Minutenlang sprach Robert Palikuca nach dem Abpfiff an der Seitenlinie mit Kapitän Hanno Behrens, Sky wartete am Montagabend deshalb vergeblich auf das zugesagte Interview mit dem Sportvorstand des 1. FC Nürnberg. Da konnte man schon erahnen, dass die 1:3 (0:3)-Niederlage beim VfL Bochum nicht ohne Folgen für Trainer Damir Canadi bleiben würde. Nur eines der letzten neun Pflichtspiele hat der Club unter der Regie des 49-Jährigen gewonnen, das stolze 4:0 in Hannover erwies sich letztlich als Eintagsfliege. Am Dienstagmittag teilte der FCN mit, dass er Canadi freigestellt habe.
Dabei hatte Behrens, der in der desaströsen ersten Spielhälfte in Bochum selbst mal wieder nicht die beste Figur abgegeben hatte, seinen Coach in der Öffentlichkeit noch in Schutz genommen: "Die Erfolge sind nicht da, aber das am Trainer festzumachen, ist zu einfach." Die Club-Fans aber hatten schon genug vom Trainer. "Canadi raus"-Sprechchöre gellten nach dem Spiel durch das Ruhrstadion. In den Sozialen Medien wurde die Beurlaubung des Trainers überwiegend als überfällig bezeichnet.
Dichter an der Kellerzone als an den Aufstiegsrängen
Auch Palikuca hatte wohl den Glauben daran verloren, dass es seinem einstigen Wunschtrainer für den Neuaufbau nach dem Bundesliga-Abstieg noch rechtzeitig gelingen würde, eine funktionierende Mannschaft auf den Platz zu bringen. Mittlerweile steht der Club dichter an der Kellerzone der 2. Bundesliga als an den Aufstiegsrängen. "Wir haben uns nach der Rückkehr aus Bochum zusammengesetzt, die Situation selbstkritisch und ehrlich analysiert und sind gemeinsam zu dem Entschluss gekommen, dass es der richtige Schritt ist, die Zusammarbeit zu beenden", erklärte Palikcuca auf der Webseite des Vereins.
Auch Canadi äußerte sich: "Es war ein offenes Gespräch, in dem wir die Entwicklungen kritisch bewertet haben und am Ende der Meinung waren, dass es im Interesse des Vereins ist, der Mannschaft einen neuen Impuls zu geben." Nur zwölf Punktspiele war Canadi in Nürnberg im Amt. Bei Atromitos Athen hatte er es zuletzt volle zwei Jahre ausgehalten und den Klub zwei Mal in den Europapokal geführt. Bei Traditionsvereinen scheint sich der selbstbewußte Österreicher jedoch generell schwer zu tun. Rapid Wien entließ ihn 2017 auch schon nach 14 Spieltagen.
Seit der zweiten Halbzeit gegen Regensburg ging die Leistungskurve rapide abwärts
Auch dort machten wie zuletzt in Nürnberg Gerüchte über Differenzen zwischen ihm und Spielern die Runde. Wie zuvor Rapid hatte Canadi den Club erfolglos auf eine Dreierabwehr und schnelles Spiel in die Spitze umstellen wollen. Er kehrte nach Schwierigkeiten zwar pragmatisch wieder zur klassischen Viererkette zurück. Das Problem von zu leichten und zu vielen Gegentoren (22 bisher) bekam er damit aber nicht gelöst. In einigen Spielen gab es für gute Auftritte deshalb schlechte Ergebnisse, aber in der zweiten Halbzeit gegen Regensburg und danach beim Pokal-Aus in Kaiserslautern ging die Leistungskurve rapide abwärts. Und die strittigen Personalentscheidungen nahmen zu. Mit seinem Lieblingsspieler Lukas Jäger als Rechtsverteidiger lag Canadi in Bochum voll daneben.
Sein Kredit war aufgebraucht. Mit ihm verlässt auch sein niederländischer Co-Trainer Eric Orie den Valznerweiher. Wie es mit Canadis weiterem Stab aussieht und ob Individualcoach Matthias Berthold, der frühere Alpin-Trainer, weiter an Bord bleibt, war am Dienstag noch offen. Auf das schwere Heimspiel am Sonntag (13.30 Uhr) gegen den Tabellenzweiten Arminia Bielefeld wird Vereinsikone Marek Mintal die Mannschaft vorbereiten. Unterstützt wird der ehemalige Torjäger von Ahmet Koc, der auch bei der Nürnberger U21 sein Co-Trainer ist.
Der neue Trainer, den Palikuca nun sucht, wird nach der Länderspielpause am Sonntag, 24. November, im Derby bei der Spvgg Greuther Fürth seinen überaus pikanten Einstand erleben. Es wird dann schon der vierte Trainer nach Michael Köllner, Boris Schommers und Canadi sein, den der Club in diesem Jahr benötigt. Nürnberg bleibt ein heißes Pflaster für Übungsleiter, obwohl Palikuca vor der Saison mit einem Zwei-Jahres-Plan zum Wiederaufstieg versucht hatte, den Druck zu mindern. Mögliche Kandidaten gibt es viele, einen zweiten Fehlschlag kann sich der selbst erst seit Mai amtierende Sportvorstand nicht leisten.
Das Maß war einfach voll: Kommentar zur Canadi-Beurlaubung