Nein, ein Vergnügen war es für den Würzburger Kommunikationswissenschaftler Lutz Frühbrodt und Kommunikationsberaterin Annette Floren nicht. Wer mit eigenem Anspruch an Niveau und Seriosität ungezählte Stunden auf Youtube herumhängt, der braucht ein dickes Fell. Oder schreibt - wie die beiden - eine schonungslose Studie.
Sie müsste ein Weckruf sein für alle Eltern, die keine Ahnung davon haben, was der Nachwuchs tagtäglich über die bekannte Videoplattform so konsumiert. Keine Panik, liebe Eltern. Es geht im Folgenden nicht um Pornografie oder Gewaltverherrlichung, obwohl auch die zum Repertoire gehört. Lutz Frühbrodt, Professor an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt (FHWS), hat im Auftrag der medienkritischen und gewerkschaftseigenen Otto-Brenner-Stiftung das Gesamtprogramm auf Youtube analysiert. Und ist ernüchtert.
Vor allem für Kinder und Jugendliche sei bedenklich, was ihnen der Algorithmus vorrangig zuspielt: "Platte Unterhaltung, angereichert mit brachialen Geschmacklosigkeiten und großen Gefühlen. Damit wird den jungen Leuten eine Scheinwelt vorgegaukelt, in der alles schön und easy wirkt." Zwei Drittel der Jugendlichen in Deutschland nutzen der 150-Seiten-Studie zufolge täglich Youtube, zunehmend schauen sich sogar kleinere Kinder hier Videos an.
Wenn dann Comedy, Streiche, Online-Spiele und Schminktipps das "Programm" beherrschen, sieht Frühbrodt eine neue Stufe in der kulturellen Abwärtsspirale seit Einführung des Privatfernsehens erreicht. Ihn erschüttert "das Ausmaß an kleinen, aber offensichtlichen Gewalttätigkeiten" in den Videos. Etwa, wenn der Verlierer mit einem Gürtel ausgepeitscht wurde. Frühbrodt: "Wenn unter dem Video 'Nicht nachmachen!' steht, liest sich das für Kinder und Jugendliche eher wie eine Aufforderung, genau das Gegenteil zu tun."
Youtube: Überkommene Rollenbilder und Aufruf zum Konsum
Eineinhalb Jahre lang hat er mit seiner Kollegin an der Studie mit dem Titel "Unboxing Youtube: Das Netzwerk der Profis und Profiteure" gearbeitet und die hundert in Deutschland betriebenen Youtube-Kanäle mit den meisten Abonnenten ausgewertet. Ganze vier hatten "informierenden Charakter". Der große Rest? "Extrem platte Unterhaltung, durchzogen von Kommerz." Und wäre unter den populärsten Kanälen nicht ein Viertel reine Musikkanäle - die Bilanz fiele noch drastischer aus.
Aber auch so stießen die Autoren immer wieder auf überkommene Rollenbilder von Mann und Frau und - nicht weniger alarmierend - auf die Verführung zum hemmungslosen Konsum: "Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass bekannte Influencer Luxusprodukte wie teure Sportwagen und Designeruhren in aufreizender Pose präsentieren."
Influencer als Meinungsmacht und Werbebotschafter
Überhaupt die Influencer, diese meist jungen Selbstdarsteller, die es schaffen, sich zur Marke zu machen, teils Millionen "Fans" erreichen und sich betont authentisch präsentieren: Dass genau dies oft nur eine Maske beziehungsweise eine Masche ist, um offene oder versteckte Werbebotschaften zu streuen - das vermögen Kinder und Jugendliche kaum zu erkennen, warnt Frühbrodt. Er geht davon aus, dass von den deutschlandweit rund 30000 Influencern mindestens die Hälfte Geld mit Werbevideos verdienen will. Den Anteil der Influencer auf den Top-100-Youtube-Kanälen, die Geld ("teilweise sehr viel Geld") verdienen, schätzt der Wissenschaftler auf mindestens 95 Prozent.
Hinter bekannteren Influencern stecken in der Regel Agenturen, die sie professionell anleiten. Die netten kleinen Videos also als großes Geschäft? Gegen Produktwerbung wäre nichts zu sagen, könnte man sie klar als solche erkennen. Doch in den Youtube-Beiträgen wimmelt es von Schleichwerbung. Stichproben haben gezeigt, "dass die Videos nur zu einem sehr geringen Anteil ausreichend gekennzeichnet werden".
