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Würzburg
Würzburger Umweltexperte erklärt: So sähe eine Welt ohne Bienen und Co. aus
Ein EU-Projekt setzt sich für den Schutz von Wildbestäubern ein. Koordinator Ingolf Steffan-Dewenter von der Uni Würzburg erklärt, was gegen das Artensterben getan werden muss.
Wildbienen gibt es immer weniger, dabei sind sie und andere Insekten wichtig für die Artenvielfalt. Ein neues Forschungsprojekt der Europäischen Union setzt sich für den Schutz der bedrohten Arten ein.
Foto: Patrick Pleul, dpa | Wildbienen gibt es immer weniger, dabei sind sie und andere Insekten wichtig für die Artenvielfalt. Ein neues Forschungsprojekt der Europäischen Union setzt sich für den Schutz der bedrohten Arten ein.
Maria Faiß
Maria Pfister
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:09 Uhr

Wildbienen, Schmetterlinge und Fliegen sind ein wichtiger Bestandteil der biologischen Vielfalt in Europa. Doch diese Insekten sind verschiedensten Bedrohungen ausgesetzt. Dazu zählen unter anderem der Klimawandel und der Verlust von Lebensräumen. Mit dem Projekt "Safeguarding European wild pollinators" will die Europäischen Union auf diese Gefahren reagieren. Für die Koordination zuständig ist Ingolf Steffan-Dewenter von der Universität Würzburg. Er leitet den Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie und erklärt, warum die Insekten so wichtig für unsere Zukunft sind.

Was würde passieren, wenn Bienen und andere wildbestäubende Insekten aussterben würden?

Viele Arten wie zum Beispiel Bienen, Falter, Fliegen und Käfer leisten einen großen Beitrag für eine intakte Umwelt, sagt Steffan-Dewenter. "Sie sind für die Bestäubung von mehr als 80 Prozent aller in Deutschland vorkommenden Pflanzenarten verantwortlich." Diese Leistung sei unerlässlich. Samen und Früchte für andere Tiere und auch den Menschen würden sonst fehlen. Ohne bestäubende Insekten könnten Pflanzen aussterben und die Anpassungsfähigkeit an neue Umweltbedingungen würde schrumpfen.

Welche Arten sind besonders gefährdet?

"Besonders gefährdet sind Arten, die auf bestimmte Futterpflanzen für die Ernährung ihrer Nachkommen angewiesen sind", sagt Steffan-Dewenter. Dazu zähle die Biene, die ihre Nachkommen nur mit Pollen bestimmter Pflanzenarten ernährt. Oder auch der Tagfalter, dessen Larve sich nur an bestimmten Futterpflanzen entwickeln könne. Immer mehr geeignete Lebensräume für die Nist- und Nahrungsgrundlage der Insekten gingen verloren. Insekten, die ihre Nester beispielsweise auf Sandtrockenrasen oder Streuobstwiesen anlegen, hätten es schwer, Unterkünfte für ihre Nachkommen zu finden. 

Ingolf Steffan-Dewenter ist Leiter des Lehrstuhls für Tierökologie und Tropenbiologie an der Uni Würzburg und Koordinator des Projekts.
Foto: Alice Natter | Ingolf Steffan-Dewenter ist Leiter des Lehrstuhls für Tierökologie und Tropenbiologie an der Uni Würzburg und Koordinator des Projekts.
Wodurch gehen die Lebensräume der Insekten verloren und was muss man dagegen tun?

Die Ursachen seien vielfältig. Jedoch spielten die Einflüsse durch menschliche Flächennutzung eine große Rolle, sagt Steffan-Dewenter. Durch Landwirtschaft, Verkehr, Versiegelung von Flächen und Umweltchemikalien verschlechterten sich die Lebensbedingungen für viele Insektenarten. Hinzu kämen die Auswirkungen des Klimawandels, der laut Steffan-Dewenter die zeitliche Abstimmung von Bestäubern und blühenden Pflanzen unterbreche. Außerdem stellten extreme Wetterereignisse wie Dürren, Überflutungen und Spätfröste neue Risiken dar. "Um den Verlust der Biodiversität nachhaltig zu bremsen, ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen dringend notwendig", sagt er. Der Klimawandel müsse gebremst und die verbliebenen Lebensräume erhalten werden. Außerdem bedürfe es einer umweltverträglicheren Nutzung von Land- und Forstwirtschaft.

