden. Droht der Bundesliga angesichts dieser Dominanz nicht Langeweile?
Schäfer: Ja, das ist eine Gefahr. Überraschende Meisterschaften wie 2007 durch den VfB Stuttgart oder 2009 durch uns und tragen zur Spannung bei. Allerdings haben sich die Bayern den sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg über Jahrzehnte hart erarbeitet.
Sie selbst sind als Sportdirektor seit einem Jahr im Management des VfL Wolfsburg tätig. Wie fällt die erste Bilanz aus?
Schäfer: Die Bilanz lässt sich an der Tabelle ablesen. Ich bin jedenfalls unserem Geschäftsführer Jörg Schmadtke sehr dankbar, dass er mir diese Chance gegeben hat. Er ist ein super Mentor und überträgt mir viel Verantwortung.
Davor sind Sie zum Karriereende als Fußballprofi 2017 nochmal in die USA zu den Tampa Bay Rowdies in die zweite amerikanische Liga gewechselt . .
Schäfer: Das war eine Entscheidung für die Familie. Wir haben viele Erfahrungen gesammelt, und einen Umzug auf einen anderen Kontinent mit Familie und drei Kindern zu managen, ist auch eine Herausforderung. Als Bundesligaprofi war ich sehr viel unterwegs. Die Zeit in den USA hat uns als Familie zusammengeschweißt. Und auch wenn es finanziell für mich ein Minusgeschäft war, sage ich heute: Das war das beste Investment meines Lebens. Es ist eine Freude zu sehen, wie unsere Kinder von den Erfahrungen profitiert haben und wie gut zum Beispiel sie mittlerweile Englisch sprechen.
Dann haben Sie aber ein Jahr früher die Zelte abgebrochen, als das Angebot des VfL Wolfsburg kam.
Schäfer: Richtig. Nachdem Wolfsburg zweimal in der Relegation den Abstieg gerade noch vermieden hatte, gab es einen kleinen Umbruch. Wir haben jetzt eine tolle Konstellation und ich bin froh, dass wir sogar noch die Chance haben, die direkte Qualifikation für die Europa League zu schaffen. Das Schöne ist vor allem, dass die Mannschaft die Werte der Stadt und des Vereins widerspiegelt: Arbeit, Fußball, Leidenschaft. Das Team hat eine tolle Mentalität und oft Rückstände umgebogen. Das ist ein gutes Gefühl, unabhängig vom Tabellenstand. Es macht richtig Spaß.
Und trotzdem trennt sich der Klub am Saisonende von Trainer Bruno Labbadia.
Schäfer: Moment. Das war seine Entscheidung.
Weil der Verein kein längerfristiges Angebot gemacht hat.
Schäfer: Es war klar, dass wir uns Ende März, Anfang April zusammensetzen wollten, um über die Zukunft zu sprechen. Er ist diesem Gespräch mit seiner Entscheidung zuvorgekommen. Wir haben diese Entscheidung akzeptiert. Wir sind überzeugt, mit Oliver Glasner nun einen guten Nachfolger gefunden zu haben.
Wer wird denn nun Meister am Samstag: Borussia Dortmund oder wieder Bayern München?
Schäfer: Schon aus Eigeninteresse hoffe ich, dass es die Bayern wieder machen werden. Sie spielen gegen Eintracht Frankfurt, die ja ein Konkurrent für uns um einen internationalen Platz sind. Wir haben jetzt im letzten Saisonspiel gegen Augsburg die Chance auf Rang sechs, und die wollen wir nutzen.
International zu spielen ist durch die hohen TV-Einnahmen extrem wichtig, um konkurrenzfähig zu sein?
Schäfer: Das ist so, ja. Wenn ich mal zuhause im Spessart bin, spricht jeder über die Eintracht und die tolle Saison, die sie in der Europa League gespielt hat. Aber wenn es kann passieren, dass Frankfurt in der Bundesliga am Ende als Achter mit leeren Händen dasteht. Das zeigt, wie eng alles ist.
Verfolgt der Sportdirektor des VfL Wolfsburg eigentlich, was in der Dritten Liga passiert?
Schäfer: Wenn Sie damit die Würzburger Kickers ansprechen, dann bin ich ganz gut informiert. Co-Trainer Dennis Schmitt stammt aus meinem Heimatort Straßbessenbach und ist einer meiner ältesten Jugendfreunde. Da sich unsere Ambitionen in Wolfsburg allerdings international ausrichten, ist die Dritte Liga generell nicht so in meinem Fokus.