
Keine Frage, schlechte Laune geht gerade anders. Wenn Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg auf dem idyllisch gelegenen Trainingsplatz von Gieres, einem kleinen Vorort von Grenoble, die farbigen Spielkarten verteilt, um die deutschen Fußballerinnen in drei Gruppen einzuteilen, herrscht fast schon ein Gekicher wie im Kindergarten. Dort ein Kneifen, hier eine Umarmung. Als würden sich alle das erste Mal begegnen. Nein, Lagerkoller ist noch nicht eingezogen, was auch an den vielen Quartierwechseln bei einer Frauen-WM liegen könnte.
Geboren im Landkreis Haßberge
Nach dem bretonischen Atmosphäre in Rennes, dem flämischen Ambiente in Lille und Valenciennes und dem mediterranen Klima in Montpellier vermitteln die französischen Alpen zum anstehenden Achtelfinale gegen Nigeria in Grenoble etwas ganz Neues. Eine, die immer noch ein bisschen große Augen macht, ist Klara Bühl. „Sturmflitzerin“ steht unter der deutschen Nummer 19 auf dem Teamposter. Die Angreiferin vom SC Freiburg hat zwei der drei WM-Spiele – gegen Spanien (1:0) und Südafrika (4:0) – mitgespielt; es waren erst die Länderspiele drei und vier für die 18-Jährige, die aus Trossenfurt im Landkreis Haßberge kommt. Früh ist sie mit ihrer Familie dann nach Paris gezogen, ehe es die Familie nach Freiburg verschlug. Als Fünfjährige hat sie dann bei der Spvgg Untermünstertal im Schwarzwald mit dem Fußball angefangen und dort lange mit Jungs gespielt, ehe sie 2013 in die Nachwuchsabteilung des SC Freiburg kam. Neun Nationalspielerinnen haben diesen Ausbildungsweg – die Freiburger Fußballschule – in ihrer Vita stehen.
Von ihrem Startelf-Einsatz zuletzt gegen Südafrika in Montpellier erfuhr Bühl erst in der Mannschaftssitzung. „Es war ein super Moment. Ich habe das genossen, bei der Hymne auf dem Platz zu stehen und mitzusingen. Natürlich ist es dann ein Spiel wie jedes andere und man hilft dem Team, so weit man kann“, sagte sie danach. Sie hatte zwar nicht so viele lichte Momente wie nach ihrer Einwechslung gegen Spanien, „aber darauf kommt es nicht an: Wir haben als Team besser zusammengespielt.“ Ziel erreicht, Haken dran.
U-17-Europameisterin von 2016
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg verfolgt ihren Weg schon länger, doch erst nach dem Pokalfinale zwischen dem VfL Wolfsburg und SC Freiburg (1:0), als sich Bühl alleine gegen eine Innenverteidigung mit der schwedischen Ikone Nilla Fischer und der deutschen Nationalspielerin Lena Goeßling behauptete, reifte die Entscheidung, der U-17-Europameisterin von 2016 gleich das Turnier der weltbesten Fußballerinnen anzuvertrauen.
Bühl wisse noch gar nicht so genau, was für vorzügliche Anlagen sie eigentlich mitbringe, heißt es im deutschen Trainerteam. Meist sucht sie den direkten Weg zum Tor, ohne dabei zu eigensinnig zu wirken. Dass ihr auch in der Nationalmannschaft alle Türen offen stehen, darauf deutet vieles hin.
Auf Instagram folgen ihr inzwischen schon mehr als 9000 Personen. Tendenz steigend. „Yes, we did it“ schrieb sie dort zu einem Jubelbild, auf dem sie die Hände zum Himmel wirft. Und doch muss sie manchmal noch selbst kneifen. „Es ist einfach unglaublich was in den vergangen Wochen und Monaten passiert ist. Ich kann es kaum in Worte fassen und freue mich unglaublich“, sagt Bühl. Am Tag vor der Kaderbekanntgabe hatte Voss-Tecklenburg sie auf dem Handy ja gar nicht erreicht. „Ich habe die Bundestrainerin dann zurückgerufen und wusste natürlich überhaupt nicht, was sie mir sagen wird.“ Jetzt ist sie mittendrin statt nur dabei. Und das nicht nur, wenn die bunten Spielkarten vor einem Training die Runde machen und das große Gelächter einsetzt.