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UNSERE ATHLETEN FÜR RIO
Fabienne Kohlmann im steten Ab und Auf
Unsere Athleten für Rio: Die Gambacherin Fabienne Kohlmann startet über 800 Meter und kennt die Facetten der menschlichen Psyche.
Uli Sommerkorn
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:11 Uhr

Wer bei Olympia erfolgreich laufen will, der braucht schnelle Beine. Doch Fabienne Kohlmann weiß, dass mehr nötig ist als ein perfekt austrainierter Körper: „Ganz vieles spielt sich im Kopf ab“, sagt die 26-Jährige aus Gambach im Landkreis Main-Spessart, die bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro im 800-Meter-Lauf an den Start gehen wird. Die Sache mit den Dingen, die sich im Kopf abspielen, interessiert Fabienne Kohlmann auch jenseits der Tartanbahn – sie studiert in München Psychologie. „Ein Studium, das mir großen Spaß macht“, wie sie betont.

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Kenntnisse der menschlichen Psyche erleichtern es bisweilen, mit den Höhen und Tiefen umzugehen, die der Leistungssport mit sich bringt. Dessen ist sich die Läuferin sicher. „Aber auch ich ziehe gelegentlich einen Psychologen hinzu, dem als Außenstehendem Dinge auffallen, die man selbst gar nicht bemerkt“, sagt Kohlmann, deren Verein die LG Karlstadt/Gambach/Lohr ist. Sportliche Hochs und Tiefs hatte die 26-Jährige in der jüngeren Vergangenheit selbst erlebt. Im vergangenen Jahr war sie reihenweise starke Zeiten gelaufen und verfehlte bei der WM in Peking nur denkbar knapp das Finale.

Im September 2015 lief sie mit 1:58,34 Minuten in Zürich eine persönliche Bestzeit, die das Prädikat „Weltklasse“ verdient.

Eigentlich eine glänzende Ausgangsposition für die Olympia-Saison 2016, doch wegen einer Achillessehnenverletzung musste sie im Frühjahr immer wieder im Training zurückstecken. Lange hatte sie die erforderlichen Normen nicht erfüllt. Die Qualifikation für die Europameisterschaft im Juli in Amsterdam und für Olympia gerieten in Gefahr. Erst als sie schmerzfrei war, konnte sie im Training wieder Fahrt aufnehmen. Und Mitte Juni bei der deutschen Meisterschaft in Kassel erfüllte sie dann in einer Zeit von 2:00,49 Minuten auch die Norm für Rio und Amsterdam. Und das mit einem einsamen Rennen im Vorlauf, bei der sie der Konkurrenz komplett enteilt war.

Ähnlich ging sie dann gut zwei Wochen später den Vorlauf bei der EM in Amsterdam an – nämlich von ganz vorne. Doch nach 600 Metern brach sie ein, wurde von der Konkurrenz überholt und musste die EM bereits nach dem Vorlauf beenden. „Es war ein Leerwerden, es war einfach nichts mehr da. Ich habe einige Zeit gebraucht, um zu trauern. Aber mittlerweile schaue ich wieder nach vorn“, berichtet sie, wie sie den jüngsten Rückschlag verarbeitet hat.

Die überragende Zeit aus dem Vorjahr sei keine Last, sondern eher Ansporn. „Ich weiß, was ich kann. Und dass ich so etwas schon einmal geschafft habe, gibt mir ein gutes Gefühl.“

Stärke gibt ihr auch ihre Trainingsgruppe am Studienort München unter Coach Andreas Knauer. Mit dabei in der Gruppe ist auch Christina Hering, die aktuelle deutsche 800-Meter-Meisterin und neben Fabienne Kohlmann die dominierende deutsche Sportlerin auf dieser Distanz. Dazu kommen mit Mareen Kalis und Christine Gess starke U-23-Läuferinnen. „So eine Gruppe hilft einem definitiv. Sie motiviert und fordert einen. Außerdem kann man so Dinge machen, die allein im Training nicht funktionieren würden“, sagt Kohlmann. Auch im Wettkampf treten die „Münchner“ immer wieder als Team auf. Christina Hering und Fabienne Kohlmann arbeiten bei Rennen oft zusammen, indem sie sich zum Beispiel die Tempoarbeit teilen.

Für die Unterfränkin sind die Olympischen Spiele in Rio bereits die zweiten nach 2012 in London, damals war sie in der 4-x-400-Meter-Staffel im Einsatz. Genug vom Leistungssport, obwohl der manchmal aufreibend ist, hat sie aber noch nicht. „Ich werde wohl noch einige Jahre auf der Bahn unterwegs sein“, kündigt sie, obwohl sich ihr Studium dem Ende entgegen neigt. Als großes Opfer sieht sie ihr Leben als Leistungssportlerin ohnehin nicht: „Ich bin nicht die große Feiermaus. Und Alkohol trinke ich sowieso selten.“ Außerdem gebe es auch als Leistungssportlerin immer wieder Anlässe, wo man auch etwas ausgelassener sein könne. So wie etwa bei der Athleten-Party nach der EM in Amsterdam, als sich keiner mehr Gedanken um die Vorbereitung auf anstehende Wettkämpfe machen musste: „Das sind auch Dinge, die ich genieße“, betont Fabienne Kohlmann. Alles habe eben seine Zeit.

Nach der Party begann dann die Vorbereitung auf Rio, am 17. August steht für Fabienne Kohlmann der Vorlauf über 800 Meter an. Ob es für sie im Anschluss daran anders als in Amsterdam ein Halbfinale gibt? „Vieles wird von der Renngestaltung abhängen“, sagt die 26-Jährige. Und wohl auch von der mentalen Stabilität. Aber über Kenntnis von der menschlichen Psyche verfügt Fabienne Kohlmann ja. Vielleicht kann sie die bei ihren zweiten Olympischen Spielen ja nutzen.

 
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