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Tischtennis: Bundesliga
Interview: Timo Boll über Olympia und die Partie in Bad Königshofen
Der Silbermedaillengewinner von Tokio gastiert am Dienstag mit Borussia Düsseldorf bei Bundesligist TSV Bad Königshofen und spricht im Interview über die Faszination Olympia.
Timo Boll, hier beim Finale in Tokio, freut sich auf Dienstagabend und die Atmosphäre in der Bad Königshöfer Shakehands-Arena.
Foto: Swen Pförtner | Timo Boll, hier beim Finale in Tokio, freut sich auf Dienstagabend und die Atmosphäre in der Bad Königshöfer Shakehands-Arena.
Rudi Dümpert       -  SONY DSC
Rudi Dümpert
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:33 Uhr

Unter normalen Bedingungen hätten sie beim TSV Bad Königshofen für das Match gegen Borussia Düsseldorf (Dienstag, 19 Uhr) statt der genehmigten 250 Karten locker das Fünffache oder mehr verkaufen können. Seit der Spielplan für die neue Saison steht, heißt es in der Kleinstadt und der Region "Wann kommt Düsseldorf?" und dann gleich "Ist Timo Boll dabei?" Borussia Düsseldorf, seit 2006 mit Spitzenspieler Boll, ist unter anderem 32-facher deutsche Meister. Boll, mittlerweile 40 Jahre alt und sechsfacher Olympiateilnehmer, spricht vor der Bundesliga-Partie von seinen Erlebnissen bei den Spielen in Tokio, den Gewinn der Silbermedaille mit dem Team und der Motivation, 2024 in Paris als 43-Jähriger noch einmal dabei zu sein.

Die Tischtennis-Region Unterfanken ist gespannt: Darf man damit rechnen, dass Sie am Dienstag zum dritten Mal in der Shakehands-Arena im Trikot von Borussia Düsseldorf einlaufen werden?

Timo Boll: Ich bin zumindest geplant, sofern ich fit bin. Ich komme immer wieder gern nach Bad Königshofen, habe dort schon tolle Spiele und tolle Stimmung erlebt. Freilich wird's diesmal anders sein. Aber es dürfen wenigstens ein paar Fans zuschauen, dadurch fällt es uns Spielern auch leichter. Es ist immer ein schweres Duell für uns und deshalb müssen wir in Bestbesetzung antreten.

Sie sind bis auf neun Tage genau so alt wie ihr Kumpel Bastian Steger vom TSV Bad Königshofen. Ist der Jahrgang 1981 ein so guter oder was muss passen, dass man seinen Sport so lange auf diesem Niveau ausüben kann?

Boll: Der 'Baschterl' fasziniert mich immer wieder und ich habe das Gefühl, er ist noch wesentlich geschmeidiger als ich. Wir beide nehmen den Sport sehr ernst, haben uns immer diszipliniert verhalten und immer fit gehalten. Deshalb können wir auch so lange spielen und ich denke, man sieht uns den Spaß auch an. Das ist auch das Wichtigste, um gute Leistungen auf hohem Level zu bringen.

Timo Boll und sein Kumpel aus Bad Königshofen: Basti Steger (rechts)
Foto: Rudi Dümpert | Timo Boll und sein Kumpel aus Bad Königshofen: Basti Steger (rechts)
Sie hatten von 2015 bis 2017 eine langwierige Verletzung. Dass Sie wieder so stark zurückgekommen sind, kann vielen Sportlern, die Mitte 30 sind, Mut machen. Wie haben Sie das geschafft?

Boll: Als Leistungssportler muss man sich immer wieder anpassen an neue Gegebenheiten. Nach der Knieoperation musste ich mein Training umstellen. Nach den Rückenproblemen habe ich immer wieder neue Lösungen gesucht und auch meistens gefunden. Man darf nicht immer am alten System festhalten, sondern muss immer wieder neue Wege finden, um das Level mitgehen zu können.

Sie haben in Ihrem Leben ungeheuer viel erreicht. Dennoch stand noch ein Ziel offen. Hat man Ihnen das in den Mund gelegt oder wollten Sie tatsächlich noch bei den Olympischen Spielen in Tokio eine Einzelmedaille gewinnen?

Boll: Klar, wenn man an Olympia teilnimmt, dann träumt man doch immer davon, eine Einzelmedaille zu gewinnen. Ich war ja auch gut in Form, habe drei Wochen vorher die EM gewonnen. Die Auslosung war dann aber doch bitter, dass ich im Viertelfinale auf den Chinesen Fan Zhendong treffen würde, gegen den ich noch nie gewonnen habe. Und auch der Koreaner Jung Young-sik war mit das Schwerste, was kommen konnte. Ich habe alles probiert, es hat nicht geklappt. Dann kann ich damit auch gut leben, wenn der andere an dem Tag einfach stärker war. Dann habe ich auch den Respekt vor meinem Gegner. Ich habe mich aber auch sehr über die Team-Silbermedaille gefreut. Ich denke, ich habe meinen Beitrag dazu geleistet, alle meine Spiele im Einzel und Doppel gewonnen bis zum Finale. Wenn ich in der Mannschaft ein wichtiges Spiel verloren hätte, dann hätte mir das mehr weh getan als im Einzel. Da bin ich nur für mich selbst verantwortlich. In der Mannschaft ist es schöner, zusammen zu gewinnen, und härter, zusammen zu verlieren.

Nach vorher schon fünf Teilnahmen an Olympischen Spielen hätten Sie eine Absage doch sicher am entspanntesten verkraftet oder täuscht das? Hielten Sie die Durchführung der Spiele für richtig oder eher kritisch?

