
Sie braucht nur Filz und Stroh. Und Bügeleisen, Nähmaschine, Holzformen. Laura Zieger beherrscht ein altes, traditionsreiches Handwerk. Und weiß um die Wirkung ihrer Hüte.
Ihren ersten Hut machte sie mit zwölf. Beim Praktikum im Würzburger Hutladen. Modistin Maria Helsper ließ die Schülerin im Geschäft die Regale abgehen und einen Wunschhut aussuchen. Und den durfte sie nachmachen. Laura Zieger griff nach einer Glocke. „Rundkopf, aus Stroh.“ Der Strohhut entstand, die Zwölfjährige setzte ihrem Erstling noch Filzblüten drauf. Und den Hut sich selbst auf den Kopf, im Schulbus.
"Ich muss knallrot geworden sein. Wahrscheinlich sah ich total trutschig aus", sagt Laura Zieger. Aber sie habe das durchgezogen, die komplette Busfahrt lang. Und nach dem Praktikum gingen ihr Hüte . . . nun ja, nicht mehr aus dem Kopf.

"Filzblüten auf Stroh!??", sagt Laura Zieger 20 Jahre später und schüttelt lachend den behüteten Kopf. Hut trägt sie noch immer, Strohhüte macht sie noch immer, Filzblüten auch – aber die würde sie heute doch eher nur auf Filzhüte setzen. In ihrem Atelier im Hinterhof in der Würzburger Hofstraße entsteht gerade wieder einer.
Die Modistin, gerade 33 geworden, hat die Casteller Schlossparktage im Blick. Ende Mai wird sie dort, bei dem Markt für schöne Dinge, mit ihren Kreationen dabei sein. Und ein paar Modelle will sie noch machen bis zur Ausstellung. Auch wenn die Sommerzeit beginnt und gerade alle Strohhüte möchten – Zieger hat zum Rohling aus Haarfilz gegriffen, blau und weich. Am Hutweiter macht sie den Stumpen formbar mit Hitze, Druck und Feuchtigkeit. Und zieht ihn, noch feucht, auf die Holzform.



Fünf bis sechs Stunden wird es dauern, bis der blaue Filzhut bereit ist für eine Trägerin. Strohhüte, die jetzt in Sommer Saison haben, gehen schneller, sagt Laura Zieger. Was wäre ein König ohne Krone? Ein Gentleman ohne Melone? Die Hutmacherin aus Würzburg erzählt, während sie den Filz mit weicher Bürste bearbeitet, wie sie schon als Kind fasziniert war von Kopfbedeckungen. Und von ihrer Wirkung.
Nach ihrer Schulzeit war sie nach Peru gegangen, hatte Freiwilligendienst geleistet in einem Blindeninstitut für Kinder. Und sie hatte sich, auf über 3000 Metern Höhe in den Anden, einnehmen und verzaubern lassen von der Tracht, den bunten Röcken, Tüchern und verzierten Taschen der Quechua-Frauen. Und: den Hüten!
Mit vollen Hutkoffern nach London . . .
Zurück aus Peru gab es kein Zurück mehr. Sie entschied sich für das alte Handwerk. Laura Zieger ging nach Potsdam, machte eine Ausbildung zur Modistin, legte 2013 die Gesellenprüfung ab, packte ihre Hutkoffer, flog nach London, klingelte dort mit ihren Kopfbedeckungen im Atelier bekannter Hutmodemacher und . . . Ein schneller Griff zum kleinen Bügeleisen, unter einem feuchten Tuch wird der Filzstumpen zügig in Form gebracht. Dann fixiert die Würzburgerin, die so gerne andere Menschen behütet, ihn mit Kordel, Pins und Modistendraht auf der Holzform.


Noch mal das Bügeleisen, Hand, feuchtes Tuch . . . letzte Unebenheiten müssen raus. Mindestens 24 Stunden lang muss der blaue Filz nun trocknen, bis Laura Zieger ihn weiterverarbeiten kann. „Hutgemacht“, ihr eigenes Atelier in der Würzburger Innenstadt, gründete Zieger vor sieben Jahren. Drei Tage in der Woche arbeitet sie wieder bei ihrer Mentorin, im Hutladen von Maria Helsper, wo einst alles begann. In der übrigen Zeit zieht sie für ihre eigenen Kreationen Rohlinge in Form und putzt sie heraus mit Blüten, Bändern, Schleiern.
Nächster Tag, der Filz ist trocken, die Modistin befreit ihn von den Pins und bürstet mit etwas Dampf letzte Fixierungsspuren heraus. Wer wohl mal tragen wird, was da gerade entsteht? Für die 33-Jährige ist "unglaublich spannend, was eine Kopfbedeckung mit den Trägern macht". Sie bügelt die Krempe in Form, nimmt den Filz vom Holz und sagt: "Die Leute stehen plötzlich aufrechter, die Augen strahlen – als hätte vorher etwas gefehlt." Zieger freut sich immer wieder, wenn jemand in ihrer Werkstatt einen Hut aufsetzt, in den Spiegel schaut – und alles passt.
Hüte, Kappen, Mützen: Nie ohne Kopfbedeckung aus dem Haus
Sie selbst trägt ihre Entwürfe auch. Oder zumindest Kappe oder Mütze. Geht sie aus Versehen mal ohne aus dem Haus, werde sie auf der Straße nicht mal von Freunden erkannt. "Ein Hut kann so viel!"
Zum Umklappen der Krempe und Befestigen des Hutrands geht es an die Nähmaschine. Das Handwerk ist dasselbe wie vor 100 Jahren: Dämpfer, Hutweiter, Fingerhut, Zange, Maßband, Nadel, Faden. Noch einmal Dampf und weiche Bürste, unter den Händen der Modistin erhält der Filz seine Struktur und den Glanz.




Hüte, sagt sie, sind modisches Accessoire geworden. Und – das merkt sie beim Beraten immer wieder – auch eine Notwendigkeit, oft fast Medizinprodukt: "Für viele Menschen wird es immer wichtiger, die Haut vor der Sonneneinstrahlung zu schützen." Ein Grund für die Nachfrage nach Hüten aus Stroh: "Eigentlich ist im Winter Hauptsaison für Kopfbedeckungen. Jetzt merke ich, dass sich das durch den Klimawandel in den Sommer verschiebt.
Fehlen noch Schmuckband und Futterband, der blaue Hut ist fast fertig. Laura Zieger legt die Nadeln zur Seite, dreht ihr neues Stück in den Händen. Und lächelt. Vermutlich wird sie ihn behalten – und selber tragen.
