Fast ist es still, an diesem Sonntagmorgen in Ebelsbach. Verschlafen liegt die Gemeinde im Landkreis Haßberge unter einer Schneedecke. Doch im Gewerbegebiet, hinter den örtlichen Supermärkten, klingt und klirrt es - das Geräusch von Metall auf Metall. Hier, in einem Festzelt, findet gerade die erste bayerische Hufschmiedemeisterschaft statt. Mitten auf dem Parkplatz des Hufbeschlagartikelgeschäfts von Veranstalter Sven Bräutigam.
In den vergangenen beiden Tagen traten insgesamt 38 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in verschiedenen Wettbewerben gegeneinander an. An diesem Morgen stehen die acht Finalisten aus der Profiklasse im Zelt. Eine Hufschmiedin und sieben Hufschmiede aus Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz. Sie haben sich bei den vorherigen Wettkämpfen gegen zwölf weitere Mitbewerberinnen und Mitbewerber durchgesetzt.
Sowie: vier imposante Pferde der Fuhrhalterei Bachmann aus Langula in Thüringen, die nun neue Hufbeschläge bekommen. Und das unter Zeitdruck. 90 Minuten hat jeder und jede Zeit, um aus zwei Stangen Flachstahl, etwa so groß wie eine Fernbedienung, zwei perfekt sitzende Hufeisen zu schmieden.
Die Meisterschaft trägt ihren Namen, weil sie in Bayern stattfindet, erklärt Initiator Sven Bräutigam. Zum ersten Mal, und das in Ebelsbach. Die Meisterschaft in Ebelsbach ist offen - teilnehmen kann also jeder Hufschmied, jede Hufschmiedin, auch aus dem Ausland. Während es in England häufiger Wettkämpfe dieser Art gebe, seien solche Veranstaltungen in Deutschland recht selten. Weitere Wettkämpfe werden laut Bräutigam sonst nur in Mittel- und in Norddeutschland sowie im Bergischen Land in Nordrhein-Westfalen veranstaltet.
Die Wettbewerber sind an diesem Tag Konkurrenz und Mannschaft zugleich. Jeweils zu zweit arbeiten sie an einem Pferd. In der ersten Runde schmiedet der eine, der andere hilft. Sobald die Zeit abgelaufen ist, wird gewechselt – dann geht es wieder von vorne los und das Pferd bekommt zwei weitere Beschläge.
Es geht los. Die Zeit läuft. Die beiden Hufschmiede Peter Brülisauer und Niklaus Bigler aus der Nähe von Bern bilden das Schweizer Team. Sie müssen "Onkel" neu beschlagen – ein stattliches Pferd der Rasse Schweres Warmblut. Innerhalb weniger Minuten befreit Brülisauer "Onkel" von zwei abgetragenen Hufeisen. Der Schweizer klemmt sich zuerst den vorderen linken Huf des Rappens zwischen die Beine und zieht mit geübten Handgriffen die Nägel aus dem alten Eisen. Dann folgt der hintere rechte Huf.
90 Minuten Zeit für zwei selbst geschmiedete Hufeisen
Brülisauer lässt sich Zeit, er sieht sich die Hufe ganz genau an. Alle sechs bis acht Wochen benötigt ein Pferd neue Beschläge, in der Zwischenzeit wächst das Hufhorn nach. "Onkel" bleibt entspannt, er ist die Prozedur gewohnt. Mit einer Klinge entfernt der Hufschmied das nachgewachsene Horn und säubert den Huf.
Die meisten Hufschmiede schmieden die Eisen heutzutage nicht mehr komplett selbst, sondern passen vorgefertigte Beschläge auf das benötigte Maß an. Wer ein eigenes Eisen anfertigt, benötigt Erfahrung, gutes Augenmaß - und Fingerspitzengefühl. Das hat Brülisauer. Er nimmt Maß mit einem schmalen, metallenem Lineal und misst die beiden Hufe aus.
Dann wechselt der 36-Jährige zu seinem Arbeitsplatz – an diesem Tag die wenigen Quadratmeter, die ihm zwischen Amboss, "Onkel", einer Wassertonne und einem kleinen Gasofen bleiben. Kollege Niklaus Bigler zieht den erhitzten Flachstahl aus dem Ofen und tunkt die beiden Endstücke in die Wassertonne. Das Metall leuchtet auf in einem grellen Orange.
