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Würzburg/Schweinfurt
Wut, Schrecken, Ernüchterung: Das sind die Stimmen und Reaktionen zur Landtagswahl aus Unterfranken
Wirklich zufrieden war am Wahlabend kaum jemand bei den Spitzen der Parteien in Unterfranken.  Jubel gab es nur bei der AfD. Der CSU-Chef war wütend.
Balken der Hoffnung und Enttäuschung am Sonntag: Erfolg und Misserfolg lagen auch bei den Parteien in Unterfranken am Wahlabend eng beisammen.
Foto: Daniel Peter | Balken der Hoffnung und Enttäuschung am Sonntag: Erfolg und Misserfolg lagen auch bei den Parteien in Unterfranken am Wahlabend eng beisammen.
Benjamin Stahl
,  Gisela Rauch
 und  Michael Czygan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:16 Uhr

Steffen Vogel ist normalerweise nicht um einen flotten Spruch verlegen. Am Sonntagabend aber wirkte der unterfränkische CSU-Chef nachdenklich. Auch wenn sich erneut ein starkes Ergebnis für seine Partei in Unterfranken abzeichnete: Die CSU unter 37 Prozent - "damit dürfen wir uns nicht zufriedengeben, das kann nicht dauerhaft unser Anspruch sein", sagte Vogel im Gespräch mit der Redaktion.

Fazit von CSU-Bezirkschef Vogel: "Fleiß und Engagement" zahlten sich weniger aus

Die Kandidatinnen und Kandidaten der CSU seien "unfassbar viel unterwegs gewesen", meinte der Landtagsabgeordnete aus den Haßbergen. "Wir verstehen uns als Kümmerer für die Menschen." Wenn er dann sehe, wie viele Stimmen die AfD "abgreift", deren Vertreter er mit "Phantomen" verglich, die "nie bei den Menschen waren" - dann, meinte der CSU-Politiker, müsse er feststellen, dass sich "Fleiß und Engagement" weniger ausgezahlt hätten, "als gegen Ausländer zu hetzen". Und, fügte Vogel an: "Das macht mich wütend."

Der CSU-Bezirkschef Steffen Vogel bei der Wahlparty seiner Partei im Ratskeller in Würzburg. 
Foto: Silvia Gralla | Der CSU-Bezirkschef Steffen Vogel bei der Wahlparty seiner Partei im Ratskeller in Würzburg. 

Grünen-Abgeordnete Celina kritisiert "aggressiven Wahlkampf"

Auch Kerstin Celina, die Grünen-Spitzenkandidatin in Unterfranken, fand es erschreckend, dass die AfD so stark geworden ist. Die Verantwortung für diese Entwicklung trügen auch CSU und Freie Wähler, meinte Celina. Mit ihrem "aggressiven Wahlkampf" hätten beide Parteien dem demokratischen Diskurs schwer geschadet. Wer "Märchen" verbreite und den politischen Mitbewerber abwerte und beschimpfe, beschädige die Glaubwürdigkeit aller politischen Parteien, sagte die Landtagsabgeordnete aus dem Landkreis Würzburg: "Da darf man sich hinterher nicht wundern, wenn niemand mehr ernst genommen wird."

Zuletzt habe sie an den Wahlkampfständen gespürt, "dass sich viele Menschen dem Rechtsruck entgegenstellen wollten", sagte Celina am frühen Abend. Da hoffte sie noch, dass die Grünen "am Ende auf Platz zwei" landen und stärkste Oppositionspartei bleiben würden.

AfD-Spitzenkandidat Graupner: Menschen haben Angst um ihre Heimat

Jubelstimmung derweil am Sonntagabend bei der AfD: Auf rund 16 Prozent kam die Rechtsaußen-Partei laut Hochrechnungen. "Das ist ein Zuwachs um 50 Prozent im Vergleich zu den Wahlen von 2018", rechnete der unterfränkische Spitzenkandidat, Richard Graupner aus Schweinfurt, vor.

Die Stimmenzuwächse für die AfD seien auch Protest gegen die Bundespolitik der Ampelregierung, gibt Graupner zu. "Aber wir haben natürlich gepunktet mit unserem Hauptthema, der Migration." Er habe von vielen Bürgern bei Wahlkampfveranstaltungen gehört, sie hätten Angst, dass durch Migration ihnen "die Heimat verloren gehe". Man müsse diese Angst vor unkontrollierter Zuwanderung ernst nehmen, sagte Graupner.

