Am dritten September-Wochenende soll in den Handball-Bayern- und Landesligen der Spielbetrieb beginnen. Manche Teams in den Klassen befinden sich schon seit Monaten im Training zur Vorbereitung auf den Wiedereinstieg nach dann fast elfmonatiger Punktspielpause, die im November 2020 zu Beginn der zweiten Coronawelle begonnen hatte.
Anderswo stehen hinter dem Einstieg eine Reihe von Fragezeichen. So wie beim TSV Lohr, dessen erste Mannschaft in der Bayernliga an den Start gehen soll und dessen Reserve in der Landesliga. Bayernliga-Heimspiele waren in den Vor-Coronazeiten ein Treffpunkt in der Kleinstadt, zu denen an Samstagabenden schon mal 500 Zuschauer oder mehr kamen. Ereignisse, an denen auch so mancher zugegen war, der selbst gern gesehen werden wollte. Doch das letzte Bayernliga-Spiel vor voller Spessarttorhalle ist schon 17 Monate her.
Impfen statt Sport in der Spessarttorhalle
Für die TSV-Teams in Bayern- und Landesliga ist das Training derzeit nur eingeschränkt möglich, weil in der eigentlichen Spielstätte der TSV-Handballer, der Spessarttorhalle, das Corona-Impfzentrum des Landkreises Main-Spessart untergebracht ist. Alternativ gibt es die Nägelseehalle, in der Maximilian Schmitt, Trainer des Bayernliga-Teams, bislang für seine Einheiten allerdings jeweils nur eine Hallenhälfte zur Verfügung gestellt bekam.
Nun geht erst einmal wieder gar nichts in der Nägelseehalle, für die sich ein Zweckverband mit Vertretern des Landkreises und der Stadt verantwortlich zeichnet. "Stand jetzt ist die Nägelseehalle die ersten drei Ferienwochen zu, dann können wir zwei Wochen ohne Harz trainieren, weil keine Reinigungskräfte da sind. Dann eine Woche mit Harz", so Sven Lehmann, Mitglied des Handball-Beirats, zuständig für die erste Männermannschaft. Und was in der ersten Woche nach den Ferien passiere, also den Tagen vor dem ersten Saisonspiel, ist noch nicht geklärt. Auch könnten derzeit noch keine Spieltermine für die Runde vereinbart werden, da nicht klar sei, wie sich die Hallensituation nach den Ferien entwickele.
Große Enttäuschung bei den TSV-Handballern
"Ich bin maximal enttäuscht", sagt Lehmann über die Entwicklung. Schließlich sei den TSV-Handballern bei der Errichtung des Impfzentrums in der Spessarttorhalle von Seiten der Politik Unterstützung zugesagt worden. "Wir haben eine Bayernliga- und eine Landesliga-Mannschaft, die eigentlich drei- oder viermal pro Woche trainieren müssten. Ich bin jetzt soweit, dass ich versuche, Trainingsmöglichkeiten in Rimpar, Waldbüttelbrunn oder Marktheidenfeld zu bekommen. Wobei wir nach Rimpar oder Waldbüttelbrunn 40 Kilometer Anfahrt hätten", erklärt Sven Lehmann, dass demnächst Übungseinheiten bei Ligakonkurrenten stattfinden könnten.
Unterstützung erhält Lehmann vom Bezirksvorsitzenden des Bayerischen Handball-Verbands, Klaus Sieß: "Für Mannschaften, die in der Bayern- oder Landesliga spielen, bedeutet eine solche Situation wie in Lohr eine massive Wettbewerbsverzerrung."
Die Einschränkungen gelten nicht nur für die drei Männermannschaften und das eine Frauen-Team des TSV. Betroffen sind auch die Jugendteams, von denen es vor Beginn der Corona-Pandemie acht gegeben hat. "Es geht um den Bestand des Handballs in Lohr als solchem", betont Lehmann. Denn das Bayernliga-Team lege durch seine Sponsoreneinnahmen auch die Basis für eine funktionierende Nachwuchsarbeit: "Die erste Mannschaft ist das Zugpferd und ermöglicht durch ihre Öffentlichkeitswirkung den Jugendspielbetrieb in der Form, wie wir ihn in unserer Abteilung haben."
