Es ist Aschermittwoch, 10 Uhr, Shakehands-Tischtennis-Trainingszentrum in der Martin-Reinhard-Straße in Bad Königshofen. Der mehrfache Gewinner olympischer Medaillen, Bastian Steger vom TSV Bad Königshofen, doziert und demonstriert in Wort und Tat eine bestimmte Schlagtechnik mit der Vorhandseite. Neun weibliche und männliche Spielerinnen und Spieler zwischen elf und 28 Jahren hören dem Meister gespannt zu, stellen Fragen auf Englisch. Sie kommen aus Japan, der Ukraine, Leipzig, Dresden und Bad Königshofen. Sie sind eine Trainingsgruppe von Bundesliga-Headcoach Koji Itagaki, unter ihnen der 28-jährige Koyo Iwabuchi.
Der in Tokio geborene und aufgewachsene junge Mann unterscheidet sich nur sehr unwesentlich von den anderen Teilnehmenden. Weil er eine kurze Sporthose trägt, sieht man seine von den Knien an extrem dünnen Beine fast ohne Wadenmuskulatur. Am linken eine Stützschiene und Bandagen, unterm Knie und im Sprunggelenkbereich.
Die Behinderung hat Koyo Iwabuchi seit seiner Geburt
Später erklärt er, dass er diese Behinderung seit seiner Geburt hat. Das linke Fußgelenk ist total steif, er kann den Fuß nicht abrollen, den rechten nur ein bisschen. Er bewegt sich gewiss etwas anders als die anderen. Wenn er aber am Tisch den Schläger schwingt, verlöschen diese Beobachtungen. Koyo zeigt sich sehr wissbegierig. Zwei Monate hat er schon in Bad Königshofen verbracht, um "in Europa", das bedeutet bei vielen Japanern in Bad Königshofen, "meine Fähigkeiten im Tischtennis zu verbessern."
Hierzulande würde man ihn Behindertensportler nennen, der aufgrund seines Handicaps einer bestimmten Behinderungsklasse mit so und so vielen Prozent zugeordnet wird. Koyo hat schon an zwei Olympischen Spielen teilgenommen: 2016 in Rio de Janeiro, 2021 in Tokio. "Da durfte ich bei der Eröffnungsfeier Bälle ins Publikum werfen."
Als Profi in einer Firmenmannschaft international unterwegs
In den Turnieren kam er aber beide Male nicht über die Gruppenphase in seiner Klasse hinaus. Die Frage nach seinem Beruf und wovon er lebt, scheint er etwas seltsam zu finden. "Ich bin Profi in einer Firmenmannschaft, nehme an Ligawettkämpfen, an nationalen und internationalen Turnieren teil und werde dafür von meiner Firma bezahlt."
Ganz zufrieden ist er mit dem bisher Erreichten aber nicht. Deshalb diese zwei Monate bei Lehrmeister Koji Itagaki, deshalb davor und danach Turniere in Europa, "um die europäische Spielweise der vielen Europäer in meiner Klasse zu studieren, Technik und Taktik dafür weiterzuentwickeln." Am 1. März fliegt er zurück nach Tokio. Fünf Tage später kommt er wieder nach Europa, nimmt in Spanien an einem Turnier teil.
Koyo Iwabuchi will Gold bei den Paralympics in Paris
Sein Ziel bringt er überhaupt nicht überheblich, aber klar und deutlich zum Ausdruck, was er sich bis August 2024 vorgenommen hat: "Zuerst mal will ich mich für die Paralympics in Paris", die im Anschluss an die Olympischen Spiele dort ausgetragen werden, "qualifizieren. Das dürfte aber kein Problem sein, weil ich gegenwärtig in meiner Klasse die Nummer 6 der Weltrangliste bin." Entscheidend dafür sind Punkte, die er bei den WTT-Turnieren sammeln bzw. verteidigen kann. "Es gibt bis dahin noch viele Turniere zu bestreiten." Dann wird er konkreter: "Und in Paris will ich die Goldmedaille gewinnen."
Als der TSV-Manager Andy Albert von Koyos Trainingslager im Shakehandsclub erfuhr, ließ er ihn gleich mal auf die Rangliste des TSV Bad Königshofen II setzen, was die Spielberechtigung in der Regionalliga, der vierthöchsten in Deutschland, bedeutet. Allerdings fanden bzw. finden in dieser Zeit nur an zwei Wochenenden insgesamt vier Spiele statt.
Bei seinem Einstand gleich drei Einzel und ein Doppel gewonnen
Am vergangenen Sonntag kam Koyo Iwabuchi in Thalkirchen und Gräfelfing im Münchener Süden zum Einsatz, gewann drei seiner vier Einzel an Position 3 und ein Doppel zusammen mit Christoph Schüller. Weil er von der guten Stimmung im Team mit Marcin Miszewski, Max Keller und Maximilian Dreher so begeistert war, freut er sich schon auf seine zwei nächsten und zugleich vorerst letzten Einsätze: an diesem Samstag (13 Uhr) daheim gegen Hohenstein-Ernstthal, am Sonntag (14 Uhr) in Kist bei Würzburg.
Diese beiden Gegner wissen inzwischen über Koyo Bescheid und davon, dass der sein Handicap hat und ihres darin besteht, damit erst einmal klarzukommen. Auf die Frage, ob es irgendwann ein Comeback nach Bad Königshofen für ihn geben werde, strahlt er große Vorfreude aus: "Vielleicht schon nächste Saison. Ich habe ja nur gute Erfahrungen hier gemacht. Das ist ein liebenswerter Ort, und die Menschen sind sehr freundlich. Wenn ich ein Turnier in Europa spiele, komme ich bestimmt auch wieder mal zum Training bei Koji vorbei."