FW-Staatssekretärin Stolz: Mit Selbstbewusstsein in die Koalitionsverhandlungen

Am späten Abend lag die AfD dann auf dem umkämpften zweiten Platz hinter der CSU. Dort würden gerne auch die Freien Wähler hin. Zwar freute sich deren Bezirksvorsitzende Anna Stolz über das Ergebnis. Dass man als Juniorpartner in einer Koalition zulege, sei "nicht selbstverständlich". Vor zehn Jahren sei die regierende FDP aus dem Landtag herausgewählt worden, erinnerte Stolz, die Freien Wähler hätten jedoch ihre Position gestärkt. Aufgrund des Zugewinns an Stimmen werde man selbstbewusst in die Koalitionsverhandlungen mit der CSU gehen, meinte die Staatssekretärin im Kultusministerium.

Die Freie-Wähler-Chefin aus dem Landkreis Main-Spessart räumte im Gespräch jedoch ein, dass manch einer in ihrer Partei sogar ein noch besseres Ergebnis erwartet hätte. Positiv sei, dass die Versuche, Hubert Aiwanger aufgrund der Flugblattaffäre zu diskreditieren, nicht von Erfolg gekrönt waren, meinte Stolz. "Im Gegenteil, diese Debatte hat uns gestärkt." 

SPD-Abgeordneter Halbleib erwartet "komplizierteste" Legislaturperiode seit seinem Einzug in den Landtag 

Schlechte Laune herrschte dagegen bei der SPD. "Ein zweistelliges Ergebnis war die Marke, um die wir gekämpft haben", räumte der Würzburger SPD-Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib ein. Das Ergebnis sei "ernüchternd". Aber wenn es im Wahlkampf nur um bundespolitische Themen gegangen sei und bayerische Themen "keine Rolle" spielten, "ist es schwierig für eine Oppositionspartei, die den Finger in die Wunde legt und sagt, was in Bayern nicht läuft".

Die kommende Legislaturperiode "wird die komplizierteste, seitdem ich im Landtag bin", prognostizierte Halbleib am Sonntag. Noch nie habe er "einen so extrem polarisierenden Wahlkampf" erlebt, in dem populistische Thesen dominierten und ein Rechtsruck so deutlich spürbar gewesen sei. Der SPD-Politiker aus Ochsenfurt befürchtet, dass sich das durch eine stärkere AfD im Parlament fortsetzen wird. Sein Appell: "Wir müssen wieder von den Bäumen runterkommen" und wieder "vernünftig Politik machen".

Stunde Null bei Unterfrankens FDP - mal wieder

Noch schlechter als bei den Sozialdemokraten war die Stimmung bei der FDP, die nicht mehr in den Landtag einziehen. Mit ihr scheiterte auch der unterfränkische Spitzenkandidat Helmut Kaltenhauser, der seit 2018 im Landtag saß. "Wie es weitergeht, weiß ich jetzt nicht", sagte er am Abend. Wo hat die FDP Fehler gemacht? "Wir sind mit unseren Sachthemen in dem extrem emotional aufgeheizten Wahlkampf einfach nicht durchgekommen", sagte Kaltenhauser.

Die Flugblattaffäre habe die Wählerschaft mehr beschäftigt als jedes Sachthema, meinte der Liberale. Aiwanger habe von einem "Solidaritätseffekt" profitiert - und von der Aufmerksamkeit der Wähler. "Und die Parteien der Mitte, zu der ich auch die FDP zähle, haben gelitten", sagte Kaltenhauser. "Fachspezifische Fragen haben bei dieser Wahl niemanden interessiert, es ging nur um Emotionen."

Apropos Emotion: Der wütende unterfränkische CSU-Chef Steffen Vogel glaubt, man könne die Wählerschaft nur zurückgewinnen, indem man sich den Themen stellt, von denen die AfD profitiert hat. "Migration ist ein beherrschendes Thema", meinte Vogel. Das dürfe man "nicht totschweigen", sondern müsse man aufgreifen.

 
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Kommentare
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  • Richard Baumann
    Wie kann Herr Vogel "einen dauerhaften Anspruch" auf eine bestimmte Menge an Wählern fordern?
    Schließlich entscheidet auch hier noch immer der Wähler nach seinem Willen und nicht nach dem Willen unserer Politiker.
    Wer sich mal mit dem Wahl-o-mat beschäftigt hat, wird, wenn er wirklich nach seiner eigenen Überzeugung und nicht nach den Aussagen der Poltiker diese Fragen beantwortet, überraschend feststellen, dass oftmals die AfD gar nicht so weit von den anderen Parteien entfernt ist. Mit einer etwas anderen Führungsqualität würden sie wahrscheinlich auch noch weiter vorne gelandet sein.
    Und - Herr Halbleib, wenn Sie wieder künftig vernünftige Politik machen wollen, was haben Sie denn dann bisher gemacht??
    Herr Vogel - Wut auf die anderen, die wie die CSU auch, gegen Ausländer sind, ist hier absolut nicht angebracht. Der eine sagt es halt etwas deutlicher, was die CSU auch eigentlich will.
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  • Hans Grein
    Ja, die Ampel hat Fehler gemacht. Aber wenn jemand enttäuscht ist oder sich nicht gehört fühlt und dann das Kreuz bei der rechtsradikalen AfD macht, deren gesamtes Auftreten auf die Zerstörung der Demokratie ausgerichtet ist, darüber kann man nur den Kopf schütteln.

