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KARLSTADT
Winzer feiern „Niederfall“ und fürchten Klimawandel
Mit fröhlichem Feiern und kritischen Vorträgen beging der Verband der Fränkischen Prädikatswinzer sein Erntedankfest, den „Niederfall” im historischen Rathaus in Karlstadt. Im Bild von links: Bürgermeister Paul Kruck, Mario Körbel (Dorfgemeinschaft Hohenroth), die Fränkische Weinkönigin Klara Zehnder, Robert Haller (Vorsitzender VDP), Weinbauberater Hermann Mengler und der Klimaforscher Professor Heiko Paeth.
Foto: G. Roth | Mit fröhlichem Feiern und kritischen Vorträgen beging der Verband der Fränkischen Prädikatswinzer sein Erntedankfest, den „Niederfall” im historischen Rathaus in Karlstadt.
Günter Roth
 |  aktualisiert: 02.04.2019 13:32 Uhr

Zum Brauchtum des fränkischen Weinbaus gehört auch das Feiern des „Niederfalls“. Die vielen Deutungsmöglichkeiten des Begriffes reichen vom Weglegen des Arbeitsgerätes über den letzten Schlag auf die Arbeit bis hin zum Niederknien zum Dankgebet für die Ernte. Es gehört auch das gemeinschaftliche Feiern mit einem großen Essen und dem Verkosten von guten Weinen dazu.

Der Verband der Prädikatswinzer Franken (VDP) begeht diesen Erntedank immer an einem besonderen Ort. Heuer trafen sich die Winzer am Main zwischen Thüngersheim und dem Stettener Stein mit Betriebserkundungen und einer Exkursion im Buntsandstein und im Wellenkalk. Der festliche Abschluss fand dann im Bürgersaal des Karlstadter Rathauses statt.

„Ich wirke besser gelaunt, als ich eigentlich bin.“ Professor Heiko Paeth von der Universität Würzburg dämpfte in seinem Vortrag über die „Herausforderungen für den Weinbau in Unterfranken“ deutlich die vorsichtige Euphorie, die zuvor der Vorsitzende des VDP in seinem Rückblick auf das Weinjahr 2018 verbreitet hatte. Die Zukunft des Weinbaus in Franken sei zwar gegenwärtig nicht ernsthaft bedroht, stehe aber vor großen Herausforderungen, so Paeths Botschaft.

Auch ohne das Ausnahmejahr 2018 sei Mainfranken gewissermaßen der Hotspot des Klimawandels. Die dritt-trockenste Region in Deutschland werde durch die umgebenden Mittelgebirge gegen kühlende Winde und auch weitgehend gegen Niederschläge abgeschirmt. So sei die Klimaerwärmung hier in den letzten 35 Jahren doppelt so stark ausgefallen wie im übrigen Mitteleuropa. „Wenn das so weitergeht, könnten wir in einigen Jahrzehnten in der Rhön Weinbau betreiben.“

Deshalb sei hier auch das Problem der Wasserknappheit besonders virulent. Zwar hätten in den letzten Jahren die Winterniederschläge zugenommen, doch konnte seit 2015 kein neues Grundwasser mehr gebildet werden. „Wir leben also schon von den Reserven und müssen schauen, wie wir die Winterregen künftig besser zurückhalten können“, so Paeth.

Wenig Spielraum für Zuversicht

Keine große Hoffnung hat der Klimaforscher gegenwärtig bezüglich der Reduzierung von Treibhausgasen. Wir seien weit davon entfernt, das Problem einzudämmen, sagte er. Noch nie gemessene Temperaturentwicklungen und Extrema in drei aufeinanderfolgenden Jahren sowie die fehlende Bereitschaft eines radikalen Paradigmenwechsels lassen wenig Spielraum für Zuversicht. Von der Politik und der Wirtschaft erwartet Paeth keine Hilfe. Er sieht nur einen Weg: „Wir können nur von unten heraus zur Vernunft kommen, wenn viele Menschen aufbegehren und sagen, wir machen da nicht mehr mit.“

Einen bemerkenswerten Rückblick auf das Weinjahr 2018 stellte der Weinfachberater des VDP Hermann Mengler vor. Vorsichtig provozierend sein meteorologischer Bericht: „… vom Ostermontag bis zur Ernte keinen Regen. Bei der Lese fielen die Reifen wegen der Hitze von den Butten. Die Trockenheit war so groß, das die Kartoffeln in der Erde wie Feigen zusammenschrumpften… Große Dürre. Viele Rinder mussten aus Futtermangel geschlachtet werden....“, so ein Blick auf das Weinjahr 1947.

Mit 2018 aber habe uns diese Jahrgangsvergangenheit wieder eingeholt. Selbst im Hinblick auf die Jahre 2003, 2009, 2012 und 2015 sei 2018 doch noch einmal ganz anders gewesen, nämlich ein meteorologischer Regelverstoß mit Superlativen auf Schritt und Tritt. Es gab den wärmsten April, den wärmsten Mai und den zweitwärmsten August seit 1881. An 47 Tagen herrschten Temperaturen von 30 Grad oder mehr, und es gab ein Niederschlagsdefizit von 40 Prozent. Mengler stellte weitere Kuriositäten vor: „Frühestes Blütenende, frühester Lesebeginn, Burgunder vor Bacchus, Silvaner vor Müller-Thurgau. 2018 – ein Weinjahr, bei dem einen die Worte fehlen, man wird zuweilen sprachlos.“

Durch den Superjahrgang werde es heuer auch keine Oechsle-Rallye geben, denn es wurde eine weinprofilbezogene Lese durchgeführt. Hohe Mostgewichte seien in Zeiten des Klimawandels längst kein Ausweis besonderer Qualität. „Wir wollen finessenreiche Weine, mit passendem Alkoholgehalt, welcher die Herkunft zeigt. 95 Grad Oechsle für einen Gutswein braucht kein Mensch“, so Mengler. Dennoch sei die Statistik des 2018er-Weins lupenrein. Es gebe sehr gute Mostgewichte, geschätzte 89 Grad Oechsle, gute Erntemengen von etwa 86 Hektoliter pro Hektar, ausgesprochen gesunde Trauben mit moderate Säuren – bei den Rotweinsorten eine sehr gute Durchfärbung und expressive Gerbstoffe. Aber Achtung: „Den typischen Wein des Jahrgangs 2018 gibt es nicht, vom kleinen Smart bis zur opulenten Stretchlimousine ist alles dabei.“

Außerordentliche Ernte

Eine ungewöhnliche Mischung aus Lob, Freude über das außerordentliche Weinjahr, aber auch die Sorge um die Zukunft des fränkischen Weinbaus angesichts des Klimawandels standen eingangs im Mittelpunkt der Begrüßung durch den VDP-Vorsitzenden Robert Haller. Der sprach von einem Jahr als „das Maß aller Dinge“. Trotz der großen Hitze und der Trockenheit sei es den Winzern gelungen, mit den reichlichen Winterniederschlägen haushalten zu können und mit einer großen Portion Geschick eine außerordentliche Ernte einzufahren.

Traditionell gibt es zu jedem „Niederfall“ des VDP auch eine größere Weinspende. Die nahm in diesem Jahr Mario Kölbl, Leiter der Dorfgemeinschaft Hohenroth, entgegen.

 
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