
Am Freitagmorgen treibt der Strafprozess um tausendfachen Betrug auf der Plattform ebay- Kleinanzeigen in Würzburg auf seinen Höhepunkt zu: Die Jugendkammer am Landgericht hat den drei jungen Männern von 20 und 21 Jahren auf der Anklagebank milde Strafen zugesichert. Sie haben dafür Geständnisse versprochen, die schnell zu einem Urteil führen.
Nun schaut der Vorsitzende Richter Michael Schaller dem Trio aus Hessen und seinen sechs Anwälten erwartungsvoll entgegen: "Sie wären jetzt mit der Gegenleistung am Zug." Schaller hat da keine Illusionen: Der Fall sei vermutlich "nur die Spitze des Eisbergs" einer derzeit erfolgreichen Masche organisierter Kriminalität, vermutet er.
Viel Geld in zwei Stunden am Computer: "verlockend gewesen"
Die drei Angeklagten geben die Vorwürfe aus der Anklage zu, aber auch nicht mehr. Für kaum zwei Stunden Arbeit am Computer viel Geld zu verdienen, sei "natürlich verlockend gewesen," lässt einer von ihnen über seinen Verteidiger Norman Jacob erklären. "Ich gelobe, mich niemals wieder an solch betrügerischen Aktivitäten zu beteiligen", sagt ein anderer, der an die Uni möchte statt in Haft. Rückfragen, die sie und mutmaßliche Komplizen belasten könnten, verweigern die drei Männer dann.
Ware unter falscher Identität angeboten und verkauft
Kunden wollten zum Beispiel eine gebrauchte Playstation oder einen Thermomix kaufen, die die Beschuldigten auf der Online-Plattform anboten, aber gar nicht hatten. Die Betroffenen überwiesen den Kaufpreis, aber bekamen ihre Ware nie. Andere Geschädigte merkten plötzlich, dass unter ihrem Namen - und mit einer erschlichenen Kopie ihres Ausweises - Waren angeboten wurden. Später wandten sich die einige Betrogene an die Ausweisinhaber, die von dem Geschäft mit ihrem Namen gar nichts geahnt hatten.
Die Anklageschrift von Staatsanwalt Sebastian Sommer spricht von 1800 betroffenen Kunden und fast einer Million Euro Beute durch den Betrug. Die Ermittlungen zeigen, dass es die Angeklagten mit der Wahrheit nicht genau nahmen. Sie selbst sagen: Sie seien nur kleine Rädchen im perfekt in einander greifenden Räderwerk eines Hintermannes aus Saudi-Arabien gewesen. Der habe damit auf Deutschlands größter Gebrauchtwaren-Plattform Kasse gemacht und sie mit einem fünfstelligen Trinkgeld entlohnt.
Angeklagte vor Gericht: Angst vor dem Druck vom Hintermann
Ein Ermittler aus Schweinfurt erklärte im Zeugenstand: Die Angeklagten seien wohl als Schüler in einer Shisha-Bar in Frankfurt oder durch die Internet-Werbung einer Influencerin als Geldwäscher angeworben worden. Dann seien sie immer stärker in die Geschäfte krimineller Hintermänner verwickelt und von diesen eingesetzt worden. Die Tatwerkzeuge - Handys, falsche Identitäten, konspirativ eröffnete Konten - seien ihnen zur Verfügung gestellt worden, geben die jungen Männer an. Das Geld floss auf Tarnkonten und wurde dann an Automaten bar abgehoben.
Alle drei äußerten Angst vor Repressionen ihres Hintermannes. "Ich weiß nicht, was er mit mir machen würde", sagt einer auf Nachfrage. "Es wäre jedenfalls nicht schön."
"War das ein gängiges Modell?", fragte das Gericht den Kriminalbeamten. "Ja", sagt der Schweinfurter Ermittler und berichtet von ähnlichen Ermittlungen der Frankfurter Kollegen im Umkreis des Trios. Es gebe dort bereits 100 Beschuldigte.
Plädoyers und Urteil schon am nächsten Mittwoch?
Die Angeklagten sollen sich von den Einnahmen ein luxuriöses Leben geleistet haben, von dem andere Gleichaltrige allenfalls träumen: teure Autos, teure Reisen, teure Kleidung, Bordellbesuche. Am Landgericht Würzburg wird ihnen jetzt banden- und gewerbsmäßiger Betrug, Missbrauch von Ausweispapieren und Datenhehlerei angelastet.
Die drei 20- und 21-Jährigen müssen mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren rechnen. Der Prozess wird am kommenden Mittwoch, 26. Juli, fortgesetzt - mit den Plädoyers. Laut dem Vorsitzenden Richter Michael Schaller dann "im besten Fall" auch bereits mit dem Urteil.