"Sorry, die Haare sind noch ein bisschen nass. Ich komme gerade aus der Dusche." Alex Bregenzer, dunkelblaues Sweatshirt, dunkelblaue Kappe, macht einen gut gelaunten Eindruck, als er sich mit dieser Redaktion zum Video-Telefonat trifft. Der Zellinger (Lkr. Main-Spessart) Radsportler, der inzwischen in Würzburg wohnt, ist erst wenige Tage zurück aus Italien. Er war zum Trainingslager in Alassio in Ligurien. "Das ist mein Ort, in den ich seit mehreren Jahren regelmäßig fahre. Man kann ihn gut mit dem Auto erreichen, hat relativ stabiles Wetter. Keine drei Grad und Nebel wie in Deutschland", sagt der 25-Jährige.
Hinter dem Radsportler, der seine Rennen eigentlich auf dem Mountainbike fährt, liegen aufregende Monate. Das frischste Erlebnis: Der zweite Platz im Januar bei der deutschen Meisterschaft im Cyclocross. Diese Disziplin hat Bregenzer im vergangenen Jahr für sich entdeckt. Cyclocross wird auf Rundkursen ausgetragen, die meist unbefestigt sind. Wiese, Sand, solche Untergründe. Die Fahrräder ähneln Rennrädern, aufgezogen sind allerdings Stollenreifen.
"Ich war bei der deutschen Meisterschaft ein Stück weit der Underdog und bin aus der letzten Startreihe losgefahren, weil ich vorher erst drei Rennen in der Disziplin gefahren war", berichtet Bregenzer. "Die deutsche Meisterschaft war mein erstes Rennen, an dem die gesamte deutsche Konkurrenz teilgenommen hat." Es lief trotzdem überraschend gut für ihn. "Das habe ich so auch nicht erwartet", gibt Bregenzer zu. "Ich hatte zwar gut trainiert, aber es lag nicht mein Hauptaugenmerk darauf."
Das lag an einem besonders kleinen Menschen im Haushalt des 25-Jährigen. Bregenzer und seine Freundin sind seit dem 28. November 2023 stolze Eltern einer Tochter. "Ich konnte relativ gut schlafen, weil sie auch gut schläft", sagt der Papa schmunzelnd. "Aber da hat man natürlich viel Umstellung im Leben."
Umstellung nach der Geburt seiner Tochter
Weit weniger erfreulich waren derweil andere Erlebnisse für Bregenzer im vergangenen Jahr. Das habe zwar zunächst recht positiv begonnen, sagt er. So sei er im Februar und März mehrere "richtig gute" Mountainbike-Rennen gefahren, bei einem internationalen Wettkampf einmal sogar Dritter geworden. Dann aber "hat es mich quasi komplett verraucht". Er habe jeden Monat Erkältungen gehabt, "aus dem Nichts". Offenbar hatte Long Covid Bregenzer erwischt.
Sobald er draußen die Jacke mal ein Stück zu weit offen gehabt habe, habe er abends schon gemerkt, dass es schwierig werde. "Und am nächsten Tag waren meine Mandeln dick, und die Nase ist gelaufen", schildert Bregenzer. Selbst wenn er vermeintlich gesund war, sei er für die Ansprüche eines Leistungssportlers eben nicht gesund gewesen. "Ich konnte im Wettkampf meine Leistung überhaupt nicht abrufen."
Dieser Zustand habe es ihm schwergemacht, überhaupt an Wettkämpfen teilzunehmen, geschweige denn gute Ergebnisse einzufahren. "Da war die Möglichkeit, überhaupt für Olympia infrage zu kommen, dahin."
Erkrankung war eine große mentale Herausforderung
Eine Qualifikation für Paris wäre auch ohne die Erkrankung "extrem, extrem schwierig" gewesen, sagt der 25-Jährige, weil es für Mountainbiker aus Deutschland nur zwei Startplätze gebe. "Es gibt einen deutschen Fahrer, der auf Weltklasse-Niveau ist. Der ist auf einem anderen Level." Danach komme ein deutsches Quartett, das um den zweiten Platz kämpfe. "Da gehöre ich aktuell nicht dazu", sagt Bregenzer. Zwar sei er 2022 mal "dran gewesen", die Erkrankung aber habe den Olympia-Traum endgültig zerstört.
Mental war die Phase eine große Herausforderung für Bregenzer. "Es war echt zäh", betont er. "Ich habe versucht, alle Hebel in Bewegung zu setzen. Ich dachte, es liegt vielleicht an meiner Ernährung, oder ich habe irgendwelche Mangelerscheinungen, irgendwas im Blut. Es war so richtig nichts zu finden." Ärzte in der Uniklinik in Tübingen haben Bregenzer dann von Sportlern erzählt, denen es nach Corona-Erkrankungen ähnlich gegangen sei.
Ob es auch bei ihm Long Covid war, weiß der 25-Jährige letztlich nicht genau. Es sei schwierig, herauszufinden, was im Endeffekt die Ursache für seine Beschwerden war. "Ich war einfach nicht fit. Das hat es mir extrem schwer gemacht. Ich habe mich gefragt, was ich denn eigentlich hier mache." Und anfangen, an sich zu zweifeln. Zudem habe er bemerkt, wie er teilweise hypochondrisch geworden sei. "Ich habe mir vielleicht auch Sachen eingebildet", meint Bregenzer. "Aber Fakt war, dass ich wirklich krank wurde. Das war echt scheiße."
Platzen des Traums ist mittlerweile verarbeitet
Verschwunden seien die Symptome dann mit der Zeit beinahe von alleine. "Ende April und im Mai war ich mal richtig platt. Da habe ich ein paar Wochen nicht mehr auf dem Rad gesessen und versucht, mich ein wenig zu erholen." Erst im Juni habe er wieder angefangen, strukturiert zu trainieren. "Das hat es über lange Sicht besser gemacht", sagt Bregenzer. Aus dem Tief herausgestrampelt habe er sich letztlich, weil er die richtigen Entscheidungen getroffen und den Leistungsgedanken zurückgestellt habe.
Nun fährt der Zellinger im Juli also nicht nach Paris. Aber so richtig schlimm sei das gar nicht, gesteht er. "Ich bin da nicht mehr arg böse drum, weil es wirklich zäh war und sich mein Fokus verschoben hat." Jetzt hat Bregenzer eine kleine Tochter. Und wenn die lacht, ist sowieso alles gut, sagt er.