Draußen vor dem Zelt in Ebelsbach hat sich mittlerweile eine Menschentraube gebildet. Etwa 30 Zuschauerinnen und Zuschauer, eingemummelt in Winterjacken und bunten Schals, beobachten gespannt den Wettkampf. Wer im Zelt arbeitet, hat deutlich weniger an: T-Shirt, Hose, Schmiedeschürze. Das reicht. Die Arbeit mit dem heißen Eisen ist schweißtreibend.
Der Hufschmied übernimmt das Werkstück und legt es auf den Amboss. Mit einem schweren Hammer schlägt er auf das glühende Stück Eisen ein. Er staucht das Material, wieder und wieder. So wird das Eisen in der Mitte breiter - der Stahl sprüht imposante Funken. Wer hier arbeitet, darf keine Angst vor Verbrennungen haben.
Die Minuten verstreichen. Ein großes Display zeigt an, wie viel Zeit noch bleibt. 60 Minuten. Die vier Teams arbeiten parallel im Zelt, höchst konzentriert. Die Anspannung im Zelt lässt sich fast mit den Händen greifen. Jeder Hammerschlag muss sitzen, denn bei Schmieden der neuen Hufeisen kommt es auf jeden Millimeter an.
Langsam nehmen die Beschläge Form an. Das gerade Stück Stahl verwandelt sich in ein orange leuchtendes U. Wie gut die Hufeisen gelingen und auch, ob die Pferde bei der Prozedur ruhig bleiben, bewerten zwei Juroren. Während des Wettkampfs schlängeln sie sich immer wieder vorsichtig zwischen Pferden und Teilnehmenden hindurch und beobachten alles.
Immer wieder müssen die Eisen zurück in den Ofen, damit die Hufschmiedinnen und Hufschmiede die Werkstücke auf die benötigten Maße anpassen können. Zwischen 1000 und 1200 Grad heiß ist das Material während dieser Arbeitsschritte. Brülisauer schlägt die Falz – die Rille, in der nachher die Nägel ihren Platz finden – ins Eisen und stanzt danach die Nagellöcher aus. Noch 15 Minuten.
Der Geruch von verbranntem Horn liegt in der Luft
Dicke Rauchschwaden steigen dann von den Hufen der Tiere auf, als die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die heißen Eisen darauf pressen. Es riecht streng im Zelt. Der Geruch von verbranntem Horn ist kein angenehmer.
Auch Peter Brülisauer sieht nach, ob "Onkel" die Hufeisen passen. Ganz zufrieden ist er nicht. Er muss nacharbeiten, schneidet erneut Hufhorn weg und kerbt an der Spitze des Hufs einen Aufzug für die Kappe frei. Die kleine Ausbuchtung soll dafür sorgen, dass der Beschlag am Huf sicherer sitzt. Zurück am Amboss schlägt der Schweizer erneut mit schnellen, kräftigen Schlägen auf das Eisen ein.
Die Schweizer wechseln vom Amboss zum Pferd. Bigler hält den Huf fest. Brülisauer schlägt die Nägel ins Eisen und vernietet sie. Die letzten 30 Sekunden. Schnell wird der frisch beschlagene Huf nochmals gefeilt, geschliffen und poliert. Die Zeit ist um. Der Schweizer hat es rechtzeitig geschafft. Doch Zeit für eine Verschnaufpause bleibt ihm kaum. In Runde zwei muss er seinem Kollegen Niklaus Bigler zur Seite stehen.
Das Teamwork der beiden zahlt sich aus. Am Ende des Tages belegt Peter Brülisauer den zweiten Platz. Geschlagen hat ihn der Niederländer Marteen Abbink. Preisgeld gibt es keines, aber einen Pokal und Werkzeuge zum Schmieden.
Bei der Meisterschaft komme es nicht unbedingt darauf an, oben auf dem Siegertreppchen zu stehen, sagt Veranstalter Sven Bräutigam. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollen viel eher Erfahrung sammeln, ihre Fähigkeiten trainieren und sich mit Kolleginnen und Kollegen austauschen. "Es ist wie eine große Familie hier", erklärt der 49-Jährige. "Die Welt der Hufschmiede ist klein, man kennt sich untereinander."