    Für das Problem der Klimakrise hat diese Partei gar kein Konzept: sie lügt das Problem einfach (vermutlich wider besseres Wissen) weg.

    Für das Flüchtlingsproblem hat diese Partei auch kein Konzept außer blindem Fremdenhass.

    Im Krieg der Ukraine gegen seine Vernichtung steht die AfD fest auf der Seite des brutalen Angreifers Putin.

    Sie wollen uns raus aus der EU führen, was wir wirtschaftlich nicht überstehen könnten.

    Sie wollen uns aus der NATO führen, was uns international wehrlos machen und international isolieren würde.

    So könnte man vieles aufzählen. Die AfD meint es nicht gut mit diesem Land.
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  • Jochen Freihold
    Es gibt nur noch ein kleines Zeitfenster bis zu den noch wichtigeren Landtagswahlen 2024 in drei ostdeutschen Bundesländern sowie der anstehenden Europawahl. Die AfD zu entlarven. Demnächst bereits heftig und argumentativ im Bayerischen Landtag. Die destruktiven Rechtspopulisten müssen. welche Illusionen verkünden, unsere Gesellschaft spaloten, das Thema "Migration" als einzig überragend aufzwingen Hass und Hetze verbreiten und in Wirklichkeit keine realoistische Alternative aufzeigen.

    Auch die lädierte Berliner Ampel zu denunzieren als "schlechteste Regierung, die wir je hatten oder einzelne liberal demokratische Parteien als "Unsicherheitsfaktor" einer Regierung, halten keinem Faktencheck stand. Ein Bundeskanzler darf sich nicht treiben lassen, sich hinter Schweigen verstecken anstatt überzeugen zu erklären. Ein bayerischer Vize-Ministerpräsident ist einer selbstgewählten Opferrolle unwürdig. Schließlick kann und wird auch Ministerpräsident Markus Söder nicht zufrieden sein können.
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  • Werner Kohl
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln (unbelegte Behauptung: "angebliche Klimakatastrophe") auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Jens Lattke
    Die Reaktionen der einzelnen Parteivögel sind doch nur Nebelkerzen. Man will partout negieren, dass das Ergebnis DIREKT auf die Bundespolitik zurückzuführen ist. Die will kaum jemand. Und das hier alle Ampelparteien leiden ist doch nachvollziehbar. Da die CDU/CSU aber immer noch so tut als hätte sie mit alledem nichts zu tun, wandern eben viele nach rechts ab. Davon kann man halten was man mag. Ich persönlich finde diesen Weg falsch, kann aber nachvollziehen wenn Menschen sagen sie wollen ein Zeichen setzen (die Migrationspolitik hat uns ja die GroKo unter Merkel eingebrockt. Nun kann die CDU nicht so tun als ob das der Ampel anzulasten ist).

    Die FDP macht gerade vieles richtig. Aber sie spielt derzeit im falschen Team und verantwortet deshalb auch große Fehler zu denen sie genickt hat.

    Wer immer noch glaubt, er könne die Bundespolitik schönreden und verteidigen, sorgt in zwei Jahren für ein katastrophales Desaster!
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  • Dominik Temming
    "Wer "Märchen" verbreite und den politischen Mitbewerber abwerte und beschimpfe, beschädige die Glaubwürdigkeit aller..." Hm? Seid ihr Grünen es nicht, die Andersdenkende niedermachen? Seit gestern ist der Spuk mit Euch zum Glück ein Stückweit eingedämmt.
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  • Frank Widmaier
    Vogel hat Recht.. und Celina soll sich mit ihrer Partei an der eigenen Nase fassen. Das Ergebnis von FDP/AFD ist auch auf ihre Bundespartei und deren Verhalten zurück zu führen. Immer die Schuld an die Union zu geben zeigt nur deren Geisteshaltung. "politische Brandstiftung" nannte man das früher
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