
Seit Wochen wird sortiert, abmontiert, ausgeräumt. Das Theater zieht für die kommenden beiden Spielzeiten ins Behelfsquartier. Und hinterlässt ein Haus voller Erinnerungen.Das schicke schwarze Cabrio war ursprünglich keines. Bevor es im Musical "Evita" mitspielen durfte, musste erst das Dach abgeflext werden. Jetzt steht es verstaubt und gar nicht mehr so schick in der Schreinerei des Würzburger Mainfranken Theaters. Hinter der Windschutzscheibe ein handgeschriebenes Pappschild mit den Worten "Finger weg! Privat!" Es hat sich offenbar ein Abnehmer gefunden für das fahruntüchtige Gefährt, das nicht mal mehr einen Motor hat.

Das Mainfranken Theater zieht aus. Oder um. Oder beides. Das Große Haus wird während der kommenden beiden Spielzeiten saniert, Ausweichquartier ist die Blaue Halle auf dem Gelände der Firma va-Q-tec in der Dürrbachau. Dort stehen neben der Veranstaltungshalle auch Räume für die theatertypischen Gewerke zur Verfügung: Schreiner, Schlosser, Maler und Plastiker, Schneider.
Die Beleuchtungsmeisterin sichtet ihren Bestand
Dank des vorzeitigen Endes der Spielzeit im April wird am alten Standort schon seit Wochen sortiert, abmontiert und ausgeräumt. Die Schreinerei ist schon leer, die letzte große Säge ist gerade abgeholt worden und wird demnächst im Übergangsquartier aufgebaut. In der Schlosserei stehen Scheinwerfer in Folie verpackt in Reih und Glied. Auch der hohe, helle Malersaal wirkt verlassen, bis auf einige großformatige Gemälde aus früheren Produktionen, die an den Wänden und auf der Galerie lehnen. Und bis auf zwei Auszubildende, die sich hier noch auf ihre Abschlussprüfung als Theatermalerinnen vorbereiten.

Im Saal haben die Kollegen vom Ton außer dem Mischpult fast alles abmontiert, von der Decke ihrer Kanzel hängen nur noch ein paar Kabel. Beleuchtungschefin Mariella von Vequel-Westernach hat ihren Bestand sortiert – was in der Blauen Halle zum Einsatz kommen wird und was für das künftige Große Haus erstmal eingelagert wird.
Einblicke in kuriose Konstruktionen
Da im Ausweichquartier echtes und nicht nur behelfsmäßiges Theater stattfinden soll, wird dort eine ordentliche Ausstattung gebraucht. Mariella von Vequel-Westernach möchte allerdings so viel wie möglich mit Moving Lights arbeiten, also den flexiblen, ferngesteuerten Scheinwerfern, wie sie im Großen Haus etwa direkt über der Bühne installiert waren. Und: Möglicherweise muss sie mit weniger Stromleistung zurechtkommen, weswegen sie über einem Energiesparkonzept sitzt. Mehr LED, weniger Halogen. Nun ist zu klären, welche Geräte auf andere Leuchtmittel umgerüstet werden können und welche nicht.
Auf der überraschend geräumigen Z-Brücke, also der Beleuchtungsempore an der Decke über dem "Z"uschauerraum, gibt es nur noch ein paar Bürostühle, ein wenig Krimskrams und ein altertümliches Haustelefon. Die stabile Stahlschiene, an der einst die großen Scheinwerfer befestigt waren, ist leer.

Die Birnen des Saallichts hängen den Scheinwerfern im Weg
Von hier aus kann man das kuriose Aufhängungssystem des Saallichts oberhalb der Deckenverkleidung sehen. Die Kabel der vielen nackten Einzelbirnen, typisches Gestaltungselement der 60er Jahre, sind auf Spulen aufgewickelt, die wiederum zu Reihen zusammengefasst an drehbaren Stangen befestigt sind: Müssen die Birnen einer Reihe gewartet werden, dreht man die Stange, vorzugsweise mit Hilfe eines Akkuschraubers, so lange, bis sich so viel Kabel abgewickelt hat, dass die Birnen von unten erreichbar sind.

Aus Sicht der Beleuchtungschefin ein zeitraubendes System. Außerdem hängen die Birnen im Normalzustand direkt im Luftraum zwischen Z-Bühne und Bühne, somit dem Licht im Weg. "Das ist keine optimale Planung", sagt Mariella von Vequel-Westernach, "wir müssen deshalb immer gleichzeitig auch von der Seite Licht auf die Bühne bringen, sonst würde man im schlimmsten Fall die Schatten der Birnen sehen".

Die Beleuchtungsmeisterin hat für etliche feste Häuser das Licht verantwortet, in Berlin etwa, in Basel, München, Graz, St. Gallen, Helsinki. Und bei Veranstaltungen wie der Expo Hannover oder der RuhrTriennale, wo sie nicht auf vorinstallierte Infrastruktur zurückgreifen konnte. "Ich sehe deshalb sehr gelassen der Blauen Halle entgegen."
Auf der eigentlich ausrangierten Bühne ist Betrieb
Kurioserweise ist auf der Bühne Betrieb: Bauprobe für ein Stück, das in der Blauen Halle aufgeführt werden soll. Das Team baut ein Modell des geplanten Bühnenbilds in Originalgröße auf. Die Hebelemente des Bodens sind so hochgefahren, dass sie in etwa der Fläche entsprechen, die bei va-Q-tec zur Verfügung stehen wird. Regisseur und Darsteller sollen ein Gefühl für die künftigen Bedingungen bekommen. "Es ist unsere Aufgabe, Räumlichkeiten für die Stücke zu schaffen", sagt Bühnenmeister Ronald Rudroff. Wie das dann drüben tatsächlich funktioniert, weiß noch niemand. "Das wird eine improvisierte Geschichte werden."


Im harten Licht des Arbeitstags wirken die abgeschabten, durchgesessenen gut 700 Sitze des Zuschauerraums mit ihren ehemals grünen Kordbezügen noch schäbiger als in der Vorfreude des Abends. Was mit ihnen passiert, ist übrigens noch nicht klar. Zwei Flohmärkte mit ausrangierten Theatermaterialien hat es schon gegeben, vielleicht kommt ja noch eine Sessel-Auktion. Die würde sich dann aber wohl weniger an Freunde von Vintage-Designs richten als an Nostalgiker, die in diesem Haus viele, viele emotionale Stunden verbracht haben.
