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Fussball
Damit der Fußball nicht in Vergessenheit gerät
Die Dreiberg-Kickers aus Knetzgau sind der einzige Fußballverein in Bayern, der nur Jugendfußball betreibt. Und haben einen Weg gefunden, der Corona-Krise zu trotzen.
Fußball im eigenen Garten? Bei den Knetzgauer Dreiberg-Kickers, hier Amelie und Jakob Thurn, war das eine der Aufgaben für die Nachwuchs-Kicker, um die Lust am Fußball nicht zu verlieren.
Foto: Stefan Thurn | Fußball im eigenen Garten? Bei den Knetzgauer Dreiberg-Kickers, hier Amelie und Jakob Thurn, war das eine der Aufgaben für die Nachwuchs-Kicker, um die Lust am Fußball nicht zu verlieren.
Matthias Lewin
 |  aktualisiert: 08.02.2024 21:54 Uhr

Auf knapp 100 000 beziffert der Bayerische Landessport-Verband den Mitgliederschwund in den Vereinen in diesem Jahr. Die Gefahr, dass Sportler, die keinen Sport treiben dürfen, auch den Vereinen den Rücken kehren, liegt auf der Hand. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen droht das Hinwenden zu anderen Hobbys. "Viele Menschen denken, es geht ohne Fußball beziehungsweise Sport oder Kirche - und so weiter. Die Folgen und Spätfolgen werden wir noch zu spüren bekommen", umreißt Thomas Krug, Kreisjugendleiter im Fußballkreis Schweinfurt, die Situation. Was aber tun, um den Nachwuchs bei der Stange, sprich im Verein, zu halten?

Damit der Fußball nicht in Vergessenheit gerät

Die Verantwortlichen der Dreiberg-Kickers Knetzgau haben einiges einfallen lassen, um ihre Nachwuchs-Fußballer nicht an die Play-Station zu verlieren. Immerhin gut 160 Kinder und Jugendliche hat der Verein in 13 Mannschaften, alle Jahrgänge sind besetzt. Und die sind nun schon fast ein ganzes Jahr kaum auf dem Platz gewesen.

Fokus nur auf die Jugend

Die Dreiberg-Kickers haben ein Alleinstellungsmerkmal. Als einziger Verein in ganz Bayern bieten die Knetzgauer ausschließlich Nachwuchsfußball im Breitensportbereich. Lediglich im oberbayerischen Bad Aibling gibt es mit dem Deutschen Fußball-Internat (DFI) noch einen ähnlichen Klub, der ist allerdings eher mit einem Nachwuchsleistungszentrum zu vergleichen.

Stefan Thurn, der Vorsitzende der Dreiberg-Kickers, sieht in der Fokussierung auf die Jugend genau die Stärke des Vereins: "Der Jugendfußball ist unser einziges Thema. Wir haben keinen Seniorenbereich oder andere Abteilungen als interne Konkurrenz." 

Haben ein Mittel gegen den befürchteten Mitgliederschwund gefunden und daher gut Lachen: Marco Schnös (links) und Stefan Thurn , die beiden Vorsitzenden der Knetzgauer Dreiberg-Kickers (hier auf einem Archivbild).
Foto: Alexander Glos | Haben ein Mittel gegen den befürchteten Mitgliederschwund gefunden und daher gut Lachen: Marco Schnös (links) und Stefan Thurn , die beiden Vorsitzenden der Knetzgauer Dreiberg-Kickers (hier auf einem Archivbild).

Der besonderen Verantwortung ihres Vereins sind sie sich bewusst in Knetzgau. Schon im März, als Corona das erste Mal gegen den Fußball gewann, haben sich die Trainer zusammengesetzt und ein Konzept entwickelt, möglichst allen Kindern und Jugendlichen den Spaß am Fußball zu bewahren. Genau da liegt nämlich eine große Gefahr, wie auch Bezirks-Juniorenleiter Wolfgang Hellert betont: "Da der Nachwuchs weder trainieren noch spielen darf, liegt die Befürchtung nahe, dass er sich vom Sport ab- und anderen Hobbys zuwendet. Solange nicht einmal Training in der Gemeinschaft möglich ist, ist dies von den Kleinen bis zu den Erwachsenen ein Riesenproblem." In Unterfranken hätte der Verband vor allem in den jüngeren Jahrgängen zwischen zehn und 20 Prozent weniger Neuausstellungen von Spielerpässen registriert, sagt Hellert.

"Wir haben allein im Bereich der U 7 bis U 13 elf Austritte", bestätigt Thurn die Befürchtungen des Verbandes. Bei über 160 Mitgliedern sind das immerhin knapp sieben Prozent. "Und dazu kommen dann noch die, die aktuell nicht eintreten." Der 42-Jährige schätzt, dass das noch einmal fünf Kinder sein könnten, insgesamt geht man also auch in Knetzgau von zehn Prozent "Verlust" aus.

"Es funktioniert, weil eine ganze Gruppe an einem Strang zieht."
Marco Schnös, zweiter Vorsitzender der Dreiberg-Kickers Knetzgau

Um diesen Trend zu stoppen, "waren wir im Frühjahr schon mega aktiv," unterstreicht Thurn. Er sieht den Verein als große Gemeinschaft, in der auch die Sponsoren fest integriert sind. So bekamen die Trainer Gutscheine eines "befreundeten" Restaurants und alle Kinder ein "Stay-together"-Shirt. Diese "Bleibt-Zusammen-Aktion" soll den Zusammenhalt innerhalb des Klubs symbolisieren. 

