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Würzburg
Zehn Jahre "Würzburg erleben": Was sich digital geändert hat
Die bekannte Facebook-Seite aus Würzburg feiert Geburtstag. Die beiden Gründer erzählen, was die größte Veränderung war und was sie sich von der Zukunft erwarten.
Feiern mit 'Würzburg erleben' in diesem Jahr zehnten Geburtstag: die beiden Gründer Leonard Landois (links) und Christian Papay.
Foto: Thomas Obermeier | Feiern mit "Würzburg erleben" in diesem Jahr zehnten Geburtstag: die beiden Gründer Leonard Landois (links) und Christian Papay.
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:33 Uhr

Ihnen ist gelungen, wovon viele träumen: eine Online-Community mit fast 100 000 Fans aufzubauen und dabei das Lebensgefühl einer Stadt einzufangen und zu verbreiten. Christian Papay und Leonard Landois feiern mit ihrer erfolgreichen Facebook-Seite "Würzburg erleben" in diesem Jahr zehnten Geburtstag. Eines Nachts im Jahr 2009 gründete Papay im sozialen Medium eine "Fan-Page" namens "Würzburg". Seitdem hat sich vieles verändert und vieles entwickelt: Die Seite wurde umbenannt, Papay und Landois gründeten eine eigene GmbH und die Fans wurden mehr und mehr. Im Gespräch verraten die beiden Geschäftsführer, was die größte Veränderung in der Zeit war und was sie sich von der Zukunft erwarten.

Frage: Zehn Jahre sind eine lange Zeit – vor allem in der digitalen Welt. Welche Rolle haben Sie in dieser Entwicklung für Würzburg gespielt?

Leonard Landois: Christian und ich haben mit "Würzburg erleben" die Medienlandschaft in Würzburg verändert. Dabei ist es nicht nur der neue Kanal Facebook, den wir für Nachrichten genutzt haben, sondern die Art und Weise, wie wir Journalismus neu gedacht haben. Wir haben nicht das geschrieben, was uns interessiert, sondern das, was die Fans lesen wollten. Das ist dann eine Story über den Glühweinpreis, der von einem Jahr auf das nächste um einen Euro steigt. Sicher, das ist nicht die krasse, politische Investigativstory, aber es interessiert die Würzburger. Gut ausrecherchiert muss die Story dann aber trotzdem sein.

Christian Papay: Und Redaktionen entwickeln sich genau in diese Richtung. Es wird viel mehr gemessen, es wird viel mehr darauf geachtet, was wirklich gelesen wird. So wie wir uns von einem einfachen Kopieren von Pressemitteilungen hin zu eigenen Artikeln weiter entwickelt haben, so nähern sich jetzt Printredaktionen an unsere prozessuale Arbeitsweise an.

Landois: Und darauf sind wir wirklich stolz. Wir haben die Darstellungsform den Möglichkeiten des Mediums angepasst: wir haben in Echtzeit berichtet, sogenannte Developing Stories aufgesetzt und auch Live-Videos direkt bei Facebook gepostet. Als man uns noch für verwackelte Videos belächelt hat, waren wir schon Würzburgs größter "Fernsehsender" gemessen an den Abrufzahlen unserer besten Videos.

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Und was war die größte Veränderung in Ihrem Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren?

Papay: Ganz einfach: die kontinuierliche Veränderung. Früher haben wir viel Copy-Paste gemacht, heute schreiben wir eigene Artikel. Früher waren wir zu zweit, heute sind wir 12 festangestellte Kollegen. Wenn man genau zurück blickt, sind die Veränderungen natürlich krass, aber das eigentlich Wichtige sind die ständigen und kleinen Veränderungen. Man kann sich im Grunde nie ausruhen.

Landois: Eine weitere, große Veränderung war für uns der Einstieg der Mediengruppe Main-Post. Damit haben wir einen Branchenprimus als Mitgesellschafter bekommen, der uns einerseits bei der Strategie beraten konnte, andererseits die finanzielle Sicherheit gibt, weiterhin veränderungsintensiv arbeiten zu können. Denn Veränderung heißt ja immer auch finanzielles, persönliches Risiko.

Papay: Und dann haben wir uns natürlich noch aus Vermarktungssicht stark verändert. Wir haben "Würzburg erleben" damals nicht gegründet, um Geld zu verdienen, sondern um Spaß zu haben. Irgendwann wurde es dann so aufwendig und emotional, dass wir uns entscheiden mussten: entweder ganz oder gar nicht. Wir haben uns gegen die Romantik und für das Professionalisieren und Kommerzialisieren entschieden.

Haben sich in dieser Zeit auch die Fans verändert?

