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Handball
Patrick Schmitt erinnert sich: So holte Sepp Schmitt den Erfolg zum HSC – mitten durch den Eisernen Vorhang
Vor 40 Jahren wechselten Vladimir Haber und Jindrich Krepindl zum HSC Bad Neustadt. Am Samstag veranstaltet der Klub das 1. Sepp-Schmitt-Gedächtnisturnier.
Patrick Schmitt ist Schirmherr des 1. Sepp-Schmitt-Gedächtnisturniers, das der HSC Bad Neustadt an diesem Samstag veranstaltet.
Foto: Martina Müller | Patrick Schmitt ist Schirmherr des 1. Sepp-Schmitt-Gedächtnisturniers, das der HSC Bad Neustadt an diesem Samstag veranstaltet.
Daniel Rathgeber
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:51 Uhr

Auf dem Tisch vor Patrick Schmitt liegen zwei Aktenordner. Darin abgeheftet: Zeitungsartikel, die den Weg des HSC Bad Neustadt von dessen Gründung im Jahr 1977 an genauso wie seinen eigenen im Handballsport nachzeichnen. An einem Blatt bleibt der 53-Jährige hängen.

Es zeigt ihn, seine Mutter Heidi und seinen Vater Josef, genannt Sepp, den Gründer, Macher und langjährigen Vorsitzenden des HSC, im Sommer 1983 an einem Bahnsteig des Hauptbahnhofs in Würzburg. Dort begrüßen sie mit einem Lächeln im Gesicht die beiden tschechischen Handballer Jindrich Krepindl und Vladimir Haber, die fortan für den damaligen Bezirksligisten spielen sollten.

"Es war für mich ein unglaublicher Moment, als diese zwei Stars damals am Bahnhof angekommen sind", erinnert sich Patrick Schmitt, damals 13 Jahre jung. Jener Tag, so Schmitt, "war der Beginn der Erfolgsgeschichte" des HSC Bad Neustadt, "der Beginn einer neuen Ära".

Haber und Krepindl sind die ersten tschechischen Handballer, die im Ausland spielen dürfen

Außerhalb der Handball-Hallen stand das Jahr 1983 für eine ganz andere Ära: Es war das Jahr, in dem die Welt so dicht vor einem Atomkrieg stand wie wohl seit der Kubakrise 1962 nicht mehr. Westen und Osten schreckten sich mit abertausenden Raketen ab und bedrohten sich. Der Eiserne Vorhang teilte Europa unerbittlich, auch die Bundesrepublik Deutschland und die Tschechoslowakei (CSSR). 

Dieses Foto erschien am 4. Juli 1983 und zeigt Vladimir Haber (von links) und Jindrich Krepindl, die von Patrick Schmitt, Sepp Schmitt und Heidi Schmitt am Bahnhof in Würzburg begrüßt werden.
Foto: Daniel Rathgeber | Dieses Foto erschien am 4. Juli 1983 und zeigt Vladimir Haber (von links) und Jindrich Krepindl, die von Patrick Schmitt, Sepp Schmitt und Heidi Schmitt am Bahnhof in Würzburg begrüßt werden.

Und doch war es Sepp Schmitt gelungen, Haber und Krepindl, die beiden Olympia-Zweiten von München 1972, von Skoda Pilsen zum HSC Bad Neustadt zu holen. Zum ersten Mal überhaupt würden "tschechische Spieler in einer bundesdeutschen Mannschaft den Ball werfen", so hieß es in jenem Artikel aus dem Jahr 1983. "Ich war damals bayerischer Außenminister", hatte Sepp Schmitt seinen Coup einmal scherzhaft kommentiert.

An diesem Samstag, 2. September, testet die Landesliga-Mannschaft des HSC Bad Neustadt beim 1. Sepp-Schmitt-Gedächtnisturnier in der Bürgermeister-Goebels-Halle gegen die SG DJK Rimpar II (15 Uhr) und die HSG Werratal 05 (16.30 Uhr). Dass der Klub seinem vor 22 Monaten gestorbenen Gründer gedenkt, "freut mich sehr", sagt Patrick Schmitt, "ich finde, es sollte nicht in Vergessenheit geraten, was mein Vater für den Klub geleistet hat."

"Es wäre schön, wenn die Halle einmal Sepp-Schmitt-Halle heißen würde."
Patrick Schmitt

Ausgestattet mit einem Vier-Jahres-Vertrag beim HSC Bad Neustadt waren Haber und Krepindl in den Zug nach Würzburg gestiegen, sich ihres Privilegs wohl bewusst. "Normale Sportler hatten keine Chance, auszureisen", erinnert sich Vladimir Haber, seit vergangenem Samstag 74 Jahre alt, im Gespräch mit dieser Redaktion. Dass er und Krepindl nach Deutschland durften, "war ein Geschenk des tschechischen olympischen Komitees, weil wir elf Jahre vorher in München die Silbermedaille gewonnen hatten".

Die kommunistischen Machthaber in Prag lassen Haber und Krepindl ihr Misstrauen spüren

Dennoch: Die Machthaber in Prag ließen die langjährigen Nationalspieler spüren, wie sehr sie ihnen misstrauten. Während Haber und Krepindl selbst alle zwei Wochen für wenige Tage in die Heimat zu ihren Familien fuhren, blieben die Besuchsmöglichkeiten in die andere Richtung eingeschränkt. Alle Vierteljahr kamen die Habers und Krepindls in Bad Neustadt zusammen, anfangs mit einer Auflage: "Ein Familienmitglied musste zu Hause bleiben, weil die tschechischen Kommunisten Angst hatten, dass wir alle in Deutschland bleiben", sagt Haber.