Was bringen Blühstreifen an Straßen und Feldern?

"Die Blühstreifen sind sicherlich ein sinnvolles Element, um die Zahl blühender Pflanzenarten und damit auch der Pollen zu vergrößern", sagt Ingolf Steffan-Dewenter. Davon würden viele wildlebende Bestäuberarten und auch die Honigbiene profitieren. "Allerdings sind es oft die etwas weniger anspruchsvollen Arten, die Nutzen daraus ziehen, und nicht die seltenen und gefährdeten Arten", ergänzt der Wissenschaftler.

Was kann jeder bei sich zu Hause gegen das Artensterben tun?

Laut Steffan-Dewenter können sowohl Privatgärten als auch viele Grünflächen in den Städten und Gemeinden einen wichtigen Beitrag leisten. Dabei seien alle Pflanzenarten von Nutzen, die blühen und damit Nahrung für die Tiere liefern. "Ein Garten mit vielen Stauden und Obstbäumen, Frühblühern und Wiesenblumen ist ein kleines Paradies für Insekten", erklärt er. Vermeintlich unbrauchbares Totholz und offene Bodenflächen könnten darüber hinaus Nistplätze bieten. Leider seien viele Gärten blütenarm oder sogar mit Steinen versiegelt. "Ein Umdenken ist hier dringend notwendig", appelliert der Forscher. Denn auch die Besitzer und Besitzerinnen würden von wilderen Gärten profitieren. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten gezeigt, dass sich eine vielfältige Umwelt positiv auf das Wohlbefinden auswirkt.

Wie ist die Idee zum aktuellen Forschungsprojekt entstanden?

"Ich arbeite schon seit meiner Promotion an der Thematik und kenne viele der beteiligten Kolleginnen und Kollegen seit langer Zeit durch wissenschaftliche Kooperationen", sagt Steffan-Dewenter. Für ihn lag es also nahe, die wichtige Thematik in einem gemeinsamen Forschungsprojekt auf europäischer Ebene anzugehen.

Wie gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dabei vor?

Zunächst werde die Forschungsgruppe vorhandene Daten zusammentragen und neu auswerten. "So können wir genauer sagen, welche Faktoren des globalen Wandels für den Rückgang der Bestäuber verantwortlich sind", erklärt Projektleiter Steffan-Dewenter. Außerdem sollen Kenntnislücken durch neue Experimente und Datenerhebungen geschlossen werden. Ziel sei es, über ganz Europa auf mehr als 300 Untersuchungsflächen Datenerhebungen durchzuführen. "Wir wollen Maßnahmen entwickeln, die die Artenvielfalt von Bestäubern in unterschiedlichen Landschaftsteilen wiederherstellen", sagt Steffan-Dewenter. Hier sei insbesondere die Kombination verschiedener Vorgehensweisen und ihre räumliche Anordnung wichtig, um einen langfristigen Erfolg zu erzielen.

Das Projekt "Safeguarding European wild pollinators"

Vier Jahre soll das Projekt dauern. "Safeguard" wird die vielfältigen Belastungen von wildlebenden Bestäubern auf verschiedenen Ebenen empirisch erforschen und systematisch bewerten. Zusätzlich sollen Ansätze entwickelt werden, von denen die Bestäuber profitieren – in landwirtschaftlichen ebenso wie in naturnahen und städtischen Ökosystemen.
Die EU fördert das Projekt mit 5,3 Millionen Euro aus ihrem Forschungs- und Innovationsprogramm "Horizon 2020". Das Projekt bringt 25 Institutionen der Forschung, Politik und Industrie aus 14 europäischen Ländern und China zusammen.
Quelle:  Uni Würzburg
 
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    Und wen sollte ich dann von meinem Cappuccino und Kuchen aufm Balkon wegscheuchen. Dann wär das Leben nur noch: etwas weniger spannend.
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