
Als Social-Media-Plattform waren sie Pioniere in Würzburg. Das Lebensgefühl der Stadt einzufangen in einer aktiven Online-Community – das ist „Würzburg erleben“ gelungen. Vor wenigen Tagen haben sie die 80 000er Marke bei den Facebook-Fans auf ihrer Hauptseite überschritten. Ein Gespräch mit den Geschäftsführern Christian Papay und Leonard Landois über Anfänge, Entwicklungen, Journalismus und Hass im Netz.
Christian Papay: Es gab damals noch keine Facebook-Seiten, sondern nur Profile. Und wir sind drauf gestoßen, dass „Würzburg“ hier noch nicht vertreten war. Und so habe ich die Seite gegründet, aus Spaß an der Freud‘, nachts um drei. Dann ging alles erst los… Wir haben Facebook-Fans eingesammelt, Leo Landois und ich haben uns kennengelernt. Dass daraus ein großes Medium werden könnte – daran haben wir damals nicht gedacht.
Papay: Auch nachts um drei, an der Odeon-Bar. Wir hatten damals 2 000 bis 3 000 Fans, haben Studenten und ehemalige Kommilitonen eingeladen und haben überlegt: Wer könnte denn „Würzburg“ mögen, liken. So fingen wir an, Smartphone-Fotos aus Würzburg reinzustellen, das war damals ganz modern… Ich wollte dann was Sinnvolles daraus entwickeln und habe Leo getroffen, der damals noch bei „Würzburg macht Spaß“ war.
Leonard Landois: Damals wie heute wollen wir auf eine sympathische Art Würzburg präsentieren. Das haben wir zunächst vor allem über Fotos gemacht. Mittlerweile haben wir mehr Möglichkeiten: Videos und redaktioneller Input, also Infos über die Stadt. Dabei schauen wir nicht nur auf harte Nachrichten. Was wir machen, ist Infotainment, mit viel Service und Nutzwert für Alltag und Freizeit. Die Stadt als sympathischer Lebensort.
Papay: Wir hatten eine riesige Reichweite und haben Leute über Stadtthemen diskutieren lassen, etwa den Hotelturm. So ist Oberbürgermeister Rosenthal auf uns aufmerksam geworden. Die Sorge war, eine „Würzburg“-Seite könnte für einen offiziellen Kanal der Stadt Würzburg gehalten werden. Um Verwechslungen auszuschließen, haben wir uns auf die Umbenennung in „Würzburg erleben“ verständigt.
Landois: Wir haben damals die Facebook-Seite in der Freizeit betrieben, nebenher. Die ersten dreieinhalb Jahre ging das so. Immer sonntags haben Christian und ich uns getroffen und für die kommende Woche unsere Inhalte geplant. Oder haben abends nach dem Job über weitere Entwicklungen nachgedacht. Der Erfolg heute hat sehr viel mit der Disziplin und Kreativität zu Beginn zu tun.
Landois: Sieben Festangestellte und sechs freie Mitarbeiter bzw. studentische Hilfen.
Landois: Unser Team macht alles, was man auf „Würzburg erleben“ sieht – also Redaktion auf der einen und Vermarktung auf der anderen Seite. Wir produzieren Fotos, Videos, schreiben Artikel, nehmen Themen auf – allerdings nicht wie bei einer Tageszeitung, sondern wir bereiten die Inhalte für unsere Community auf. Das ist ganz wichtig und ein wesentlicher Unterschied: Wir beziehen die Fans ein, von ihnen kommen Themen und Diskussionen. Wir machen dies mittlerweile an zwei weiteren Standorten: in Schweinfurt und seit kurzem in Ansbach. Es ist – und das ist für unsere Mutter, die Main-Post, interessant – auch ein erfolgreiches Geschäftsmodell.
Papay: Das war wieder zu einer späteren Stunde, im Sternbäck dieses Mal. Es war Ende 2012 – da wurde es einfach stressig und nebenher alles zu viel. Das waren damals mindestens zehn bis 15 Stunden pro Woche. Es war für uns damals die Entscheidung: Verkaufen wir das Ding mit seiner Reichweite oder kündigen wir unsere bisherigen Jobs und professionalisieren das Ganze. Schon damals haben wir nach einem Investor Ausschau gehalten und die Gespräche mit der Main-Post kamen in Gang.
