Ganz leise fiel der Abschied von Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt/Gambach/Lohr) als Leistungssportlerin vor rund einem Jahr mit einer nüchternen Erklärung auf ihrem Facebook-Account aus: "Im letzten Jahr habe ich meine Prioritäten so verändert, dass die Bezeichnung ‚Leistungssportlerin‘ mittlerweile nicht mehr auf mich zutrifft – Ja, ich bin weiter aktiv, aber in einem anderen Sinne."
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Nach der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2016 in Rio versagte ihr Körper sprichwörtlich die weitere Leistungsbereitschaft für die arg strapaziöse Prozedur eines Leistungssportlers. Nach einer schon im Vorfeld von Olympia vorhandenen Fuß-Verletzung reihten sich letztendlich eine Vielzahl kleiner Wehwehchen an, die bei allem Ehrgeiz irgendwann ein geregeltes Training für internationale Ansprüche nicht mehr zuließen.
Mit den nüchternen Zeilen auf Facebook verschwand die bayerische Rekordhalterin über 800 Meter, Europameisterin mit der 4-x-400-Meterstaffel und Medaillengewinnerin bei der Universiade, die über ein Jahrzehnt das prägende Gesicht und Aushängeschild der bayerischen Leichtathletik war, von der Bildfläche.
Doch alte Liebe rostet nicht und schon gar nicht die zum Sport. Im vergangenen Jahr ließ sie die noch einmal kurzzeitig als inzwischen verheiratete Fabienne Engels für die Leichtathletik aufblitzen als sie in der 3-x-800- und 4-x-400-Meterstaffel ihres Vereins dazu beitrug, die bayerischen Meistertitel zu sichern. Zum Jahresende versuchte sie sich dann als Jedermanns-Zehnkämpferin und hat dabei auch noch das Stabhochspringen gelernt ("Immerhin 2,10 Meter übersprungen"). Nunmehr hat die aus Gambach stammende Sportlerin Freude an einem neuen Abenteuer gewonnen, dem Triathlon.
Als ein Arbeitskollege in dem Garchinger e-Commerce-Unternehmen, bei dem sie als Personalentwicklerin arbeitet, im vergangenen Herbst ihr von seinem Vorhaben an einem Mitteldistanz-Triathlon teilzunehmen berichtete, entschloss sie sich nach kurzem Überlegen mit aufzuspringen. "Ich sah das als neue Herausforderung an, mal was ganz anderes zu probieren, so wie ich es nach Ende meiner aktiven Laufbahn schon immer machen wollte", erzählt sie im entspannten Gespräch bei einem Trainingsabend ihres Vereins beim Heimatbesuch in Karlstadt.
Wobei "was ganz anderes" nahezu übertrieben ist. „Naja, Schwimmen, das kannte ich ja schon zu Genüge aus meiner Leichtathletik-Zeit, wobei ich da durch Alternativtraining bei meinen Verletzungen ohnehin schon etwas aufgebaut hatte", sagt sie. Und fürs Laufen - bei einer Mitteldistanz immerhin ein Halbmarathon - da musste sie lediglich noch etwas ausdauernder trainieren. Vollkommen neu war hingegen das Radtraining für die frühere 800-Meter-Läuferin. "Da habe ich mir erst mal das alte Rennrad meines Papas als Dauerleihgabe geliehen, und dann ging es los", so Engels.
Doch wie bei so vielen Menschen durchkreuzte Corona auch bei der zweifachen Olympiateilnehmerin zunächst ihre Planungen. Zwar hatte sie sich schon im letzten Herbst den "Austria Halbdistanz Triathlon" im österreichischen Podersdorf als Ziel ausgesucht, aber auf dem Weg dorthin wurden die Vorbereitungs-Triathlons in Erlabrunn und in Karlsfeld abgesagt. "Und ganz ohne einmal einen Triathlon absolviert zu haben, wollte ich doch nicht das Abenteuer Halbdistanz angehen", sagt sie. Welch glückliche Fügung, dass dann im August nach den diversen Corona-Lockerungen kurzfristig in Oberschleißheim ein Kurztriathlon stattfand, bei dem sie dann ihr Debüt gab. "Ich habe dabei gesehen, dass ich die Abläufe drin habe und das mit den Wechseln klappt, damit war klar, dass ich in Podersdorf dann den Angriff auf die Halbdistanz wage."
90 Kilometer auf Papas Rad
Und das hat sie dann mit Bravour umgesetzt, denn nach rund 41 Minuten stieg sie nach 1,9 Kilometer Schwimmen aus dem Wasser, nach rund 3:45 Stunden schließlich stieg sie nach den 90 Kilometern von "Papas Rad" und setzte dann noch einen Halbmarathon in 1:43 Stunde hintendran. Damit belegte sie in 5:29,57 Stunden Rang 222 von 471 Teilnehmern und wurde in ihrer Altersklasse Vierte.
Und ihre Erkenntnis: „Ich habe gesehen, es ist machbar, ich kann’s ohne großen Aufwand schaffen!“ Apropos Aufwand, drei bis vier Trainingseinheiten pro Woche reichten ihr, um die Herausforderung 1,9-90-21 in die Tat umzusetzen. Und gelernt hat sie zudem etwas ganz Neues, nämlich während der Belastung zu trinken: "Das war ja in der Leichtathletik nie gefragt und auch nicht denkbar während der 800 Meter zu trinken, auch wieder eine Erfahrung!"
Ist damit die Zukunft für eine neue Triathleton-Karriere gestartet? "Nein, definitiv nicht, komplettes Rosinenpicken ist da eher angesagt, ich werde das machen, worauf ich Bock habe, am liebsten lauter so andere Sachen, die ich auch mal probieren will“, will sich die 30-Jährige in sportlicher Hinsicht auf Nichts mehr festlegen.
Der Autor ist früherer Landtagsabgeordneter und Kommunalpolitiker und seit seinem Ausscheiden aus der Politik Vorsitzender der bayerischen Sektion des Deutschen Sportlehrerverbandes. Bereits vor seiner politischen Laufbahn hatte der ausgebildete Journalist als freier Mitarbeiter für diese Sportredaktion gearbeitet, für die er nun auch hin und wieder tätig ist.