Am Spieltag malt er sich zwei fette schwarze Balken mit den Fingern auf die Wangen und verwischt sie mit den Händen in seinem Gesicht. "Ich habe da meinen ganz eigenen Stil, das macht sonst keiner so." Lars Kozlowski spielt American Football und, sobald er seine Football-Ausrüstung anhat, in seiner ganz eigenen Welt. In einer Welt, die er liebt, seit er das erste Mal auf dem Feld stand und dem eiförmigen Leder hinterher jagte.
"American Football erfüllt mich, er gibt mir wahnsinnig viel Lebensenergie", sagt der Dampfacher (Landkreis Haßberge). Ein Kumpel nahm ihn vor zehn Jahren mit zu einem Probetraining zu den Ball Bearings nach Schweinfurt. Kozlowski verliebte sich auf Anhieb in die Sportart, von der er vorher überhaupt nichts wusste. Und heute, mit 24 Jahren, lebt sein Traum mehr denn je: Lars Kozlowski will in die amerikanische National Football Leauge (NFL), dem Mekka der Sportart.
"Ich weiß nicht wann, ich weiß nicht wie, ich weiß nur, dass es passieren wird, dass ich da drüben eines Tages in einem ganz großen Stadion spielen werde", sagt der Fan der San Francisco 49ers, ohne überhaupt Zweifel aufkommen zu lassen. Am nötigen Mindset mangelt es ihm schon einmal nicht. Mit 1,76 Metern Körpergröße und 85 Kilogramm Gewicht bringt das Kraftpaket Schnelligkeit, Energie, Vielseitigkeit und jede Menge Football-Skills, die er sich in seiner Jugend mithilfe von Youtube-Videos selbst beigebracht hat, mit.
Sein bisheriger sportlicher Werdegang liest sich wenig stringent. Das ist aber auf dieser Seite des Atlantiks, wo der US-amerikanische Volkssport nur ein Nischendasein fristet, durchaus üblich. Nach der Jugendzeit bei der Spielgemeinschaft Bamberg/Schweinfurt wechselte er 2016 – obwohl er noch ein Jahr Jugend hätte spielen können ("Mir fehlte aber die Herausforderung"), zu den Nürnberg Rams in die German Football-League (GFL) 2.
Aus der halben Stunde Fahrt zum Training nach Bamberg wurde eine Stunde. Und im Jahr darauf wurde der Aufwand für die große Leidenschaft sogar noch größer. Kozlowski wechselte in die GFL – die Football-Bundesliga – zu den Ingolstadt Dukes. Rookie – also Neuling – sein, heißt anfangs heftig einstecken zu müssen. Auch das gehört im Football dazu, genauso wie der bedingungslose Zusammenhalt.
Kozlowski schwärmt von diesem Miteinander in den riesigen Teams mit über 50 Spielern. Im American Football finde jeder seinen Platz, egal ob groß, klein, dick, dünn, glaubt er. Bei den vielen Positionen in Abwehr und Angriff könne jeder gewinnbringend für die Mannschaft eingesetzt werden.
Das"Rudel" ist das Wichtigste
"Durch Football habe ich viel über Menschen gelernt", erklärt Kozlowski: "Bewerte das Buch nie nach seinem Titel." Wir alle stecken voller Überraschungen soll das heißen. Auch Kozlowski, der mit seiner für die Sportart verhältnismäßig kleinen Statur auf dem Feld zum Riesen wird. Er begleitete über die Jahre verschiedene Positionen auf dem Feld. "Da habe ich ein ganz anderes Wesen. Ich gehe für meine Jungs, bis es nicht mehr geht." Am wichtigsten ist ihm der Teamgedanke – für das "Rudel", wie er sein Team auch nennt.
Das versetzt den Dampfacher gedanklich auch etwas zurück in seine Kindheit. Zeitweise lebte er mit seinen Eltern im Norden Norwegens. Vater Kozlowski hatte ein Husky-Rudel, mit dem es am Nordkap quer durch die Wildnis ging. "Die Zeit dort und Norwegen trage ich immer in meinem Herzen."
Würzburg, Fürstenfeldbruck und Graz
In jedem Rudel braucht es aber auch immer einen Anführer. In frühen Schweinfurter Tagen hieß dieser Sebastian Krebs. Kozlowski erinnert sich, wie er früher zu ihm aufschaute. "Es gibt immer diesen Einen, bei dem, wenn er in den Raum kommt, alles ruhig wird." Krebs lebte ihm früh vor, wie man die richtige Einstellung zu seiner großen Leidenschaft auslebt. Trainieren und Disziplin statt Feiern mit Alkohol und Zigaretten. Noch heute sind beide gute Freunde. Wenn es um eine wichtige Football-Entscheidung geht, fragt Kozlowski seinen alten Kumpel immer um Rat. "Ich trage unseren gemeinsamen Football-Traum im Herzen für uns weiter."
Krebs wurde früh Vater, konzentrierte sich daher ganz auf Arbeit und Familie. "Larry", wie Lars Kozlowski bei den Ball Bearings getauft wurde, machte dagegen die Sportplätze weiter unsicher. 2018/19 bei den damals ambitionierten Würzburg Panthers mit dem Ex-Nationaltrainer Martin Hanselmann, im Anschluss bei den Fürstenfeldbruck Razorbacks vor den Toren Münchens. Und im vergangenen Jahr in Österreich bei den Graz Giants.
Aus "Larry" wurde der "German Stallion"
Dort wurde "Larry" zum "German Stallion". Die eigentlich so erfolgreiche Auslandsstation nahm aber ein schmerzhaftes Ende. Am Tag vor dem Halbfinalspiel im vergangenen Juli gegen den Erzrivalen aus Wien erlitt Kozlowski einen schweren Arbeitsunfall als Türsteher in einer Grazer Diskothek. Kreuzband sowie Innen- und Außenmeniskus und weitere Bänder im Knie waren gerissen.
Das Ende aller Träume? Nein! Im Rekordtempo kämpfte sich der 24-Jährige zurück. Zum Jahresstart ist er fast wieder im Vollbesitz seiner Kräfte. Im Frühjahr wird er für seinen neuen Klub in der GFL auflaufen, den Verein darf er aber noch nicht verraten. "Ich will endlich eine deutsche Medaille gewinnen", betont er: "Und den Helm mit dem schwarzen Adler für Deutschland tragen".
Der Traum von San Francisco
Eigentlich stand für ihn schon fest, 2022 in Paris zu spielen und zu leben. Er wollte sich einem US-amerikanischen Mitspieler aus Grazer Tagen anschließen, den es als Quarterback an die Seine zieht. Kurz nach dem Jahreswechsel, als der Umzug in die "Stadt der Liebe" und ein Engagement als "Linebacker" bei einem französischen Klub eigentlich schon feststand, ging er beim Erde schaufeln im elterlichen Garten in Dampfach noch einmal intensiv in sich, erklärt er. Als "Anhängsel" mit nach Frankreich zu gehen, sei eigentlich doch nicht sein Ding.
"Ich hatte immer meine eigene Show. Ich gehe meinen eigenen Weg", betont er. Wo dieser enden wird, ist ihm ja ohnehin klar. Kozlowski stürzt sich weiterhin mit allem, was er hat, in sein Football-Abenteuer. "Mit dem Ziel, zu wissen, dass es funktioniert." Eines Tages in voller Montur und verschmierter schwarzer Farbe im Gesicht ins Levi's Stadium in San Francisco einzulaufen.