
Fast acht Jahre lang hat er nicht Fußball gespielt. Wegen einer schweren Knieverletzung, die sein Aus als Profi besiegelt hat. Jetzt will er sich einen Traum erfüllen und noch einmal für seinen Heimatverein spielen. Oder öfter, so es seine Zeit zulässt. Der Spielerpass von Benjamin Schöckel liegt seit kurzem wieder in der Mappe der DJK Leutershausen, die zusammen mit dem SV Burgwallbach in der Kreisliga Rhön eine Spielgemeinschaft bildet.
„Er hat bei mir angerufen und gefragt, ob er wieder mitkicken könnte“, sagt Jürgen Tripp. Selbst als er einige Tage später von diesem Gespräch erzählt, meint man, aus seiner Stimme heraushören zu können, wie unglaublich dem Fußball-Abteilungsleiter der DJK Leutershausen der Anruf von Schöckel damals erschienen sein muss. „Wir sind natürlich überglücklich darüber, dass Benni wieder für uns spielen will. Wie oft, das ist halt die Frage. Er lebt ja in Berlin.“
Es ist ruhig geworden in den letzten Jahren um Benjamin Schöckel. Der 36-Jährige studiert in Potsdam Lehramt für Mathematik und Deutsch. Statt Deutsch soll es künftig Sport sein. Falls der Körper mitspielt. Dass er es tun wird, ist sich Benjamin Schöckel sicher. Das war nicht immer so. Seine Karriere als Fußballprofi war gekennzeichnet von langwierigen Verletzungen und der oft nagenden Ungewissheit, ob und wie es weitergehen könnte und würde.
Über die DJK Leutershausen, den SV Sportfreunde Bad Neustadt und den FC Schweinfurt 05 kam Benjamin Schöckel zum FC Bayern München. Dort wurde er zum deutschen U 16-Nationalspieler. Der Klub erwies sich für den Rechtsverteidiger als das erhoffte Sprungbrett in den Profifußball. Beim VfR Aalen wurde er zum Stammspieler, mit dem FC Energie Cottbus stieg er 2006 in die Bundesliga auf. Ein 45-minütiger Einsatz auf dem Tivoli bei Alemannia Aachen machte Benjamin Schöckel zum ersten aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld stammenden Erstligaspieler.
Eine hartnäckige Schambeinentzündung und ihre Folgen zwangen Schöckel zu langen Pausen, der Vertrag in Cottbus wurde nicht verlängert, das eine Jahr ohne Einsatz beim SV Wehen-Wiesbaden war ein verlorenes. Halt fand Benjamin Schöckel wieder am Rand der Schwäbischen Alb, beim Drittligisten VfR Aalen. Dort hatte sein früherer Trainer in Cottbus, Petrik Sander, das Sagen. Er setzte auf Schöckel. Der fand die Lust am Fußball wieder und zurück zur alten Leistungsstärke. Stammspieler war er, verpasste nur ein Spiel. Wegen einer Gelbsperre. Und dann kam das Spiel gegen Dynamo Dresden. „Es war am 7. April 2009, ich kann mich ganz genau an dieses Datum erinnern“, sagt Benjamin Schöckel. Einen Knorpelschaden im linken Knie trug er davon. „Dazu kam, dass in der Kapsel eine Vernarbung war.“
Alle Therapieansätze schlugen fehl, Benjamin Schöckels Karriere als Profifußballer endete an jenem Dienstagabend in Aalen, an dem eine neue Leidenszeit begann. „Ich hatte sogar Schmerzen, wenn ich nur eine halbe Stunde gesessen bin“, erinnert er sich. Sechs Knieoperationen musste er über sich ergehen lassen, „in einem Jahr bin ich dreimal operiert worden.
“ Erst die letzte brachte den Erfolg. Vor zwei Jahren entfernte der Mannschaftsarzt der deutschen Ski-Nationalmannschaft, Peter Brucker, die Vernarbung. Ein ungewöhnliches Vorgehen, das Benjamin Schöckel ein gutes Stück Lebensqualität zurückgebracht hat. „Ich war fast sieben Jahre lang sportabstinent. Eine schwierige Zeit, weil ich leidenschaftlich gern Sport getrieben habe.“
Heute kann er mit seiner Frau Laura, einer promovierten Naturwissenschaftlerin, durch die Parks und um die Seen in Berlin-Lichtenberg joggen. Oder in der Kunstrasenhalle des Sportforums Hohenschönhausen, ganz in der Nähe seiner Wohnung, mit Freunden kicken. Kürzlich hat er in Cottbus bei einem Benefiz-Hallenturnier mitgespielt. „Danach hatte ich eine Woche lang Muskelkater“, sagt Schöckel und lacht, „aber es ist einfach unglaublich, dass ich wieder Fußball spielen kann.“
Mit dem Fußball hat Benjamin Schöckel noch seine persönliche Rechnung offen. „Weil ich damals nicht selbst bestimmen konnte, wann ich aufhöre.“ Im Trikot seines Heimatvereins will er sie bald begleichen. Oben an der Querbachshofer Straße, wo vor knapp 30 Jahren alles begann. Wo er mit seinem Vater Alfred als Trainer die ersten Schritte in Fußballschuhen lief. „Ich kenne den Platz noch sehr gut“, sagt Benjamin Schöckel. „Es hört sich vielleicht komisch an. Aber diesen Traum, noch einmal dort für meinen Heimatverein zu spielen, würde ich mir gerne erfüllen.“
Derjenige, der darüber entscheiden wird, ob er in Erfüllung geht, ist Matthias Stumpf, der Trainer der SG Burgwallbach/Leutershausen. „Ich freue mich auf Benni Schöckel“, sagt er. Die beiden haben telefoniert, Stumpf weiß um die Pläne Schöckels und ist sich sicher, dass „er uns weiterhelfen kann.“ Kennenlernen werden sie sich nächsten Freitag, wenn Schöckel zum ersten Mal mit der Mannschaft trainieren wird. Die fußballerischen Qualitäten Schöckels stehen für Stumpf außer Frage. Darüber hinaus setzt er auf die Vorbildfunktion des ehemaligen Bundesligaspielers. „Ich erhoffe mir einen Schub für meine jungen Spieler, eine Extra-Motivation“, sagt Stumpf.
Und ergänzt – für ihn charakteristisch – trocken: „Wir haben vier Langzeitverletzte. Ein Spieler mehr schadet uns nicht.“
Bodenständig ist Benjamin Schöckel immer geblieben. Dass die Aufstellung Sache des Trainers ist, weiß er. „Wenn ich zuhause bin und benötigt werde“, stehe er bereit, formuliert er defensiv keine Ansprüche. Zu sagen, er möchte in einem Kreisligaspiel eingesetzt werden, „das wäre vermessen.“ Seinen Traum zu benennen, scheut er sich nicht. Am 26. März empfängt die SG Burgwallbach/Leutershausen den VfL Sportfreunde Bad Neustadt, nach der Fusion der Klubs gewissermaßen die zweite Station in Schöckels Karriere. „In Leutershausen.“ An diesem Tag würde Benjamin Schöckel gerne seine Rechnung mit dem Fußball begleichen.