Barış Yüksel vom Verein "Würzburg KulturS" organisiert zusammen mit Angela Nasimi die Würzburger Woche gegen Rassismus, die vom 13. bis 18. Mai zum vierten Mal stattfindet. Die Ausgabe 2023 erreichte 1800 Menschen. Yüksel, 29, ist als Kind türkischer sogenannter Gastarbeiter in Memmingen im Allgäu geboren. An der Uni Würzburg promoviert er gerade im Fach Soziologie. Das Programm in Zusammenarbeit mit der Jugendbildungsstätte Unterfranken und dem Jugendkulturhaus Cairo umfasst Lesungen, Diskussionen, Workshops, einen Filmabend und ein Konzert.
Barış Yüksel: Beim Rassismus sind wir eigentlich seit langem bei der gleichen Definition. Rassismus ist die Diskriminierung aufgrund äußerlicher Merkmale wie Hautfarbe oder Haarfarbe, aber auch des Namens, oder der vermeintlichen Herkunft. Also alles, was als anders und fremd wahrgenommen wird. Und was in der Botschaft mündet: Du gehörst nicht dazu! Wichtig ist, dass Rassismus nicht nur auf individueller Eben wirkt, sondern gesamtgesellschaftlich.
Yüksel: Ich glaube tatsächlich nicht. Leider gewinnt der Rechtsextremismus mehr und mehr an Boden, man denke nur an die AfD-Wahlergebnisse und die Prognosen für die nächsten Wahlen oder Kampfbegriffe wie "Remigration". Ich glaube, dass wir schon seit langer Zeit sehr verkürzte Debatten führen. Weil unter Rassismus oft eine sehr offensichtliche, direkte Sache verstanden wird: Rassismus ist, wenn jemand körperlich angegangen oder beschimpft wird. Das war's dann. Aber die strukturelle und institutionelle Ebene, dass Menschen tagtäglich in der Schule mit Rassismus konfrontiert sind, auf der Arbeit, bei der Wohnungssuche, im Bus, auch im Dating-Leben - diese Ebene ist für viele Menschen nicht sichtbar. Weil diese Geschichten zu lange unter der Oberfläche geblieben sind.
Yüksel: Genau. Das größte Problem ist, dass immer dieses Gut-gegen-Böse aufgemacht wird. Die Guten sind natürlich nicht diskriminierend, nicht rassistisch. Die Schlechten sind es. Deswegen möchte niemand rassistisch genannt werden, weil es heißt, du bist schlecht und im schlimmsten Fall ein Nazi. Aber darum geht es gar nicht. Es geht darum, dass wir sorgsamer, achtsamer mit Mitmenschen umgehen. Dass wir lernen, den unterschiedlichen Perspektiven und Lebensrealitäten in unserer Gesellschaft Rechnung zu tragen.
Yüksel: Es ist wichtig, nicht gleich in die Abwehrreaktion zu gehen im Sinne von "Das war doch nicht so gemeint", sondern einen Schritt zurückzugehen, zuzuhören und zu sagen, okay, vielleicht habe ich unbewusst gerade etwas gesagt, was bei der anderen Person Schmerz ausgelöst hat. Man kann nicht über Rassismus sprechen, ohne sich um die Perspektive der Betroffenen zu bemühen.
Yüksel: Das fängt bei der Wohnungssuche an. Bei Jobchancen. Es gibt eine Studie, die beweist, dass Personen mit Kopftuch schlechtere Chancen haben als die gleichen Personen ohne Kopftuch. Menschen mit türkisch oder arabisch klingenden Namen müssen deutlich mehr Bewerbungen schreiben. Für eine andere Studie sollten angehende Lehrerkräfte Arbeiten bewerten - einmal unter deutschem, einmal unter ausländischem Namen. Es gab Notenunterschiede, obwohl es dieselben Arbeiten waren.
Yüksel: Ich glaube, das ist keine bewusste Sache. Wir alle haben gelernt, in Kategorien zu denken. Wir haben Vorurteile aufgeschnappt. Das führt dazu, dass wir Menschen im Alltag, wenn es schnell gehen muss, eben in diese Kategorien packen. Und daraus resultieren Handlungen, die keine schlechte Intention haben, aber Schaden anrichten.
Yüksel: Da muss man ganz breit gefächert Institutionen angehen und Grundlegendes ändern, auch auf gesetzlicher Ebene. Schule ist sehr wichtig. Bei mir war es damals so: Das Kapitel "Gastarbeit" in Sozialkunde war mit "Gastarbeiter - ein Problem?" überschrieben. Das zeigt, was eigentlich fehlt: der Kontext. Es fehlt die Lebensrealität der Menschen, um die es geht. Oder die Universitäten. In Würzburg gab es den Professor Virchow, der einiges an Verbesserungen für die Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter bewirkt hat. Gleichzeitig war er ein Verfechter der Rassentheorie. Solche Dinge werden oftmals nicht kritisch hinterfragt. Es sind sehr viele Baustellen, die aber nur sehr schleppend angegangen werden.
Infos zu Terminen und Programm der Anti-Rassismus-Woche stehen unter jubi-unterfranken.de