
Mit allem hatten sie gerechnet, die Journalisten, die sich am Freitag im Pressekonferenzraum des FC Bayern eingefunden haben. Damit, dass die Bayern-Bosse dem zuletzt sieglosen Trainer Niko Kovac den Rücken stärken. Damit, dass Kovac fliegt oder zumindest einen weiteren Trainer an die Seite bekommt. Damit, dass vielleicht verkündet werde, dass die Spieler künftig in BMW- statt Audi-Autos durch Grünwald sausen. Viel war spekuliert worden. Am Ende war die Presse selbst der Grund, warum die Bayern-Bosse Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Hasan Salihamidzic ins Pressestüberl eingeladen hatten. Es wurde ein Rundumschlag gegen die Medien, der schon jetzt legendär ist.
„Heute ist ein wichtiger Tag für den FC Bayern, weil wir Ihnen mitteilen, dass wir uns das nicht mehr gefallen lassen“, erklärte Rummenigge. Am letzten Montag, nach dem Länderspiel gegen die Niederlande, hätten sich „Uli, Hasan und ich zusammengesetzt und beschlossen, dass wir in diesem Stil das nicht mehr weiter akzeptieren werden“, sagte Vorstandsvorsitzender Rummenigge. Schweigen im Saal, fragende Blicke unter den Journalisten. Was da berichtet worden sei, habe nichts mehr mit Kritik an der Leistung zu tun, sondern sei eine Abrechnung mit einzelnen Spielern – insbesondere natürlich mit Spielern des FC Bayern München, sagte Rummenigge.
Zwei Unterlassungsklagen
Manuel Neuer zum Beispiel. Was er über den vierfachen Welttorhüter lesen müsse, da fehlten ihm jegliche Worte. Oder wenn er bei den Innenverteidigern Jerome Boateng und Mats Hummels von „Altherrenfußball“ lese, dann könne er nur noch sagen: „Geht?s eigentlich noch?“ Derjenige, der das gesagt habe, solle sich mal über seine eigene Leistung Gedanken machen. Womit er auf Olaf Thon, den Urheber des Zitats, anspielte, der einst selbst für die Roten auflief. Die Altersdebatten über die beiden Weltklasse-Spieler Arjen Robben und Franck Ribery seien unverschämt, respektlos und polemisch. Die hämische, herabwürdigende Berichterstattung werde man sich nicht mehr bieten lassen. Zwei Unterlassungsklagen habe man gegen den Springer-Konzern – also die „Bild“-Zeitung und „Sport-Bild“ – erwirkt, eine weitere Abmahnung sei gestern zugestellt worden. Künftig werde man auch Gegendarstellungen verlangen.
Manch ein Journalist im Raum schien nun in Schockstarre zu verharren, hielt Stift und Papier ohne etwas zu notieren. Lange Gesichter vor allem in der ersten Reihe bei den Vertretern des Springer-Verlags. Die Polemik scheine keine Grenzen mehr zu kennen, sagte Rummenigge und erinnerte an Artikel eins des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Er frage sich, ob sich – von gewissen Medien zumindest – eine eigene Gesetzgebung erlaubt werde.
Auftritt von Präsident Uli Hoeneß. Respektlos sei das alles, polterte er. Zum Beispiel die drei Reporter vom TV-Sender ntv, das „Trio Infernale“ (Hoeneß), das versucht habe, Jogi Löw abzuschießen, indem man zehnjährige Nachwuchsspieler befragt habe, ob man den Nationaltrainer absetzen solle. Eine Frechheit auch, dass die „Bild“-Zeitung bei der Telekom nachgefragt habe, ob man die Pfiffe gegen ihn beim letzten Heimspiel der FCB-Basketballer als Tonsequenz für die Webseite haben könne. Und überhaupt kämen von den Medien zunehmend unsinnige E-Mail-Anfragen mit konstruierten Geschichten.
Hoeneß in gleichem Stil gegen Bernat
Ob er nicht auch manchmal über das Ziel hinausgeschossen sei, wollten die Journalisten von Hoeneß wissen. Zum Beispiel bei Mesut Özil, der ihm zufolge seit Jahren „Dreck“ spiele. Oder beim Foul von Karim Bellarabi gegen Bayerns Rafinha, das er als „geisteskrank“ bezeichnet hatte. Der 63-Jährige führte das auf die Emotionalität unmittelbar nach einem Spiel zurück. „Das hätte ich nicht sagen sollen“, räumte Hoeneß ein. Bei der Pressekonferenz trat er jedoch in gleichem Stil gegen den Ex-Bayern-Spieler Juan Bernat nach, dessen Verkauf von einem Sky-Reporter kritisiert worden war. Der habe den FC Bayern in der letzten Saison fast die Champions League gekostet mit dem „Scheißdreck“, den er gegen Sevilla gespielt habe.
Auch Sportdirektor Salihamidzic zeigte sich entsetzt über die Medienkritik. Warum er sich öffentlich nicht hinter Trainer Kovac gestellt habe? Ganz einfach, weil er ihn nicht in Frage stelle, sagte er. „Wir müssen uns doch öffentlich kein Küsschen geben.“ Die Arbeit eines ganzen Klubs zu hinterfragen, „das geht gar nicht.“
Empörung und Fassungslosigkeit unter den Journalisten
Als Rummenigge sagte, man erwarte bei schlechter Leistung natürlich kein Lob und suche die Schuld für die Bayern-Misere der letzten Wochen – nur Platz sechs in der Bundesliga – nicht bei den Medien. Aber da war es schon zu spät. Empörung und Fassungslosigkeit herrschte nach der Veranstaltung unter den Journalisten. „Jaja, immer ist die Presse Schuld“, maulte ein Reporter. „Ganz ehrlich, ist es respektlos, eine E-Mail zu schreiben?“, fragte ein anderer. Das sei ein normaler journalistischer Vorgang. Und: Wenn sich keiner zur Trainerfrage äußere, dann spekuliere man eben mit den Fakten, die da seien. Alle schienen sich einig: Die Bosse schlugen hier einen Ton an, den sie selbst bei den Medien kritisierten.