Ein Würzburger Seniorenheim ist vom Coronavirus betroffen. Dort sollen Angehörige auf vermeidbare Besuche verzichten. Das hat die Heimleitung entschieden, nachdem ein zweiter Fall dazugekommen ist. Diesen bestätigte die leitende Stiftungsdirektorin des Bürgerspitals, Annette Noffz, bei einer Pressekonferenz am Dienstagmorgen. Einer der Senioren sei in einem schlechten Zustand ins Krankenhaus eingeliefert worden, litt aber bereits an einer Vorerkrankung. Dem anderen Patienten gehe es etwas besser. Nicht nur für die Bewohner ist die Situation angespannt, auch auf den Betrieb der Seniorenheime hat die Krankheit Auswirkungen.
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"20 von 350 Mitarbeitern befinden sich in Quarantäne", so Noffz. Derzeit könne man das personell noch kompensieren, sollten weitere Fälle dazu kommen, werde es aber schwierig. "Wir tun alles, um die Bewohner und Mitarbeiter zu schützen", sagt die Direktorin. Zwei Wohnbereiche des Seniorenheims Ehehaltenhaus/St. Nikolaus seien stärker isoliert worden. Der Leiter des Gesundheitsamtes Würzburg, Johann Löw, zeigte sich von der neuen Entwicklung im Seniorenheim und dem Umstand, dass nicht klar sei, wo ein 83-jährige Bewohner sich angesteckt hat, beunruhigt.
Alte Menschen leiden unter Besuchsverbot
Schon länger treibt Angehörige die Frage um, ob sie mit ihren Besuchen die betagten oder kranken Menschen womöglich in Gefahr bringen. Die Entscheidung sei, so ergab eine Anfrage bei verschiedenen Einrichtungen in der Region, immer ein Spagat zwischen erhöhter Gefährdung und drohender Einsamkeit der Betroffenen. Sollte die Ausbreitung des Coronavirus sich über Monate hinziehen, seien in Folge der drohenden Einsamkeit auch Depressionen zu erwarten.
Der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Berufsverbandes für Altenpflege (DBVA), Bodo Keißner-Hesse, weiß um das Problem. "Für Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben, ist es eine große Belastung, wenn Besuche eingeschränkt werden. Diese Menschen haben bereits häufig Verluste erlebt. Verlust der Wohnung, aber häufig auch von Angehörigen. Eine weitere Einschränkung bei Besuchen trifft sie daher besonders hart", erklärte er gegenüber dieser Redaktion. Dennoch sei es im Falle von lokalen Infektionshäufungen notwendig, Gemeinschaftsaktivitäten und Besuche einzuschränken, um pflegebedürftige Menschen zu schützen. "Ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen entwickeln bei einer Infektion mit dem Coronavirus häufig besonders schwer verlaufende Erkrankungen."
Aufgabe sei es nun, das allen Beteiligten nachhaltig zu vermitteln. "Unsere Erfahrung zeigt, dass Angehörige sich in aller Regel nach einer guten Sachinformation sehr verantwortlich verhalten", so Keißner-Hesse. Diese Erfahrung haben auch Heimleitungen in Unterfranken gemacht. Bewohner würden zu Telefongesprächen mit ihren Lieben ermuntert und man versuche, innerhalb des Hauses für eine gute Atmosphäre und individuelle Abwechslung zu sorgen, heißt es aus einem Alten- und Pflegeheim im Landkreis Schweinfurt.
Altenheime setzen auf die Vernunft der Besucher
Bei der AWO, Bezirksverband Unterfranken etwa, die 17 stationäre Altenheime, elf Tagespflege-und fünf ambulante Einrichtungen betreibt, setzt man ebenfalls auf die Vernunft und Eigenverantwortlichkeit der Bürger. Wer sich krank fühle, solle Besuche vermeiden. Wie auch in anderen Einrichtungen in der Region, richte man sich nach den Vorgaben der Behörden und den Anweisungen des Landesverbandes. Zudem komme im Bezirk regelmäßig ein Krisenstab zusammen. An Eingangstüren und in Treppenhäusern seien entsprechende Hinweistafeln für Besucher angebracht. "Was den Pflegebereich betrifft, haben wir ohnehin schon hohe Hygiene-Standards", erklärt die unterfränkische Referentin für die ambulanten Dienste in der AWO-Tagespflege, Bettina Albert.