Papay: Klar! Als wir angefangen haben gab es in Würzburg vielleicht ein paar wenige tausend Facebook-Nutzer. Dann kamen nach und nach immer mehr Menschen dazu. Aber die, die mit 22 schon dabei waren, sind heute mit 32 natürlich auch noch dabei. Diese haben heute eine ganz andere Medienkompetenz und gehen mit den sozialen Netzwerken ganz anders um, als noch vor zehn Jahren. Teilweise ist es sogar etwas langweiliger geworden. Facebook war ja früher das absolute Selbstdarstellungs- und Kommunikationstool, heute ist es eher Standard geworden. Die Selbstdarstellung ist zu Instagram gewandert.

Apropos Instagram: Früher gab es "Würzburg erleben" ausschließlich auf Facebook. Welche Rolle spielen mittlerweile andere soziale Netzwerke?

Papay: Das ist in etwa so, wie man vor 20 Jahren gefragt hat, was eigentlich mit der Printzeitung passiert, denn auf einmal gab es "dieses Internet". Alles zersplittert mehr und mehr, sei es nach Interessen oder nach Generationen – und da ist es egal wie es heißt, ob Facebook, Instagram oder Snapchat. Man muss nur wissen, welche Möglichkeiten es gibt und welche Menschen man erreichen möchte. Und ja, konkret wird Facebook für gewisse Themen unwichtiger, nach wie vor haben wir dort aber die größte Reichweite – wenn auch nicht mehr mit der jungen, hippen Zielgruppe. Diese findet sich jetzt mehr auf Instagram. Aber auch hier haben wir frühzeitig investiert und die größte Verlags-Reichweite in Würzburg. Es kommt also immer darauf an, wann man wen wie erreichen möchte.

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Das heißt konkret, mehr Arbeit, aber gleichzeitig auch mehr Chancen?

Landois: Ja. Daraus ergibt sich auch unser unternehmerische Ausblick. Neben dem Tagesgeschäft für „Würzburg erleben“ beraten und konzeptionieren wir für unsere Partner und Kunden aus ganz Deutschland Social Media-Strategien. Wir begleiten, betreiben und betreuen deren Social Media Kanäle – bis hin zu aufwendigen Foto- und Video-Produktionen. Angesichts der zunehmenden Komplexität wird diese Dienstleistung immer stärker nachgefragt – und da sind wir die Experten: Monatlich arbeiten wir bereits über 15 000 Kommentare im Community-Management ab.

Ihr bestgeklicktester Artikel seit 2014 ist der Text über einen Amateur-Porno im Hörsaal an der Uni Würzburg. Sind "Sex and Crime" die Themen, die die Würzburger besonders interessieren?

Papay: Das hat nichts mit Würzburg zu tun, das ist generell ein menschliches Phänomen. Das heißt aber nicht, dass andere Artikel, die nichts mit "Sex and Crime" zu tun haben, nicht ähnlich stark gelesen werden. Die Inhalte müssen einfach gut sein.

Landois: Soziale Medien geben sofort Resonanz. Wir können schnell sehen, wie oft und wie lange ein Artikel gelesen wurde. So sind aktuelle Themen wie die Wohnraumnot bei unseren Fans genauso lesenswert wie "Sex and Crime".

2014 haben Papay und Landois die 50 000 Fan-Marke geknackt.
Foto: Würzburg erleben | 2014 haben Papay und Landois die 50 000 Fan-Marke geknackt.

Die einen lieben Sie, die anderen hassen Sie. Oft wird kritisiert, dass Sie mit Journalismus nichts zu tun haben, Sie nur Pressemitteilungen kopieren oder die Bildzeitung von Würzburg sind...

Papay: Mittlerweile kommt solche Kritik gar nicht mehr so oft. Und wir wussten ja immer durch die Zahlen, dass ein gewisses Interesse der Leser da ist.

Landois: Und wenn Kritik kommt, dann anders als früher. Es wird nicht mehr einfach nur gesagt "Würzburg erleben ist Mist"; es gibt jetzt inhaltliche Diskussionen um Formulierungen – bei der Polizeiberichterstattung zum Beispiel. So kam es auch schon vor, dass Stadträte oder der Oberbürgermeister unter unseren Artikeln kommentiert und mit unseren Lesern diskutiert haben. Das zeigt uns zum einen, wie akzeptiert wir mittlerweile sind, und zum anderen, was für eine große Relevanz unser Medium hat. Wie früher wird aber auch heute noch jede konstruktive Kritik bei uns in internen Meetings besprochen. Nur so können wir stetig besser werden.

98 500 Likes zählt "Würzburg erleben" mittlerweile auf Facebook. Das ist eine Menge. Was können die Fans bei 100 000 erwarten?

Papay: Wir sind ja bekannt für die Interaktion mit unserer Community. Vielleicht machen wir es so, dass Vorschläge von den Fans kommen sollen. Wir lassen uns gerne inspirieren.

Landois: Das ist wirklich verrückt, wenn man bedenkt, dass Würzburg eine Stadt mit 130 000 Einwohnen ist. Und ganz wichtig natürlich: Wir haben keinen einzigen gekauften Fan. Was sie erwarten können? Eine Überraschung!

 
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