Landois: Ja, ist es. Aber nicht alles, was wir machen, ist reiner Journalismus. Man muss hier unterscheiden: Bei vielen Veröffentlichungen haben wir eher Magazin-Charakter. Große Verlage stellen ihre Online-Magazin mittlerweile ähnlich auf, mit sehr lebensnahen Service-Themen, zum Beispiel: Wann kann mir der Vermieter kündigen, oder, wo kann man in Würzburg gut frühstücken? Wir holen dann Informationen dazu ein und arbeiten nicht viel anders als andere Redaktionen. Wir bereiten es in der Tonalität niederschwelliger auf. Unsere Leser sollen Freude beim Lesen haben. Dies ist natürlich Journalismus. Zu komplexen Themen, Beispiel 16. März, holen wir uns auch Gastautoren und externen Sachverstand.
Papay: Ich glaube, es ist eine Mischung aus vielem. Der Journalismus entwickelt sich ständig weiter. Wir haben den Journalismus 2.0, also den Mitmach-Journalismus, sehr früh beherzigt. Wir sind eine Plattform, an der ganz viele teilnehmen können, zum Beispiel durch informative, qualifizierte Kommentare zu den Artikeln.
Vielleicht ist das Qualitätsjournalismus, wie man ihn aus der Tageszeitung kennt. Aber der Vorwurf, wir seien nur eine PR-Kopiermaschine, läuft ins Leere. Wenn wir wirklich mal falsch liegen, wird das in den Kommentaren zurecht gerückt.
Landois: Das ist bei uns wie bei der Main-Post: Anzeigen bzw. Vermarktung und Redaktion sind getrennt. Im Unterschied zu klassischen Medien moderieren wir aber aktiv. Wir schalten uns ein, wo Falsches behauptet wird. Wir fragen nach den Gründen, wo es Kritik gibt. Und wenn ein interessantes Feedback eingeht, geben wir das auch an Partner weiter. Durch das Moderieren versuchen wir einen Mehrwert zu generieren.
Papay: Hasskommentare gibt es seit jeher – die Quantität ist neu. Wir moderieren und prüfen. Wo es beleidigend oder justiziabel wird, löschen wir und sperren auch Leute. Das kostet viel Zeit.
Papay: Wir haben insgesamt 25 verschiedene Seiten und ein System, in dem alle Kommentare zusammenfließen. Alle werden gesichtet und abgehakt. Falls Handlungsbedarf, kommentieren wir gleich darunter. Oder wenn es eine wirklich kritische Äußerung ist, wird sie an uns beide weitergeleitet, so dass wir reagieren können.
Landois: Das eine ist, was man nach außen hin sieht. Aber was im Hintergrund bei uns läuft, ist sehr komplex, wie in einer Art Call-Center. Wann blockiere oder lösche ich? Wie decken wir das Wochenende ab? Dafür braucht es Mitarbeiterschulungen. Das ist eine Dienstleistung, die unsere Firma mittlerweile in ganz Deutschland anbietet und an andere Unternehmen weitergibt.
Papay: Wir wollen die Schnellsten und die Besten sein…
Landois: Wobei Gründlichkeit immer vor Schnelligkeit geht. Viele Leser schicken uns Behauptungen – da wären wir immer die Ersten, wenn wir die ungeprüft übernehmen würden. Aber wir fragen bei der Polizei nach, bei der Stadt – schauen, ob andere Fans ähnliche Beobachtungen gemacht haben.
Papay: Die Entwicklung läuft weiter linear. Aber – das ist Facebook geschuldet – 10 000 neue Fans mehr heißt nicht, dass man deshalb gleich 5 000 Likes auf ein Festungsfoto bekommt. Was ebenfalls linear steigt, sind die Artikel-Aufrufe. Wir profitieren von den Neuen, die nach Würzburg ziehen. Und die, die aus Würzburg weggehen, bleiben der Seite treu.