Aber auch sportlich gab es einige Aktionen, um den Fußball-Betrieb abseits des Platzes am Laufen zu halten. "Wir haben 'Challenges' angeboten", beschreibt der zweite Vorsitzende Marco Schnös die "Hausaufgaben", mit denen die Dreiberg-Kickers ihren Jugendlichen den Spaß am Fußball erhalten haben.

Die Challenges der Dreiberg Kickers verstehen sich als 'Multisport'. Auch eine Partie Tischtennis darf es dabei gerne einmal sein.
Foto: Stefan Thurn | Die Challenges der Dreiberg Kickers verstehen sich als "Multisport". Auch eine Partie Tischtennis darf es dabei gerne einmal sein.

Aufgaben, die die Jugendlichen im Garten oder auch auf engstem Raum im Zimmer erfüllen konnten und die gerne wahr genommen wurden. "Allein in der U 13 hatten wir eine 80-prozentige Teilnahme", freut sich Thurn über den Erfolg der Aktion. "Druck auf die Kinder wird nicht aufgebaut, das steht uns in deren Freizeit auch nicht zu", hebt der Vertriebsmitarbeiter die Freiwilligkeit der Aktion hervor.

Dribbeln durch einen Parcours, Jonglieren, Fußball-Tennis, aber einfach auch Ausdauerläufe, Inliner-Fahren, Tischtennis- oder Federball-Duelle – die Palette der Aufgaben ist altersgerecht breit gefächert und kann von den Kindern sogar noch interpretiert werden. "Die haben zum Teil Challenges in die Challenge eingebaut, um sich gegenseitig zu übertreffen", beschreibt Thurn, selbst zweifacher Vater und seit 2003 Nachwuchstrainer, die Kreativität der Jugendlichen. "Und das ist dann natürlich toll. Da sieht man gleich: Die haben das verstanden, die machen was draus."

Sieben Tage, sieben Aufgaben

Gleich war allen Aufgaben lediglich: Das Dreiberg-Kickers-Trikot musste getragen und ein Foto gemacht werden. Damit kamen alle Teilnehmer in einen Lostopf, aus dem dann die die Gewinner – unabhängig vom Abschneiden – gezogen und mit Preisen bedacht wurden. Die Verlosung wurde ebenfalls gefilmt und per Whatsapp geteilt.

"Bei den älteren Teilnehmern gab es zudem eine 'Ferien-Challenge'. Da hieß es dann 'Sieben Tage – sieben Aufgaben'." Die war dann schon mehr leistungs- und ausdauerbezogen und zum Teil auch mit einer Mannschaftswertung verbunden. "Die haben alle mitgezogen, sich gegenseitig gepusht", weiß Schnös, dass auch der Wettkampfgedanke nicht zu kurz kam.

Neue Herbst-Aktionen

"Das war für die Kinder total motivierend" ist Stefan Thurn überzeugt, damit "die Kinder an Bord gehalten zu haben". Die Trainer haben vorab die einzelnen Aufgaben selbst vorgeführt und auf Video festgehalten - dafür und damit die Kinder dabei mal was zu Lachen haben, mussten die Vorführungen nicht unbedingt perfekt sein. "Es kommt ja auch etwas zurück. Es wird von den Eltern und von den Kindern honoriert. Und dann macht es einfach Spaß. Es funktioniert, weil eine ganze Gruppe an einem Strang zieht", weiß Schnös, der seit der Gründung der Dreiberg Kickers vor sechs Jahren dabei ist,  dass die Eltern dafür genauso benötigt werden wie die Kinder. "Beim Fußball ist es wichtig, dass man sich aufeinander verlassen kann."

Jetzt im Herbst haben die Dreiberg-Kickers auch auf Übungen, die der Deutsche Fußball-Bund unter dem Stichwort "Mo-vember – Training im Lockdown light" als Video anbietet, zurückgegriffen. Dieses und weitere Angebote sind allerdings eher für die Talentförderung als für den Breitensport gedacht. Eine weitere Idee ist – wenn es denn wieder erlaubt ist – Zweier-Turniere auszurichten. Dabei spielen die Kinder über mehrere Wochen Eins-gegen-Eins mit jeweils wechselnden Gegnern. 

Persönlicher Kontakt

"Wir haben natürlich erst einmal gewartet, was uns die Politik erlaubt. Und jetzt starten wir wieder mit unseren Aktionen, damit der Fußball nicht in Vergessenheit gerät", betont der ehemalige Landesliga-Kicker des FC Haßfurt. Neu erfinden brauchen sie die nicht, die werden – angepasst an die jeweiligen Altersstufen – einfach in den Jahrgängen getauscht.

Auch die Weihnachtsfeiern fallen in diesem Jahr natürlich aus. Die Dreiberg-Kickers haben sich dafür aber ebenfalls etwas einfallen lassen, wenn es die Vorgaben zulassen: Jedes Kind, jeder Jugendliche wird von den Trainern zuhause besucht, die Geschenke – heuer gibt es eine Regenjacke – werden dann vor der Haustür überreicht. "Einfach damit der persönliche Kontakt zwischen Spieler und Trainer bestehen bleibt." Ob und wann es den wieder vermehrt geben wird, wissen auch Stefan Thurn und Marco Schnös nicht. Beide hoffen aber, dass der Sport im Freien auch für Mannschaften in absehbarer Zeit wieder zugelassen wird - und die Dreiberg-Kickers endlich wieder Fußball spielen können.

 
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