Was für ein magischer Abend, und das an einem Montag! Mit knapp 500 Zuschauenden war die Shakehands-Arena im Kellerduell der Tischtennis-Bundesliga zwischen dem TSV Bad Königshofen und dem TTC Zugbrücke Grenzau gut besucht. "Spannender als der Tatort gestern Abend", befand Georg Wohlfart aus Sulzfeld. "Tischtennis ist ein geiler Sport, was für ein Thriller", sagte Fußballer Christoph Rützel vom SV Rödelmaier. Und Bastian Stegers Vater Hans meinte nur: "Ein Märchen, ein Traum, dass wir das noch gedreht haben." Der TSV Bad Königshofen war nach zwei Einzeln nämlich eindeutig auf der Verliererstraße, zeigte aber eine unglaubliche Moral, drehte die Partie mit anteilmäßig erheblicher Unterstützung des Publikums noch zu einem 3:2-Sieg und nahm dadurch die Abbiegespur vom Weg zum vorletzten Tabellenplatz hin Richtung Mittelfeld.
Die Anführer Bastian Steger und Yukiya Uda fehlen dem TSV Bad Königshofen
Dabei war die Stimmung vor dem ersten Aufschlag irgendwie spürbar gedrückt. Der Grund: Der TSV Bad Königshofen musste auf Yukiya Uda und den kurzfristig erkrankten Bastian Steger verzichten, die vermeintliche Nummer eins und zwei im Team. Das bedeutete auch, dass Filip Zeljko, der bisher erfolgreichste TSV-Spieler, als Einser im vermeintlichen Schlüsselspiel den Türöffner spielen sollte gegen den Polen Maciej Kubik. Von dem er allerdings nach allen Regeln des Tischtennissports zerlegt wurde und mit 0:3 verlor. Jetzt verstand jeder, weshalb dieser Kubik den großen Patrick Franziska kürzlich geschlagen hatte. Er spielte einfach zu 100 Prozent fehlerlos, Zeljko nicht einmal schlecht, aber chancenlos.
Dann stand der im Einzel bisher sieglose Martin Allegro dem Wunderkind aus Thailand, Yi-Hsin Feng gegenüber. 10:12 verlor der belgische Kämpfer den zweiten Satz, 9:11 den fünften. Er hätte sich unsterblich machen können. Es lag zwei Mal an zwei winzigen Pünktchen, dass er ganz normal der nette, emotionale und ehrliche Martin blieb, der beim Stand von 10:8 den Satzball zum 11:8 schon gezählt bekam, ihn aber in fairer Weise zurückgab, weil er eine Kantenberührung auf seiner Seite beobachtet hatte. Der Lohn für seine Fairness blieb ihm am Ende versagt – 0:2, ein schier aussichtsloser Rückstand zur Pause für die Gastgeber.
Kilian Ort lässt nichts anbrennen und bringt Bad Königshofen zurück in Spiel
Weil ja dieser Feng noch mal ran durfte. Aber erst musste Lokalmatador Kilian Ort seine Mannschaft davor bewahren, dass die Partie bereits nach zwei Stunden beendet sein würde. Im Duell der deutschen Nationalspieler gegen den ehemaligen Jugendweltmeister Patrick Baum (35) hielt Ort der Last der Verantwortung stand, hatte jederzeit alles im Griff und gewann souverän mit 11:7/11:7/11:8. Freude und Lust der 500 Fans auf mehr solches Spitzen-Tischtennis bekamen neue Nahrung, wenigstens für das nächste Spiel. Denn da musste Filip Zeljko, im Ersten Einzel von Kubik fast gedemütigt, gegen Feng in die Box. Was wird nicht alles über Druck bei Leistungssportlern diskutiert. Wie hätte er größer sein können als bei Zeljko, der Bad Königshofen liebt wie seine zweite Heimat. Und der nicht der Loser mit zwei Niederlagen sein wollte.
Er war es nicht, bezwang diesen Yi-Hsin Feng in einem grandiosen, epischen Kampf der Emotionen und Feinkunst des Tischtennis-Sports. Wobei besonders der letzte Ballwechsel vom Allerfeinsten war und in die digitale Vereinschronik des TSV eingehen wird. 9:11, 11:7, 11:5, 9:11 und 13:12 stand es kurz nach 21.30 Uhr. Zeljko hatte zuvor einen Gesamt-Matchball abgewehrt beim Stand von 9:10. Dann konnte er drei Matchbälle für sich nicht nutzen, ehe beim 13:12 diese Rallye des Jahres mit unglaublichen Winkeln und Distanzen folgte. Beide Spieler physisch am Limit, der Taiwanese schon drüber weg, fix und fertig – hinterher. Weil Zeljko den Punkt, den Satz, das Spiel machte und den Stab an das Schlussdoppel Ort/Allegro gegen Baum/Kubik übergab.
Im Schlussdoppel spielen Kilian Ort und Martin Allegro furios auf
Und ans Publikum, das, wie der mitleidende Bastian Steger mal formulierte, "für zwei Bälle pro Satz gut" ist. Dieses TSV-Doppel sicherte nach dem Krimi gegen Grünwettersbach erneut den 3:2-Sieg. In dieser Partie ließ die Rechts-Linkshänder-Kombination den "Zugbrücklern" aus dem Westerwald nicht den Hauch einer Chance mit einem deutlichen 11:6/11:6/11:7 und verwandelte die Shakehands-Arena in ein Tollhaus, das sich hinterher lange nicht leeren wollte. Weil die Fans unglaubliche Ballwechsel und Spielstände noch zu diskutieren und sezieren hatten. Und die Abbau-Helfer alle Hände voll zu tun hatten, um die Turnhalle für den Sportunterricht am nächsten Morgen besenrein zu übergeben.
Die Statistik des Spiels
(5:11/6:11/9:11)
(11:9/10:12/11:6/4:11/9:11)
(11:7/11:7/11:8)
(9:11/11:7/11:5/9:11/14:12)
(11:6/11:6/11:7)