Er wurde tatsächlich bezaubernd, der Anfang, der dem Sprichwort nach in jedem Ende liegt: In diesem Fall der Anfang der Rückrunde für den TSV Bad Königshofen in der Tischtennis-Bundesliga gegen den TTC Fulda-Maberzell, nach dem Ende der Vorrunde mit dem Auswärtssieg in Mühlhausen. Bezaubernd aus mehreren Gründen, weil Bad Königshofen noch nie gegen den mehrfachen Deutschen Vizemeister und Pokalfinalisten mit 3:0 gewonnen hatte. Und das gelang in der Shakehands-Arena im Rekordtempo von 99 Minuten.
Es wäre wahrscheinlich wesentlich schwieriger geworden und nicht so hoch und so schnell ausgegangen, wenn die Gäste in Bestbesetzung hätten antreten können. Ihnen fehlten der erkrankte Ruwen Filus und ihr Neuzugang Wong Chun Ting aus Hongkong, der ein asiatisches Olympia-Quali-Turnier bestreiten musste. Aus demselben Grund fehlte den Königshöfern Yukiya Uda, und Martin Allegro befindet sich immer noch im Aufbautraining nach seiner Hüft-OP.
90 Lebensjahre stehen sich im ersten Einzel gegenüber
Hört sich irgendwie nach ausgeglichen gehandicapt an. Mag sein, dass es Spekulation ist. Eine Attraktion waren die diesmal "nur" rund 100 Minuten dennoch. Schon das erste Einzel besaß einen besonderen Reiz, standen sich doch 90 Lebensjahre gegenüber: 41 Jahre Bastian Steger und 49 Jahre Qing Yu Meng, Trainer und Headcoach des TTC, der für Ruwen Filus einspringen musste. Doch wer in Anlehnung an andere Sportarten Altherren-Tischtennis oder gar leichtes Spiel erwartet hatte, lag daneben.
Es hatte schon was an sich, Meng mit der Ruhe und Gelassenheit, eigentlich nichts zu verlieren zu haben, in allen drei Sätzen davon ziehen zu sehen: Im ersten Satz auf 7:1 und 10:6, im zweiten auf 4:1 und im dritten auf 9:6. Und sich am Ende doch alle drei Sätze noch nehmen lassen zu müssen. Mit 12:10, 11:7 und 11:9. Bastian Steger spielte alles andere als Harakiri. Meng zwang ihm, mit allen technischen und taktischen Finessen und körperlicher Fitness, sein Spiel auf. Und Steger konnte sich nur deshalb dreimal befreien, weil ihn schon viele solche gelungene Aufholjagden mit dem entsprechenden Selbstvertrauen ausgerüstet haben.
Kilian Ort glänzt und siegt in einem hochklassigen Spiel
Wer weiß, in welche Richtung das Spiel sonst abgedriftet wäre. Kilian Ort hatte es nämlich mit dem fünfbesten Spieler der vergangenen Saison, mit dem in Guadeloupe geborenen Franzosen Alexandre Cassin (24) zu tun, der in Topverfassung jeden TTBL-Spieler schlagen kann. Doch diese Verfassung brachte Kilian Ort an den Tisch. In diesem überaus rassigen, hochklassigen Spiel, mit allen Facetten von sensibler Technik über kraftvolle Dynamik bis zu aggressivem Angriffs-Tischtennis, dank beider Spieler. Ort fand genau die angemessene Mischung von geduldig geschupften Bällen, mit denen er sich den Gegner zurecht stellte, bis dahin, den Punkt auf kürzestem Weg einzufahren.
Orts Spiel strahlte viel Reife und Klarheit im Kopf aus. Ganz konservativ und eigentümlich für die heutige Zeit, mit welchen Lauten er sich pushte und selber lobte nach einem guten Ball. Nicht "Yes" oder jene undefinierbaren "Tschau" oder "Tschoe", woher immer sie auch kommen, sondern einfach "Gut", sein Alleinstellungsmerkmal. Würde nur noch fehlen, "Gut, Kilian."
Kilian Ort entgeht nichts
Nicht, dass er komplett fehlerlos gespielt hätte. Aber er ließ sich nicht mehr so runterziehen von Fehlern, die nur für den Laien leicht und unnötig aussehen. Auf welch psychischem Level sich solche Hochleistungssportler bewegen, mag daran zu erkennen sein, dass Kilian Ort bei 10:10 ein vor dem Tisch liegendes, von niemandem wahrnehmbares kleines Etwas entdeckte und zur Boxenumrandung weg brachte oder seine Aufschlagbewegung unterbrach, weil irgendwo in der Halle ein Kühlautomat zu laut ratterte.
Am Ende indes war alles richtig und berechtigt, wenn man gewonnen hat. Und das gelang ihm mit 3:0. Er schraubte die Führung auf 2:0 Punkte und 6:0 Sätze. So dass es nach der Pause drei Optionen für den Sieg gab: Entweder Filip Zeljko im Dreier-Einzel gegen Fan Bo Meng oder im Einser-Einzel Steger gegen Cassin oder das Doppel Ort/Zeljko gegen Vater und Sohn Meng.
Filip Zeljko brüllt seinen Befreiungsschlag in die Halle
Es gab schon zu viele Spiele beider Teams, in denen sie alle drei Optionen nicht nutzen konnten. Und so machte sich Filip Zeljko ans Werk und zeigte im ersten Satz Cassin schon mal, wo es langgeht und gewann mit 11:4. Was so leicht aussah, dass er es anscheinend selber glaubte – und den zweiten nach 7:3-Führung noch 9:11 abgab. Doch auch Zeljko ist in den siebeneinhalb Jahren beim TSV gereift, hat in der letzten Saison einen Entwicklungssprung gemacht und sich in dieser nach einer kurzen Delle wieder gefangen.
Er gewann die Sätze drei und vier jeweils mit 11:7 und brüllte so einen Befreiungsschrei in die Halle, dass es ihm hinterher selber peinlich war. Vor den beiden Herkulesaufgaben in Düsseldorf und gegen Ochsenhausen haben die Grabfelder ihre Punktgleichheit (14:10) mit dem Play-Off-Platz 4 verteidigt, ohne dass irgendjemand dieses ominöse Ziel in den Mund genommen hätte – und Klassenerhalt schon gar nicht.
Die Statistik des Spiels
TSV Bad Königshofen - TTC Fulda-Maberzell 3:0
Bastian Steger – Qing Yu Meng 3:0 (13:11, 11:7, 12:10)
Kilian Ort – Alexandre Cassin 3:0 (11:8, 13:11, 11:2)
Filip Zeljko – Fan Bo Meng 3:1 (11:4, 9:11, 11:7, 11:7)
Zuschauende: 675.
Oberschiedsrichter: Matthias Wilhelm