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Infantinos Versprechen
Fifa-Präsidenten-Wahl: Der Schweizer Gianni Infantino setzte sich in Zürich überraschend durch und soll den Fußball-Weltverband nun aus der größten Krise seiner 112-jährigen Geschichte führen.
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Achim Muth
 |  aktualisiert: 27.04.2023 01:13 Uhr

Ein Schweizer für einen Schweizer. Gianni Infantino (45) soll den Fußball-Weltverband Fifa als neuer Präsident aus der größten Krise seiner 112-jährigen Geschichte führen. „Wir werden den Ruf der Fifa wiederherstellen“, sagte Infantino nach seiner Wahl, in der er sich beim Kongress in Zürich mit 115 Stimmen gegen den Favoriten Scheich Salman bin Ibrahim al-Chalifa (88) durchgesetzt hatte.

Erstmals seit 1974 fiel die Entscheidung erst im zweiten Wahlgang, nachdem im ersten Durchgang keiner der Kandidaten die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit auf sich hatte vereinen können. Für Infantino, bislang Generalsekretär des europäischen Verbandes Uefa, haben sich seine Weltreise im Wahlkampf sowie seine finanziellen Versprechen an die Verbände offenbar ausgezahlt.

  • Unser Reporter Achim Muth war in Zürich dabei: Hier lesen Sie den Liveticker

Er erhielt im zweiten Wahlgang die entscheidenden Stimmen aus dem Lager von Prinz Ali bin al-Hussein (Jordanien), der mit 24 Stimmen aussichtslos zurückgelegen hatte. Infantino ist bis 2019 gewählt und tritt nun die Nachfolge des Schweizers Joseph Blatter an, der den Verband seit 1998 geführt hatte, nach einer dubiosen Millionenzahlung im Herbst jedoch suspendiert worden war.

Infantino: "Es beginnt eine neue Ära"

„Ich bin gerührt“, sagte Gianni Infantino, „es beginnt eine neue Ära, in der der Fußball wieder ins Zentrum rückt.“ Er kündigte an, mehr Transparenz in die Fifa bringen zu wollen, forderte aber auch einen respektvollen Umgang der Kritiker ein. Fest stand das Ergebnis erst am Ende einer Marathonsitzung, um kurz nach 18 Uhr verlas Interimspräsident Issa Hayatou das Ergebnis.

Infantino war auch der Favorit des DFB. „Ich bin sehr guter Dinge“, sagte Interimspräsident Rainer Koch, „von diesem Kongress ging die Bereitschaft zur Veränderung aus.“ Der DFB werde es nicht zulassen, „dass Infantino eine Politik im Stile von Sepp Blatter macht. Diese Befürchtung habe ich aber auch gar nicht.“

Viertelstündige Reden der Delegierten

Zuvor hatten sich die zunächst fünf Kandidaten in einer jeweils viertelstündigen Rede den Delegierten präsentiert. Dabei überraschte Prinz Ali bin al-Hussein mit der Ankündigung, den Friedensnobelpreisträger Kofi Annan in eine Fifa-Expertenrunde holen zu wollen. „Die Vergangenheit darf nicht die Zukunft der Fifa zerstören“, sagte der Prinz und versprach, die Korruption im Verband beenden zu wollen.

Scheich Salman bin Ibrahim al-Chalifa aus Bahrain verzichtete auf ein Manuskript: „Ich spreche aus dem Herzen.“ Es muss ein kühles Herz sein, auffällig emotionslos sprach er und machte die Unterstützung der kleinen Verbände zum Kern seiner Botschaft. Als Präsident der asiatischen Fußball-Konföderation (AFC) habe er gezeigt, wie das gehe. Der Scheich war die Person, die im Umfeld des Kongresses am meisten polarisiert hatte.

Tokyo Sexwales humorvoller Rückzug

Schon am frühen Morgen war eine Gruppe mit 20 Männern aus Bahrain vor dem Hallenstadion mit lauten Pro-Salman-Rufen aufgefallen. Am Nachmittag wurde sie abgelöst von einer Handvoll Menschenrechtlern, die ein Plakat mit Bildern verletzter Menschen und der Aufschrift „al-Chalifas Verbrechen“ zeigte.

Außenseiter Jérôme Champagne bot einen leidenschaftlichen Ritt durch die Welt des Fußballs. Zusammengefasst findet der Franzose, der bereits „elf Jahre der Fifa gedient hat“, dass sich im internationalen Fußball eine Elite entwickle, die sämtliche Siege unter sich ausmache.

Er verglich das mit dem Basketball und der Dominanz der nordamerikanischen Liga: „Ich will keine NBA-isierung des Fußballs“, sagte er und sprach sich auch dafür aus, die WM nicht von 32 auf 40 Mannschaften aufzustocken: „Der Zeitplan ist jetzt schon überfrachtet.“ Sein Lohn: Sieben Stimmen im ersten Durchgang.

Weltgewandheit in mehreren Sprachen

Noch als Kandidat gab sich Gianni Infantino als Kosmopolit und demonstrierte in perfektem Italienisch, Deutsch, Französisch, Spanisch und Englisch seine Weltgewandtheit. Er versprach dem afrikanischen Verband Unterstützung und sprach sich für Milliardeninvestitionen in den Fußball aus: „Das Geld der Fifa ist Euer Geld“, rief er den Delegierten zu und erntete dafür spontanen Zwischenapplaus.

Für das unterhaltsame Element im Bewerber-Quintett sorgte der Südafrikaner Tokyo Sexwale mit einer humorvollen Rede, in der seine Ideen für eine bessere Zukunft der Fifa nur so sprudelten. Die beste Pointe hob er sich allerdings für das Ende seiner Redezeit auf: Sexwale zog seine Kandidatur zurück: „Es ist Euer Problem jetzt“, sagte er mit einem Lächeln.

Nötig geworden war der außerordentliche Kongress, weil die Fifa 2015 ins Visier der US-Justizbehörden geraten und ihr Präsident Joseph Blatter von der hauseigenen Ethikkommission wegen einer dubiosen Millionenzahlung suspendiert worden war.

Die Krise hat bereits Konsequenzen für die Fifa: Finanzdirektor Markus Kattner sprach von einem zu erwartenden Defizit für den Zyklus bis 2018 von 550 Millionen Dollar im Vergleich zu den Prognosen aus 2014. Dies würde die Rücklagen von 1,5 Milliarden Dollar (aus 2014) um rund ein Drittel reduzieren.

Thomas Bach: Neues Kapitel aufschlagen

Die Versammlung hatte am Morgen mit zahllosen Appellen begonnen. IOC-Präsident Thomas Bach, als Gast geladen, sagte, es gehe darum, ein neues Kapitel aufzuschlagen: Weil sich die Welt verändert habe und in Fragen der Glaubwürdigkeit und Good Governance (gute Regierungsführung) in allen Bereichen neue Antworten gefordert seien, forderte der Tauberbischofsheimer den Kongress dazu auf, für die Reformen zu stimmen.

Die Delegierten stimmten schließlich mit großer Mehrheit (179 zu 22 Stimmen) für das Paket, das unter anderem einen Fifa-Rat statt des Exekutivkomitees, einen höheren Frauenanteil sowie eine Begrenzung von Amtszeiten vorsieht. Kritik kam einzig von Gonzalo Boye Tuset vom Fußball-Verband aus Palästina.

Ihm gingen die Reformen nicht weit genug: „Ein Boot kann man nicht bei Sturm reparieren“, sagte er vor der Abstimmung. „Diese Reform bedroht die Fifa, weil sie alle Macht dem Rat gibt, das schafft kein Gleichgewicht.“

 
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