Starts und Landungen, Wiedersehen und Abschiede: "Am Flughafen kommt alles zusammen: Menschen aus allen Ländern der Erde, beeindruckende Persönlichkeiten und schillernde Gestalten. Hier pulsiert das Leben!", hat Pater Walter Maader einmal gesagt. Über drei Jahrzehnte lang arbeitete er an Deutschlands größtem Flughafen und half Menschen aus aller Herren Länder, egal welcher Sprache oder Religion. Geboren wurde der Ordensmann der Pallottiner 1928 in Würzburg. Hier erlebte er auch die Bombardierung Würzburgs durch die Alliierten am 16. März 1945.
Nach seiner Kaplanzeit in der Limburger Pfarrei St. Marien wechselte er 1972 an den Frankfurter Flughafen und wirkte dort bis zu seinem 75. Geburtstag. Als Pionier der Flughafenseelsorge in Deutschland baute er diese bundesweit mit auf. Seine vielen interessanten Begegnungen veröffentlichte er in dem Buch "Höhenflüge und Bruchlandungen". Heute lebt er in Vallendar bei Koblenz im Ruhestand. Im Interview gibt der mittlerweile 96-Jährige, der vergangene Woche auch im Würzburger Matthias-Ehrenfried-Haus zu Gast war, Einblicke in seine Arbeit. Er erzählt von Gestrandeten am Flughafen, Trauernden nach Anschlägen und besonders schönen Momenten.
Pater Maader: Ja, einmal kam eine Frau zu mir in die Kapelle am Terminal 1, die bitterlich weinte. Sie sagte "Ich möchte einfach nur weinen". Ich ließ sie gewähren und fragte irgendwann, ob ich ihr helfen könne. Da sagte sie mir, dass sie gerade am Flughafen einen Anruf bekommen hatte, dass ihre Tochter und ihre Enkeltochter bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt waren. Es gibt Momente, da fehlen einem die Worte. Ein weiterer tragischer Moment war, als drei junge Frauen zu mir kamen, die sichtlich unter Schock standen. Eine der jungen Frau stand kurz vor ihrer Hochzeit. Die drei Freundinnen waren mit ihren Partnern im Karibikurlaub gewesen. Am letzten Urlaubstag gingen die Männer noch einmal zum Schwimmen ins Meer und ertranken alle drei. Die Frauen mussten allein zurückfliegen und saßen dann bei mir in Frankfurt, bevor der Anschlussflug ging. Es war unfassbar.
Pater Maader: Ja, das werde ich nie vergessen. Das war einer der schrecklichsten Tage meiner ganzen Seelsorger-Zeit in Frankfurt. Es war der 19. Juni 1985, als die Bombe in der Abflughalle des Frankfurter Flughafens explodierte. Es gab drei Tote und auch viele verletzte Menschen, die wir dann noch längere Zeit im Krankenhaus mit begleitet haben. Ich war mittendrin, die Polizei hatte uns sofort dazu gerufen, um zu helfen. Die Not der Menschen zu sehen, die Angehörige verloren hatten, war extrem. Für sie wird immer die Frage nach dem Warum bleiben.
Pater Maader: Ja natürlich. Eines davon ist eine Hochzeit, die in der Luft stattgefunden hat. Mich hatte ein Paar angefragt, ob ich sie trauen könnte. "Ja klar", war meine Antwort, bis ich begriff, dass sie in der Luft heiraten wollten. Die Idee fand ich aber gar nicht schlecht. Ich bekam die Erlaubnis vom Limburger Bischof, das Paar charterte einen Flieger, in den ein Altar eingeschraubt wurde. Einzige Bedingung: Wir mussten wegen der Koordinaten für die Heiratsurkunde während der Trauung über dem Diözese-Standort Limburg bleiben und kreisten über dem Dom. Ich habe danach nie wieder gehört, dass eine katholische Trauung in einem größeren Flugzeug stattgefunden hätte. Übrigens hat die Ehe gehalten und bald wird Goldene Hochzeit gefeiert.