Vladimir Haber (vorne, Archivbild) trainierte beim Jubiläumsspiel anlässlich 40. Gründungsjahr des HSC Bad Neustadt die Allstars. 
Foto: Anand Anders | Vladimir Haber (vorne, Archivbild) trainierte beim Jubiläumsspiel anlässlich 40. Gründungsjahr des HSC Bad Neustadt die Allstars. 

Mit Mittelmann Haber und Kreisläufer Krepindl war der Weg des HSC Bad Neustadt von der Bezirksliga in die Bayernliga vorgezeichnet. Als Trainer vermittelten sie ihren Spielern – Erwachsenen wie Jugendlichen – eine ganz neue Art, Handball zu spielen. "Sie haben Wert auf Technik und auf Spielzüge gelegt", sagt Patrick Schmitt, dessen Weg unter der Anleitung der beiden tschechischen Trainer in den Kader der Jugendnationalmannschaft führen sollte. "Ja, Kraft war nicht das Wichtigste", bestätigt Haber seine Philosophie von einem durchdachten, cleveren Spiel. Nach einiger Zeit, sagt er, "waren die Spieler 30, 40 Prozent besser".

1992 kehrt Vladimir Haber noch einmal als Trainer zum HSC Bad Neustadt zurück

"Sepp war ein Klasse-Mensch, der uns bei allem geholfen hat", sagt Vladimir Haber, der sein Handball-Fachwissen inzwischen als Experte an die tschechische Fernseh-Öffentlichkeit weitergibt. Sein Status in Tschechien ist vergleichbar mit dem Heiner Brands in Deutschland. Als Spieler war er mit Dukla Prag und Skoda Pilsen zweimal Landesmeister, nahm an zwei Olympischen Spielen und zwei Weltmeisterschaften teil. In seiner Trainer-Vita stehen zehn Jahre als Coach der Nationalmannschaft der Tschechischen Republik samt vier Teilnahmen an Weltmeisterschaften und drei an Europameisterschaften. Kovopetrol Pilsen führte er 1998 und 1999 zu Titelgewinnen.

Zwischen 1992 und 1996 trainierte er ein zweites Mal den HSC Bad Neustadt. 1995 führte er den Klub zur Meisterschaft in der Oststaffel der Regionalliga Süd, in den Aufstiegsspielen zur 2. Bundesliga Süd scheiterte der HSC – mit Patrick Schmitt als Spielgestalter – am TSV Östringen, einem der Vorgängerklubs des heutigen Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen

'Die Halle war seine Heimat', sagt Patrick Schmitt über seinen im Oktober 2021 gestorbenen Vater, HSC-Gründer Sepp Schmitt (im Bild).
Foto: Tim Rathgeber | "Die Halle war seine Heimat", sagt Patrick Schmitt über seinen im Oktober 2021 gestorbenen Vater, HSC-Gründer Sepp Schmitt (im Bild).

"Vladimir und Jindrich waren Profis durch und durch", sagt Patrick Schmitt. "Aber sie waren nicht nur sportlich herausragend, sondern sind es auch menschlich." Die damals entstandenen Freundschaften, sie halten noch heute. Ende Oktober will Vladimir Haber mit seiner Familie wieder einmal nach Bad Neustadt kommen.

"Ohne Vladimir, Jindrich und meinen Vater, der ein hervorragender Manager war, wäre der Weg des HSC so nicht möglich gewesen. Sie waren die Basis für all den Erfolg, der später kam", sagt Patrick Schmitt. Wenn er einen Wunsch freihätte, dann den: "Es wäre schön, wenn die Halle einmal Sepp-Schmitt-Halle heißen würde. Es gibt keinen, der Bad Neustadt sportlich so geprägt hat, wie mein Vater. Und die Halle war wie eine Heimat."

Sepp-Schmitt-Gedächtnisturnier

Der HSC Bad Neustadt widmet seinem Gründungsvorsitzenden, dem im Herbst 2021 gestorbenen Sepp Schmitt, ein Vorbereitungsturnier seiner Landesliga-Nord-Mannschaft an diesem Samstag, 2. September, in der Bürgermeister-Goebels-Halle. Zeitplan, 14.45 Uhr: Vorstellung der Mannschaft und der HSC-Neuzugänge; 15 Uhr: HSC Bad Neustadt – SG DJK Rimpar II (Bayernliga); 16.30 Uhr: HSG Werratal 05 (Oberliga Thüringen) – HSC Bad Neustadt; 18 Uhr: SG DJK Rimpar II – HSG Werratal. Jede gekaufte Eintrittskarte nimmt ab 19.15 Uhr an der Verlosung von 2x2 Dauerkarten teil.
In der Valentin-Ballmann-Halle in Obernburg (Lkr. Miltenberg) findet am selben Tag ab 10 Uhr das Turnier für Nachwuchsteams um den "Feri-Cup" statt. Feri war der Spitzname des 2017 gestorbenen Frantisek Fabian, der die gastgebenden TuSpo-Handballer einst bis in die 2. Bundesliga geführt und später auch Jugend-Koordinator beim HSC Bad Neustadt war.
dr, urs
 
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