Werbung in Videos muss gekennzeichnet sein
Nicht immer steckt böse Absicht, bisweilen auch Unbedarftheit dahinter. Frühbrodt zufolge glauben viele Influencer, dass sie Werbung nicht kenntlich machen müssen, wenn sie das Produkt selbst gekauft haben. Ein Irrtum. Entscheidend ist nach letzten Gerichtsurteilen, ob ein Influencer den Absatz eines Produktes fördern will.
Inge Scherer, Jura-Professorin an der Uni Würzburg, hat sich mit den rechtlichen Fragen befasst. Ihr Fazit: Grundsätzlich ist Influencer-Marketing auch gegenüber Minderjährigen legal - aber nur, wenn Posts und Videos korrekt gekennzeichnet sind. Bei Texten müssten die Hinweise "Werbung" oder "Anzeige" gleich am Anfang stehen, in Videos müssen sie im Bild mitlaufen.
Appell an Eltern, Schulen und Kontrollbehörden
Laut Umfragen hat jeder Fünfte der 14- bis 17-Jährigen schon mal ein Produkt gekauft, das von einem Influencer empfohlen wurde. Bei 16-24-Jährigen soll es fast die Hälfte sein. In zwei Drittel der untersuchten Top-100-Kanäle auf Youtube fanden Frühbrodt und Floren Formen von Werbung: Kaufaufforderungen, Produktplatzierungen, Links zu Webshops.
Bleibt die Frage, wie Kinder und Jugendliche besser geschützt werden können. Die Autoren der Studie appellieren an Eltern, genauer hinzuschauen und an die Schulen, mehr Medienkompetenz zu vermitteln. Aber auch die Landesmedienanstalten sehen sie gefordert: Sie müssten besser kontrollieren und bei Werbeverstößen sanktionieren.
Vorstoß des BR-Intendanten für "EU-Tube"
Und schließlich wäre da noch eine europäische Alternative zu Youtube, wie sie BR-Intendant Ulrich Wilhelm anstrebt. Die Algorithmen der Google-Tochter Youtube tragen aus seiner Sicht zu Polarisierung und Radikalisierung bei. In einem Interview warnt er: "Europa läuft Gefahr, die digitale Hoheit über seine prägenden Werte zu verlieren."
Das darf es gerade nie mehr geben, dass Parteidiener zu Intendanten werden! EU-Tube - eine riesengroße Lachnummer! Mit Steffen Seibert als Intendanten, oder wie? Die Zeiten der Volksverdummung sind vorbei, Herr Wilhelm!
1. Warum forscht eigentlich ein ordentlicher Hochschulprofessor (von der Hochschule bezahlter Professor) für irgendeine außenstehende Institution, die nicht zur Hochschule gehört?
2. Mit dem Internet und YouTube gibt es zum ersten Mal in der Geschichte ein fernsehähnliches Massenmedium, das wirklich politisch unabhängig ist und dazu noch von der Politik nicht beeinflusst werden kann. Da muss sich niemand wundern, wenn derzeit die Politik samt all ihren nach- und untergeordneten Domestiken aus allen Rohren auf YouTube schießt. Mögen ihre Schüsse als Pulverdampf wirkungslos verpuffen!
Es ist ja nicht so, dass man Youtube nicht kritisieren könnte, oder sogar sollte, aber dann doch bitte ernsthaft und professionell.
Konsumieren so viele Nutzer so viel Schrott, weil so viel Schrott angeboten wird – oder wird so viel Schrott angeboten, weil sich dafür genügend Nutzer finden?
Youtube ist aus dem Informationszeitalter nicht mehr wegzudenken. Aber die digitale Welt stellt hohe Anforderungen, wenn es darum geht, Information von Manipulation und Realität von Fiktion zu unterscheiden. Und – mal ehrlich – daran scheitert jeder von uns von Zeit zu Zeit. Aber manche eben häufiger als andere – und das versucht man, möglichst gewinnbringend und/oder für die eigenen Ziele auszunutzen. Teilweise mit erschreckendem Erfolg – siehe Cambridge Analytica.
Was wir in Zukunft ALLE(!) brauchen: mehr Medienkompetenz und Selbstreflektion! Nicht nur die Schüler. Auch die „Alten“ sind empfänglich.
Tragischerweise sind genau diejenigen am empfänglichsten, die das Problem nicht verstehen oder glauben, immun zu sein.
Die Welt ändert sich...