"Die Bayerische Staatsregierung ruft Vereine dazu auf, Kinder und Jugendlichen Bewegung zu ermöglichen", betont Lehmann. "Wir haben jetzt drei Handball-Tage an Grundschulen veranstaltet und insgesamt 29 Kinder dafür gewonnen. Doch für diese Kinder haben wir keine oder nur unzureichende Trainingsmöglichkeiten. Es gibt Jugendliche, die bereit wären, viermal pro Woche zu trainieren, aber wir können ihnen das nicht anbieten." Es gehe, so Lehmann, gegenwärtig um den Bestand der Handball-Abteilung in ihrer gegenwärtigen Form, weil eine weitere Saison fast ohne Wettkampf- und Trainingsbetrieb – wie die vergangene – kaum mehr durchzuhalten sei. "Irgendwann wird auch von den Sponsoren nichts mehr kommen, wenn es keine Aktivitäten gibt."
Eine mögliche Rettung könnte die Wiedereröffnung der Spessarttorhalle für den Sportbetrieb sein. Lehmann führt aus, dass es angesichts der Tatsachen, dass es weniger Impflinge als im Frühjahr gebe und die Verabreichung der Vakzine in großer Zahl von Haus- und Betriebsärzten übernommen worden sei, kein Zentrum von der Größe der Spessarttorhalle mehr brauche. Bisher habe die Handball-Abteilung aber keine Signale der Politik erhalten, dass eine Öffnung geplant sei.
Suche nach alternativem Standort für das Impfzentrum
Allerdings gibt es solche Gedankenspiele, wie das Landratsamt in Karlstadt auf Anfrage dieser Redaktion wissen lässt. "Mir ist insbesondere die Jugendarbeit in den Vereinen ein großes Anliegen", antwortet Landrätin Sabine Sitter (CSU) auf die Anfrage. Allerdings habe der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann Anfang dieser Woche verkündet, dass die Impfzentren im Freistaat bis mindestens 30. April 2022 weiter betrieben werden sollten. Derzeit sei der Betrieb des Impfzentrums in der Spessarttorhalle bis Ende September geplant. Ob nach diesem Termin die Halle wieder für den Schul- und Vereinssport genutzt werden könne, sei noch nicht abschließend geklärt und hänge von vielen Stellen ab.
"Seit mehreren Wochen sind Landrätin und Kreisverwaltung bemüht, einen neuen Standort für das Impfzentrum des Landkreises zu finden. Hierzu bedarf es einer Entscheidung über eine angepasste Kapazität oder den Einsatz mobiler Impfteams. Abstimmungen, beispielsweise zur Infrastruktur, zu Personal und Öffnungszeiten, sind etwa mit dem Impfzentrum, dem BRK und anderen Stellen der Koordinierungsgruppe notwendig", heißt es in der Antwort des Landratsamts auf die Anfrage dieser Redaktion. Vielleicht ein Silberstreif am Horizont für die TSV-Handballer, aber keine verbindliche Zusage zur Lösung von deren Problemen.
Handball-Bezirksvorsitzender Klaus Sieß macht indes klar, dass sich die Probleme des Sports nicht allein auf Lohr beschränken. Es betrifft nach seinen Worten ganz Bayern: "Wir hatten jetzt 15 Monate Stillstand. Der Verband hat 22 Prozent Mitgliederschwund. Was das für Auswirkungen hat, werden wir erst sehen, wenn die Meldung aller Jugendmannschaften abgeschlossen ist." Die Meldefrist für die Jugendteams endete an diesem Freitag. Dann könne eine Bilanz der Verluste gezogen werden: "Ich glaube, es wird zwei Jahre dauern, bis all das aufgearbeitet ist, was an Problemen durch Corona entstanden ist."