Mit einem großen Informationstag am 2.Februar in Würzburg will die vor zwei Jahren gegründete "Prostata Hilfe Deutschland" (PHD) über Prostatakrebs aufklären und zur Enttabuisierung beitragen. Ein Gespräch mit Mitgründer und Vorstandsmitglied Dr. Frank Schiefelbein, der sich ehrenamtlich in den gemeinnützigen Verein einbringt. Als Chefarzt leitet der 57-Jährige die Abteilung Urologie am fusionierten Klinikum Würzburg Mitte (Missio/Juliusspital) und ist Spezialist für robotische Operationen und Laser-OPs. Hierfür ist die Missionsärztliche Klinik ein nationales und internationales Ausbildungszentrum.
Frage: Herr Schiefelbein, der Infotag am Samstag will den Prostatakrebs aus der „Tabuzone“ holen… Warum tun wir uns so schwer damit?
Frank Schiefelbein: Es ist eine Erkrankung, über die man als Mann nicht gerne spricht. Die Prostata ist ein Sexualorgan, dort findet der Samenerguss statt. Es geht um Themen wie Fruchtbarkeit und Potenz. An der Prostata operiert zu werden – darüber sprechen Männer weniger gern als über eine Herz-OP.
Ist der Prostatakrebs der Brustkrebs des Mannes…?
Schiefelbein: So ist es. Analog zum Brustkrebs bei der Frau ist der Prostatakrebs die häufigste Krebsart beim Mann. Aber einen zentralen Unterschied gibt es: Wir können Prostatakrebs gut behandeln, selbst im fortgeschrittenen Stadium. Beim Brustkrebs der Frau ist das tendenziell schwieriger. Die Prognose bei Prostatakrebs ist gut, wenn die Erkrankung rechtzeitig entdeckt wird.
Was kann Mann dafür tun?
Schiefelbein: Wenn der Patient Krankheitssymptome hat, ist es schon relativ spät. Deswegen ist Vorsorge so wichtig und: Risikogruppen zu identifizieren.
Welche sind das?
Schiefelbein: Wenn etwa Krebserkrankungen in der Familie vorliegen, vor allem ein Prostatakarzinom beim Vater, Großvater oder Bruder. Diese Patienten haben ein erhöhtes Risiko. Ist der Vater betroffen, ist es um das Zwei- bis Dreifache größer. Sind zwei direkte Verwandte betroffen, kann das Risiko sogar um das Fünf- bis Achtfache über dem der Allgemeinbevölkerung liegen.
Gilt das auch, wenn Brustkrebs in der Familie befundet ist?
Schiefelbein: Ja. Brustkrebs bei der Mutter hat ähnliche Genorte, die auch einen Prostatakrebs hervorrufen können. Deshalb wird bei der Aufnahme eines Patienten danach gefragt.
Wann sollte Mann zur Vorsorge gehen?
Schiefelbein: Bei einem familiären Risiko schon mit 40 Jahren, ansonsten wird die gesetzliche Vorsorge mit 45 Jahren empfohlen. Wir wissen, dass die Erkrankung bei Patienten mit einem genetischen Risiko früher auftritt und aggressiver sein kann. Deshalb sollte man genau diese Risikogruppe herausfiltern.
Vorsorge heißt eine Untersuchung, die von der Krankenkasse bezahlt wird?
Schiefelbein: Ja, die Kosten werden übernommen. Die Kernuntersuchung ist das Abtasten der Prostata. Leider wird nicht die Ermittlung des PSA-Wertes von der Krankenkasse übernommen, das ist ein strittiges Thema. Es handelt sich dabei um eine Blutuntersuchung auf das prostataspezifische Antigen – eine Möglichkeit, die Erkrankung früher zu erkennen.
Warum ist der PSA-Wert umstritten?
Schiefelbein: Wir wollen vor allem jene Patienten früh erfassen, die ein relevantes, das heißt wirklich lebensbedrohliches Prostatakarzinom haben. Der Hauptrisikofaktor ist das Alter: Je älter Männer werden, desto eher bekommen sie Prostatakrebs. Aber er hat ganz unterschiedliche Gesichter: Es gibt gering aggressive Tumore, mit denen wir alt werden können, ohne sie zu behandeln. Sie werden nur überwacht. Und dann haben wir Prostatakrebsarten, die aggressiv auftreten und denen wir aggressiv begegnen müssen. Herauszufiltern, welcher Patient welche Form der Erkrankung hat – das ist uns wesentlich.
Und was heißt das für den PSA-Wert?
Schiefelbein: Möglicherweise ist er bei älteren Patienten gar nicht mehr erforderlich. Ist jemand über 70 oder 75 Jahre alt und eine OP oder Bestrahlung nicht absolut notwendig, sind wir auch zurückhaltender in der Diagnostik. Für die Bewertung des PSA-Wertes und möglicher Folgeentscheidungen muss der Arzt den Patienten gut aufklären.
Es wird also nicht grundsätzlich jeder Tumor entfernt?
Schiefelbein: Richtig. Wir müssen individuell herausfinden, ob ein Krebs aggressiv oder weniger aggressiv ist. Man kann einen Tumor zunächst überwachen. Autopsie-Studien haben gezeigt, dass bei einem Viertel der 40-jährigen Männer ein Prostatakarzinom vorliegen kann, bei 50- bis 60-Jährigen können es schon 40 bis 50 Prozent sein. Diese Tumore werden aber nicht unbedingt relevant. Tatsächlich erkranken statistisch 13 Prozent der Männer an einem Prostatakarzinom, drei Prozent versterben daran. Das zeigt: Wir haben eine lange Zeitspanne zwischen dem Auftreten der Erkrankung und der Bedrohung, daran zu versterben.