Keine einheitliche Regelung
Eine einheitliche Regelung, ab wann ein Seniorenheim ein Besuchsverbot verhängen sollte, gibt es nicht. Auch keinen offiziellen, einheitlichen Pandemie-Plan. "Die Pflegeeinrichtungen regeln notwendige Maßnahmen in Abhängigkeit von der Region und der Situation individuell", heißt es im Deutschen Berufsverband für Altenpflege. Grundlage seien dabei aber die Vorgaben des Robert Koch-Institutes, der Gesundheitsministerien des Bundes und der jeweiligen Bundesländer sowie der lokalen Gesundheitsämter. "Diese Vorgaben sind abgestimmt, so dass sich ein einheitlicher Standard ergibt."
Thomas Lindörfer, Geschäftsführer vom Kreisverband Schweinfurt des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), das ebenfalls Träger von Einrichtungen ist, treibt noch ein weiteres Problem um. So seien die von der kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) organisierten und dem BRK durchgeführten Fahrten von Ärzten zu potenziellen Corona-Patienten ein sensibler Bereich. "Unsere Fahrer bringen den angeforderten Arzt vor Ort und die Proben ins Labor. Früher sind die Fahrer mit dem Arzt ins Haus gegangen, das machen sie aktuell nicht mehr." Hintergrund sei ein Fall aus dem Rettungsdienst. So sei während der Behandlung des Patienten vor Ort eine weitere Person in den Raum gekommen, die sichtlich erkrankt gewesen sei und stark gehustet habe. Bis zur Klärung einer mutmaßlichen Ansteckung des Rettungsteams falle dieses nun aus. So etwas müsse vermieden werden, auch hier hofft Lindörfer auf die Vernunft der Bürger.
Die KVB hält ihren Fahrdienst mit einer Testung potentiell infizierter Personen in deren häuslicher Umgebung nach wie vor für die beste Lösung. Wie der Vorstand jetzt erklärte, würden zentrale Testeinrichtungen das Risiko einer weiteren Verbreitung des Coronavirus bergen. Menschen mit Krankheitssymptomen, die sich möglicherweise mit dem Coronavirus infiziert haben, sollten die Rufnummer 116 117 wählen. "Danach gilt es, in häuslicher Umgebung abzuwarten, bis der Fahrdienst mit dem Arzt zur Probenentnahme für den Test sowie bei Bedarf zur Durchführung einer weiteren Diagnostik und Behandlung kommt. Auch dabei sind Wartezeiten unvermeidlich, hier ist von allen Beteiligten Geduld gefragt“, so der Verband.
Arzt kommt ins Haus
Die Rufnummer 116 117 ist für Anrufer kostenfrei und rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche erreichbar. Die KVB hat die Kapazitäten in den drei Vermittlungszentralen in Augsburg, Bayreuth und München in den vergangenen Tagen stetig erhöht, alle zur Verfügung stehenden Telefon-Plätze sind besetzt. Für den Fahrdienst, der ebenfalls rund um die Uhr unterwegs ist, haben sich hunderte von Ärztinnen und Ärzten bayernweit freiwillig gemeldet.
Derweil erklärte der Ärztlicher Direktor des Uniklinikums Würzburg, Georg Ertl: "Wir müssen Kapazitäten für die Patienten freihalten, die wirklich Hilfe brauchen." Die Medizin lerne die Krankheit erst kennen, es gehe nun darum, Zeit dafür zu gewinnen. "Die Seuche wird sich weiter ausbreiten", ist er sich sicher.
Mitarbeit: Lucas Kesselhut