Pater Maader: Da kam eine Dame aus den USA angereist, die hatte ihre siamesische Katze dabei, die "Königin von Saba". Sie war unterwegs nach Arabien, um der "Königin" ihre Heimat zu zeigen. Als sie der Katze Wasser geben wollte und den Käfig öffnete, entwischte diese. Es war ein Drama. Die Dame wollte nicht ohne ihre Katze weiterreisen. Sie hatte genügend Geld, kam im Hotel unter und mehrere Tage lang wurde nach der Katze gesucht. Am vierten Tag kam "Königin von Saba" plötzlich wie aus dem Nichts zurück. Die Dame war überglücklich und flog weiter.
Pater Maader: Die drei jungen Männer waren so betrunken, dass sie vom Flugkapitän nicht mitgenommen wurden und zu uns geschickt wurden. Hier haben wir sie mit starkem Kaffee aufgemöbelt, ihnen erklärt, warum sie in ihrem Zustand nicht fliegen durften. Abends habe ich die Jungs am Terminal auf einen Sessel platziert, habe ihnen noch eingetrichtert: "Kein Alkohol". Am nächsten Tag waren sie genauso betrunken wie zuvor. Sie erzählten von einem "Wunder", dieses in Form von einer Flasche unangebrochenem Whisky am Nebentisch erschienen sei. Es folgte das gleiche Prozedere, sie durften nicht mitfliegen und wir kochten starken Kaffee. Das "Wunder" konnten wir aufklären, der Whisky gehörte anderen Fluggästen, deren Flug dann aufgerufen worden war.
Pater Maader: Es gab mal einen Geschäftsmann aus den USA, der hatte geheime Dokumente in seinem Samsonite-Koffer. Dieser war an seinem Handgelenk mit einer Handschelle festgemacht. Er hatte ein paar Stunden Aufenthalt und die Handschellen kurz abgemacht. Als er einnickte, wurde sein Koffer mit allen geheimen Papieren gestohlen. Auch sein Geld war darin. Er kam verzweifelt zu uns, um mit seiner Firma in den USA zu telefonieren. Auch das Schicksal einer fünfzehnjährigen Türkin, die in Deutschland aufwuchs, hat mich sehr bewegt. Sie sollte mit dem Onkel in die Türkei fliegen, um dort verheiratet zu werden. Sie wollte das nicht und die Ausreise konnte mit meiner Hilfe und der Polizei verhindert werden. Wie es weiterging, weiß ich leider nicht.
Pater Maader: Ja, sie war eine sehr angenehme Persönlichkeit. Wenn sie herkam, ging sie in die Kapelle, hatte immer den Rosenkranz dabei. Einmal bat sie mich, eine Nummer für sie anzurufen. "Ich möchte mit dem amerikanischen Präsidenten sprechen", sagte sie. Ich war etwas verwirrt, wählte aber die Nummer. Nach mehreren Rückrufen wurde sie tatsächlich mit dem damaligen US-Präsidenten Reagan verbunden. Sie erzählte ihm, dass sie gerade aus dem Süden Sudans kam und dort Kinder an Hungersnot starben. Dagegen müsste etwas getan werden. Nachher erzählte sie mir, dass Reagan veranlasst hatte, Hilfsgüter in den Sudan zu schicken. Durch den Friedensnobelpreis hatte sie bei vielen Politikern einen Sonderstatus.
Pater Maader: Das ist ein großes eigenes Thema. Da kam zum Beispiel mal eine Amerikanerin mit ihren drei Kindern, die fliegen musste, weil ihr Mann in die USA versetzt worden war. Sie hatte wahnsinnige Flugangst. Ich versuchte sie zu beruhigen und begleitete sie mit in den Flieger. Später schrieb sie mir, dass sie den gesamten Flug schreckliche Todesangst hatte. Ich erinnere mich auch an zwei Freundinnen, die auf die Kanaren fliegen wollten. Die eine bekam solche Flugangst, dass sie zu uns kam. Ich versuchte alles, aber als es zum Aufbruch kam, ist sie nicht eingestiegen.
Das Buch "Höhenflüge und Bruchlandungen: Der dienstälteste Flughafenseelsorger Deutschlands erzählt" ist im Handel erhältlich (bene! Verlag, Verlagsgruppe Droemer Knaur).