Gibt es Fortschritte in der Behandlung?
Schiefelbein: Hier tut sich sehr viel. Früher haben wir immer offen operiert. Mittlerweile gibt es die Bauchspiegelungstechnik, minimalinvasiv mit der Schlüssellochtherapie. Heutzutage wird sie von der robotischen Chirurgie abgelöst. Der OP-Roboter bringt viele Vorteile, unter anderem durch eine 15-fache Bildvergrößerung. Die Instrumente haben Doppelgelenke und können sich in allen Bereichen dreidimensional bewegen. So können wir komplexe Operationsschritte auf kleinstem Raum durchführen.
Wird nur operativ behandelt?
Schiefelbein: Nein, auch die Bestrahlungstechniken haben sich verbessert. Wir können den Prostatakrebs von außen bestrahlen – von verschiedenen Stellen aus, damit das gesunde Gewebe nicht so sehr mit Strahlen belastet wird. Es ist aber auch möglich, den Krebs von innen zu bestrahlen, indem wir strahlende Körperchen in die Prostata eingeben. Diese Strahlung hat nur eine ganz kurze Reichweite, deshalb der Name „Brachytherapie“. Dadurch haben wir eine hohe Strahlendosis in der Prostata, ohne den Körper unnötig belasten zu müssen. Der Eingriff kann mit regionaler Betäubung, ohne Vollnarkose vorgenommen werden. Auch der Blutverlust ist beim minimalinvasiven Eingriff sehr gering.
Operieren heißt ansonsten aber, die Prostata zu entfernen?
Schiefelbein: Ja, das ist die Therapieform Nummer eins. Sie hat einen großen Vorteil: Durch die Entnahme des Gewebes kann der Pathologe einen feingeweblichen Befund erstellen. Dadurch lässt sich genau feststellen, ob der Tumor auf das Organ begrenzt und wie aggressiv er ist. Daraus können dann wertvolle Schlüsse für eine weitere Behandlung gezogen werden.
Kann Mann ohne Prostata leben?
Schiefelbein: Sie ist das Fortpflanzungsorgan. Ohne sie wären wir nicht zeugungsfähig. Lebensnotwendig ist sie nicht.
Woran merke ich, wenn etwas mit der Prostata nicht stimmt?
Schiefelbein: In der Regel sind es Probleme und Schmerzen beim Wasserlassen. Normalerweise liegt dann eine gutartige Vergrößerung der Prostata mit einer Verengung der Harnröhre vor, das betrifft in fortgeschrittenem Lebensalter bis 90 Prozent der Männer. Es kann sich aber auch um einen Tumor handeln, der auf die Harnröhre drückt. Außerdem können die Tumorzellen Blutungen verursachen – manche Patienten kommen, weil sie Blut im Urin oder im Samenerguss feststellen. Und wieder andere mit Rückenschmerzen, verursacht durch Tochtergeschwülste bei einem fortgeschrittenen Prostatakarzinom.
Wie wichtig ist das frühe Erkennen?
Schiefelbein: Je früher, desto besser kann man die Erkrankung behandeln. Die modernen Operationsverfahren sind schonend. Wir können in einem hohen Prozentsatz Funktionen wie Kontinenz und Potenz erhalten. Auch im fortgeschrittenen Stadium ist Heilung möglich, zumindest aber können Leben und Lebensqualität deutlich verlängert werden.
Was können wir Männer präventiv durch eigenes Verhalten beisteuern?
Schiefelbein: Einen gesunden Lebensstil pflegen. Nicht zu viel Fleisch, vor allem nicht rotes Fleisch essen und auch nicht zu fettreich. Sport und Bewegung sind wichtig, Alkohol sollte einen sehr gemäßigten Rahmen nicht überschreiten. Einen konkreten Schutz vor Prostatakrebs gibt es nicht, selbst wenn Elementen wie Selen eine hemmende Wirkung zugesprochen wird.
Mit der von Ihnen mitbegründeten Prostata-Hilfe wollen Sie Männer wachrütteln?
Schiefelbein: Wir wollen ihnen sagen: Kümmert Euch um Eure Gesundheit! Nutzt die Vorsorgemöglichkeiten! Da sind Frauen wachsamer. Viele Männer sorgen sich mehr um die Inspektionstermine für ihr Auto als um die eigene Gesundheit.
- Künstliche Intelligenz - Revolution in der Medizin der Zukunft (Prof. Wolfgang Schröder)
- Prostatakrebs - eine Erkrankung mit vielen Gesichtern (Dr. Frank Schiefelbein)
- Vorsorge - Fluch und Segen der PSA-basierten Vorsorge (Dr. Georg Schön)
- 12.45 Uhr: Fachvorträge in Parallelveranstaltungen
- ab 14 Uhr: Mit der Krankheit leben - Impulsreferat und Gespräch mit Benediktinerpater Dr. Anselm Grün (Michael Reinhard)
- Leben mit Prostatakrebs (Dr. Knut Müller)
- Die Bedeutung von Sport und Ernährung bei Krebs (Dr. Marius Cristian Butea-Bocu)
- Rehabilitation nach Operation und Bestrahlung (Prof. Ullrich Otto)
- Psychoonkologische Beratung - mit der Krankheit nicht allein sein (Markus Besseler)
Verwendungszweck: Spende Prostata Hilfe Deutschland