Landois: Stimmt. Wir sind ein Kostenlos-Angebot und wollen das auch bleiben. In erster Linie finanzieren wir uns durch Werbung. Und zweitens wächst als eigener Bereich unsere Beratungsleistung für andere. „Ansbach Plus“ zum Beispiel gehört uns nicht. Aber wir beraten dort, wie mittlerweile zahlreiche andere Firmen, im Bereich Social Media. In der Tat können wir unser Knowhow, das wir in den letzten fünf bis sechs Jahren aufgebaut haben, gut vermarkten.
Landois: Es ist ein hochwertiges Stadtmagazin mit Erstveröffentlichungen. Und dann sehen wir, was wir davon auf Facebook oder überhaupt digital ausspielen.
Papay: Wir haben in dem Magazin auch Autoren für ein hochwertiges Umfeld.
Papay: Die Idee ist aus den Bildern entstanden: Wir hatten so viele schöne Motive, dass wir einen Kalender daraus gemacht haben. So haben wir mit dem Online-Shop nur für den Kalender angefangen. Und schnell kamen dann weitere Produkte dazu – zum Beispiel Postkarten, Bücher.
Landois: Facebook entwickelt sich permanent weiter. Zuckerberg will ja nach eigenen Worten das größte Medienunternehmen der Welt für Inhalte schaffen. Es geht also immer stärker um Berichterstattung, Information, Nachrichten.
Papay: Wir müssen beides tun. Es heißt ja so schön: Content is king, channel is the queen. Der beste Content bringt nichts ohne Reichweite. Kommentare bekommt man wiederum nur mit gutem Inhalt, das ist ein Wechselspiel.
Landois: Wir müssen kreativ bleiben. Auch bei 80 000 Fans auf Facebook und der größten Reichweite in der Region ist es wichtig, Lust an der eigenen Sache zu haben und hungrig zu sein, immer wieder etwas auszuprobieren. Beispiel „Würzburg Vintage“ mit alten Fotos der Stadt. Da haben wir innerhalb eines Monates von Gründung der Seite bis jetzt 6.000 neue Fans gewonnen. Vor allem Videos und Bewegtbild bieten uns künftig ganz spannende, neue Möglichkeiten.
Landois: Gute Zielgruppen haben wir für Lifestyle-Themen. Aber Wein… Wein geht immer! Unser Ansatz ist: Was die Menschen in Würzburg bewegt, darüber berichten wir.
„Würzburg erleben“ (Stand 12. Mai 2016)
• gegründet als Facebook-Seite im Mai 2009
• betrieben zunächst privat, dann als Start-Up-Unternehmen von Leonard Landois und Christian Papay
• Mai 2013: Gründung der Papay-Landois GmbH, Beteiligung Mediengruppe Main-Post
• aktuell sieben Angestellte, sechs „Freie“
• 15 Facebook-Seiten mit 216 000 Fans:
Hauptseite „Würzburg erleben“ (80 500 Fans) Spartenseiten: Blaulicht Würzburg (44 000), Blaulicht Aschaffenburg (13 500), Arbeiten in Würzburg (8 200), Wohnen in Würzburg (9 400), Flohmarkt Würzburg (8 900), WüFashion (3 300), Würzburg, was geht? (11 000), Zebra/Kultur Würzburg (380), Würzburg Vintage (6 100)
Schweinfurt (seit Mai 2015): SWity (13 600), Blaulicht Schweinfurt (17 000), Arbeiten in Schweinfurt (800), Wohnen in Schweinfurt (290)
• Fünf Facebook-Gruppen, 16 320 Mitglieder: Uni Würzburg (10 400), FHWS Würzburg-Schweinfurt (420), Automarkt Mainfranken (400), Bücherflohmarkt (2100), Mädchenflohmarkt Würzburg (3000)
• Website „www.wuerzburgerleben.de“, monatlich knapp 700 000 Besuche. Hier sind die auf Facebook ausgespielten Artikel hinterlegt.
• Instagram: @wuerzburglieben (8 800 Follower), @wuefashion (1 700), @swity.de (800)
• snapchat: @wuerzburglieben (300 Follower)