Boll: Man hat ja nie gewusst, ob sie sicher stattfinden werden. Ich habe mich seriös vorbereitet, als wenn sie stattfinden. Für diejenigen, die so lange dafür gearbeitet, viel geopfert, Beruf und Studium zurückgestellt haben, bin ich schon froh, dass sie stattgefunden haben, auch ohne Zuschauer. Da wären sonst viele Lebensträume zunichte gewesen. Ich war in der luxuriösen Situation, schon fünf Mal dabei gewesen zu sein. Für mich wär´s nicht ganz so dramatisch gewesen. Am Ende konnten wir zum Glück etwas Sport- und Tischtennis-Euphorie rüberbringen.

Wie haben Sie Olympia unter dem Damokles-Schwert von Corona erlebt? Sightseeing oder Kontakt mit der Bevölkerung waren ja nicht möglich.

Boll: Vieles war viel steriler als sonst. Wir wurden angehalten, wenig Kontakt mit anderen Sportlern, auch aus anderen Sportarten, zu suchen. Ein bisschen Kontakt gab´s mit den Handballern auf unserem Flur. Das sind gute Jungs, mit denen man viel Spaß haben kann. Aber sonst durften wir zu keinen Events und das Olympische Dorf nicht verlassen. Wir haben aber eh von Anfang bis Ende gespielt und da ist man immer konzentriert auf seinen eigenen Wettkampf. Von daher war man in seiner normalen Routine wie bei einem normalen Turnier.

Zwei Mal spielte Timo Boll bereits in Bad Königshofen.
Foto: Rudi Dümpert | Zwei Mal spielte Timo Boll bereits in Bad Königshofen.
Sydney 2000 als 19-Jähriger, dann Athen, Peking, London, Rio und mit 40 Tokio. Was ist gleich geblieben an Olympischen Spielen, was hat sich am meisten verändert?

Boll: Die Vorfreude auf die ersten Spiele war am größten. Das war ein besonderer Moment, als man sich zum ersten Mal qualifiziert hatte. Da war alles neu, alles super spannend. Das war unvergleichlich. Sydney war auch toll für mich, mal ein komplett anderer Kontinent, den ich gar nicht kannte. Das war eine tolle Reise, auch in die Outback. Ich habe für meine Verhältnisse damals gut gespielt, einen Top-10-Spieler geschlagen. In Athen habe ich im Viertelfinale gegen Waldner verloren, die Chance auf eine Einzelmedaille verpasst. Es war die härteste Niederlage in meiner Karriere, weil ich ihn kurz vorher geschlagen hatte und nachher wieder. Peking, tolles Erlebnis in dem Tischtennis-Land. Schöne Stimmung auch in London. In Rio noch ´ne Medaille und jetzt mit 40 noch eine zu gewinnen, das hätte ich mir nie träumen lassen. Insofern hat sich nicht so viel verändert. Es prickelt schon jedes Mal vor Olympischen Spielen.

War's das mit Olympia? Immerhin liegt Paris ja nur noch knapp drei Jahre entfernt?

Boll: Auf der einen Seite ist Paris nicht weit weg. Auf der anderen Seite sind mit 40 drei Jahre sehr lang, länger als für einen 20-Jährigen. Deshalb würde ich mich darüber freuen, wenn ich es noch schaffen könnte. Ich will´s nicht komplett ausschließen. Auf der anderen Seite hoffe ich auch, dass mich irgendwann mal ein jüngerer deutscher Spieler ablöst. Ich habe weiterhin Spaß am Sport und sehe mich nicht gezwungen aufzuhören. Wenn´s für Paris reicht, wäre toll. Wenn nicht, geht für mich auch einmal ein anderes Leben los. Da freue ich mich auch drauf. Wann das sein wird, steht noch nicht fest. Das muss ich einfach persönlich spüren.

Nimmt man dazu die vielen Teilnahmen an WM, EM, der Championsleague... Wie bringt man die Motivation auf, an einem Dienstagabend in einem kleinen Ort wie Bad Königshofen Tischtennis zu spielen?

Boll: Motivation ist der Spaß an dem Sport. Mir macht auch ein Trainingsmatch sehr viel Spaß. Da kann ich nervös werden, weil ich da auch unbedingt gewinnen will. Der Ehrgeiz ist einfach in mir drin. Auf der anderen Seite sehe ich es nicht zu verbissen und das ist, glaube ich, eine gute Kombination, um nicht ausgelaugt zu sein und weiterhin Freude am Spiel zu haben. Mit dieser Einstellung bin ich die letzten Jahrzehnte gut gefahren.

Zur Person: Timo Boll

Timo Boll ist der bisher erfolgreichste deutsche Tischtennisspieler. Er war drei Mal (2003, 2011 und 2018) die Nummer 1 der Weltrangliste, so dass ihn sich sogar die Chinesen einmal in ihre Super League holten. Er ist im Land des Tischtennis-Dauerweltmeisters als einer der populärsten Deutschen überhaupt. Der 40-Jährige, der auch durch sein unbedingtes Fairplay bekannt ist, nahm an sechs Olympischen Spielen teil und trug 2016 in Rio die deutsche Fahne bei der Eröffnungsfeier. Neben fünf olympischen und acht WM-Medaillen gewann er acht Mal Gold als Einzel-Europameister und sieben Mal mit dem Team.
Geboren wurde er 1981 in dem Odenwald-Städtchen Erbach. Überaus geschätzt und beliebt ist Deutschlands Mister Tischtenns nicht nur wegen seiner überragenden Erfolge, sondern auch wegen seiner Bodenhaftung. Eine Wahl zum Sportler des Jahres verhinderte vielleicht nur, dass Tischtennis in Deutschland al Randsportart gilt.
Quelle: rd
 
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